3D-Druck trifft auf Handwerk - «das ist die Zukunft» Montag, 21.10.2024 | 09:11 ... Schweizerischer Baumeisterverband Baumeister 5.0 Digitalisierung Bautechnologien 3D-Druck trifft auf Handwerk – «das ist die Zukunft» In Mulegns GR wird derzeit mit Tor Alva der weltweit höchste Beton-Turm, der im 3D-Druck entsteht, realisiert. Konzipiert wurde der Turm von der ETH Zürich, beim Aufbau sind die beiden Bündner Bauunternehmen Battaglia Bau AG + Zindel & Co. AG mit von der Partie. Die Baustelle inmitten der Bündner Bergwelt sieht ungewöhnlich aus. Bereits auf den ersten Blick wird klar, dass hier ein ganz neues Bauverfahren gewählt wurde. Tor Alva heisst das Bauwerk, von dem bereits die ersten Etagen stehen. Es handelt sich um den weltweit höchsten Turm, der in Druckbauweise entsteht. Wieso diese Innovation gerade in Mulegns in GR erstellt wird? Nun, Mulegns ist vom Aussterben bedroht. Aktuell leben noch 20 Personen im Dorf, das man passiert, wenn man den Weg ins Oberengadin über den Julierpass wählt. Doch Mulegns soll weiterleben, so will es die Stiftung Nova Fundaziun Origen. Eine ihrer Aktivitäten dazu ist, dass sie den Bau der eben erwähnten Tor Alva initiierte. Computergestütztes Design Tor Alva, der weisse Turm, demonstriert die bahnbrechenden Möglichkeiten des computergestützten Designs und der digitalen Fertigung, die das konventionelle Bauen in den kommenden Jahren wohl grundlegend verändern werden. Durch den Einsatz robotergestützter 3D-Druckverfahren kann der Beton ganz gezielt nur dort aufgetragen werden, wo er benötigt wird, wodurch sich der Verbrauch um die Hälfte verringert. Das Verfahren erfordert zudem keine Schalung mehr. Gedruckt werden Bauteile wie die Säulen in Zürich, in Savognin, bei der Battaglia Bau AG, werden sie zusammengebaut, nach oben transportiert und anschliessend in Mulegns montiert. Der Turm wird so konstruiert sein, dass er abgebaut und an einem anderen Ort wieder aufgebaut werden kann. Nico Russi, Geschäftsführer Hochbau Zindel + Co AG und Battaglia Bau AG, Projektleiter für die Baumeisterarbeiten, meint ohne zu zögern: «Ja, es kann eine zusätzliche Möglichkeit für die Zukunft des Massivbaus sein. Durch die Vorfertigung in der Werkhalle verkürzt sich die Bauzeit auf der Baustelle. Das könnte das Bauen günstiger machen, was zusammen mit dem Effizienzgewinn es uns ermöglichen würde, besser den benötigten Wohnraum zur Verfügung zu stellen.» Er präzisiert allerdings: «Nicht heute oder morgen. Im Moment sind wir erst dabei, Erfahrungen zu sammeln, zu lernen. Etwa welchen Einfluss im Prozess zu welcher Auswirkung führt.» Auch wenn der Aufbau für Russi und sein Team eine Premiere ist und die Logistik in Mulegns aufgrund der engen Verhältnisse schwierig ist, klappt beim Bau des Turms alles bestens. «Der Prozess auf der Baustelle ist sehr effizient. Jedes Bauteil, das eingebaut wird, ist genau gekennzeichnet, wo es hinkommt, auch weil es nicht zu lange als Last hängen sollte.» Wie stand es um die Genauigkeit, die im Massivbau mit seinem zuerst flüssigen Material naturgemäss geringer ist als im Holzbau mit dem starren Material und der CNC-Vorfertigung? Russi erläutert, gewisse Toleranzen seien bereits bei der Planung eingerechnet worden. Mit einer Genauigkeit von ein bis zwei Zentimeter (auf einer Stockwerkhöhe von 6.05m), die erreicht werden konnte, seien so keine Probleme entstanden. Die Zusammenarbeit mit der ETH Zürich funktionierte gut. Russi betont: «Auch der 3D-Druck braucht Handwerk beziehungsweise Fachleute, die auf der Baustelle anpacken.» So funktioniert der Druck Bei diesem neuartigen Herstellungsverfahren trägt ein Roboter nacheinander 5 Millimeter dünne Schichten aus Weichbeton durch eine Düse auf. Das Material ist weich genug, um sich zu verbinden und homogene Komponenten zu bilden, während es schnell genug aushärtet, um die aufeinanderfolgenden Schichten zu tragen. Neben der Fertigung ist die filigrane Form mit verschnörkelten, verdrehten Säulen beim Tor Alva speziell. Das kommt nicht von ungefähr. Der Bau erinnert mit seiner Form an eine Süssigkeit aus der Zuckerbäckerei. Viele Bündner mussten im 19. Jahrhundert ihr Geld im Ausland als Zuckerbäcker verdienen. Den meisten war ein hartes Schicksal beschieden, einige wenige schafften es, mit Geld zurückzukommen, etwa nach Mulegns. Die «Weisse Villa», von der Stiftung Nova Fundaziun Origen saniert und sogar verschoben, wurde von einem Zuckerbäcker erbaut. Tor Alva ist also nicht nur ein Zeugnis modernster baulicher Technologien, sondern auch eine Erinnerung daran, dass die Schweizerinnen und Schweizer einst als bitterarme Fremdarbeiter im Ausland ihr Glück suchen mussten. Über den Autor Susanna Vanek [email protected] Artikel teilen
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