Ab 2023 wird die ISAB GAV-Bescheinigung als Nachweis für Sorgfaltspflicht bei Solidarhaftung anerkannt

Ab 1. Januar 2023 reicht für Bauun­ter­neh­men eine ISAB GAV-Beschei­ni­gung, um ihrer Sorg­falts­pflicht bei den Subun­ter­neh­men nach­zu­kom­men. Damit wurde insbe­son­dere auch die Forde­rung der Sozi­al­part­ner im Bauhaupt­ge­werbe erfüllt.

Der Bundes­rat hat am 23. Novem­ber 2022 eine Ände­rung der Entsen­de­ver­ord­nung verab­schie­det, in welcher Anpas­sun­gen an den Nach­weis der Einhal­tung der Sorg­falts­pflicht im Bereich der Soli­dar­haf­tung vorge­nom­men werden. Wich­tigste Neue­rung: Ab 1. Januar 2023 reicht für Bauun­ter­neh­men eine ISAB GAV-Beschei­ni­gung, um ihrer Sorg­falts­pflicht bei den Subun­ter­neh­men nach­zu­kom­men. Damit wurde insbe­son­dere auch die Forde­rung der Sozi­al­part­ner im Bauhaupt­ge­werbe erfüllt, dass der ISAB GAV-Beschei­ni­gung im Rahmen der Soli­dar­haf­tung ein höheres Gewicht beigemes­sen wird. Ab 1. Januar 2023 ist es für Bauun­ter­neh­men einfa­cher und unbü­ro­kra­ti­scher, ihre Sorg­falts­pflicht als Erst­un­ter­neh­mer gegen­über Subun­ter­neh­men nach­zu­wei­sen. Neu wird die ISAB GAV-Beschei­ni­gung als Nach­weis für die Sorg­falts­pflicht bei der Soli­dar­haf­tung aner­kannt. Fast zehn Jahre nach der Verschär­fung der Subun­ter­neh­mer­haf­tung ist diese lang ange­strebte büro­kra­ti­sche Entlas­tung dank grossem Enga­ge­ment der Sozi­al­part­ner im Bauhaupt­ge­werbe endlich Tatsa­che. Blick zurück: Anpas­sung der Bestim­mun­gen zur Subun­ter­neh­mer­haf­tung im Jahre 2013 Mit Anpas­sung des Entsen­de­ge­set­zes (EntsG) und der Entsen­de­ver­ord­nung (EntsV) per 15. Juli 2013 wurde die Haftung des Erst­un­ter­neh­mers für die Nicht­ein­hal­tung der mini­ma­len Arbeits- und Lohn­be­din­gun­gen durch seine Subun­ter­neh­mer verstärkt. Um sich von seiner Haftung zu befreien, musste der Erst­un­ter­neh­mer nach­wei­sen, dass er bei jeder Weiter­gabe der Arbei­ten die nach den Umstän­den gebo­tene Sorg­falt in Bezug auf die Einhal­tung der Lohn- und Arbeits­be­din­gun­gen ange­wen­det hat. Seine Sorg­falts­pflicht erfüllte der Erst­un­ter­neh­mer unter anderem dann, wenn er eine Bestä­ti­gung der pari­tä­ti­schen Voll­zugs­or­gane von allge­mein­ver­bind­lich erklär­ten Gesamt­ar­beits­ver­trä­gen (AVE GAV) vorle­gen konnte, die aufzeigte, dass der Subun­ter­neh­mer auf Einhal­tung der Lohn- und Arbeits­be­din­gun­gen kontrol­liert wurde und keine Verstösse fest­ge­stellt wurden. Aktua­li­sie­rungs­be­darf bei der Sorg­falts­pflicht des Erst­un­ter­neh­mers erkannt Insbe­son­dere mit der Grün­dung des pari­tä­ti­schen Vereins ISAB und der Stan­dar­di­sie­rung von Infor­ma­tio­nen aus dem Vollzug mit der ISAB GAV-Beschei­ni­gung, welche als einzige syste­ma­tisch auf den Ergeb­nis­sen von real erfolg­ten Kontrol­len durch die pari­tä­ti­schen Voll­zugs­or­gane in AVE GAV Bran­chen basiert, gelang es zwar, die Aussa­ge­kraft von GAV-Beschei­ni­gun­gen erheb­lich zu verbes­sern. Dieser Fort­schritt fand zunächst jedoch noch keinen Nieder­schlag in den Bestim­mun­gen zur Soli­dar­haf­tung. Erst nach einer parla­men­ta­ri­schen Motion durch Natio­nal­rä­tin Diana Gutjahr im Juni 2021 und auf Initia­tive der Sozi­al­part­ner im Bauhaupt­ge­werbe wurde unter der Leitung des SECO im Herbst 2021 eine Exper­ten­gruppe ins Leben gerufen. Diese hat in mehre­ren Sitzun­gen geprüft, wie die Sorg­falts­pflicht unter Berück­sich­ti­gung der Weiter­ent­wick­lun­gen im Vollzug seit dem Jahre 2013 erfüllt werden kann. Dabei wurde ein Aktua­li­sie­rungs­be­darf erkannt: In Zukunft soll die Aussa­ge­kraft einer GAV-Beschei­ni­gung erwei­tert werden, einer­seits mit einer Anpas­sung der Entsen­de­ver­ord­nung, ande­rer­seits mit weiter­füh­ren­den Empfeh­lun­gen zur Erfül­lung der Sorg­falts­pflicht auf der Website des SECO.

Damit wird einer GAV-Beschei­ni­gung faktisch eine höhere Wertig­keit ausge­wie­sen als einer Selbst­de­kla­ra­tion.

Erwei­te­rung der Aussa­ge­kraft der GAV-Beschei­ni­gung Die Exper­ten­gruppe konnte insbe­son­dere aufzei­gen, dass entge­gen der bishe­ri­gen Formu­lie­rung in Art. 8b Abs. 1 Buch­stabe c EntsV in erster Linie rele­vant ist, ob das Unter­neh­men bei fest­ge­stell­ten Verstös­sen allfäl­lig offene Nach­zah­lun­gen geleis­tet und im Sinne der GAV-Beschei­ni­gung seine GAV-Konfor­mi­tät nach­ge­wie­sen hat. Dieser Aktua­li­sie­rungs­be­darf wurde vom Bund erkannt, was in einer Anpas­sung des Art. 8b Abs. 1 EntsV resul­tiert. Neu kann sich der Erst­un­ter­neh­mer die Einhal­tung der mini­ma­len Lohn­be­din­gun­gen mit einer Bestä­ti­gung der pari­tä­ti­schen Voll­zugs­or­gane von AVE GAV darle­gen lassen, welche Auskunft über durch­ge­führte Kontrol­len und über die Einhal­tung der Lohn- und Arbeits­be­din­gun­gen gemäss Art. 2 Abs. 1 EntsG durch den Subun­ter­neh­mer gibt. Der Erst­un­ter­neh­mer erfüllt somit seine Sorg­falts­pflicht insbe­son­dere dann, wenn der Subun­ter­neh­mer ihm eine ISAB GAV Beschei­ni­gung vorwei­sen kann, welche im ‚Beschei­ni­gungs­er­geb­nis‘ ausweist, dass die GAV-Konfor­mi­tät nach­ge­wie­sen ist. Die Aussa­ge­kraft der ISAB GAV-Beschei­ni­gung ist nur dann redu­ziert, wenn diese mangels erfolg­ter Kontrolle keine Infor­ma­tio­nen über aktu­elle GAV-Verfeh­lun­gen liefern kann. Darüber hinaus soll durch die auf der Website des SECO publi­zier­ten Empfeh­lun­gen zur Erfül­lung der Sorg­falts­pflicht verhin­dert werden, dass ein Subun­ter­neh­mer ein Fehl­ver­hal­ten, das in einer GAV-Beschei­ni­gung ausge­wie­sen ist, damit verschwei­gen kann, dass er dem Erst­un­ter­neh­mer einzig eine Selbst­de­kla­ra­tion vorlegt. Damit wird einer GAV-Beschei­ni­gung, welche die Voraus­set­zun­gen an die neue EntsV-Bestim­mung erfüllt, faktisch eine höhere Wertig­keit ausge­wie­sen als einer Selbst­de­kla­ra­tion. Mit diesen per 1. Januar 2023 in Kraft treten­den Ände­run­gen im Bereich der Soli­dar­haf­tung wird der GAV-Beschei­ni­gung die Wirkung aner­kannt, welche die Sozi­al­part­ner im Bauhaupt­ge­werbe im letzten Jahr gefor­dert hatten.

Über den Autor

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Stephen Ammann

Senior Jurist

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