Alltag einer Bauführerin

Barrierefreier Zugang Bahnhof St. Fiden

Der historische St. Galler Bahnhof St. Fiden wird renoviert, die Bauführung übernimmt mit Silvana Jakob eine der wenigen Frauen auf dem Beruf. Bei einem Baustellenbesuch spricht sie über Herausforderungen auf einer Bahnhofs-Baustelle und Vorteile der weiblichen Perspektive auf Bauarbeiten.

 

Die Schweiz ist ein Eisenbahnland – Züge fahren schon bald 200 Jahre quer durchs Land. Gleich einige der schweizweit über 600 Bahnhöfe sind bereits im 19. Jahrhundert gebaut worden und werden bis heute von hunderttausenden Menschen täglich genutzt. Damit das funktioniert, müssen die Gebäude in gutem Zustand sein – und die Perrons barrierefrei erreichbar.

Silvana Jakob geht durch den Bahnhof St. Fiden. Sie ist seit sieben Jahren Bauführerin im Ingenieurbau bei der Walo Bertschinger AG. Sie mustert das Bahnhofsgebäude. Der Bahnhof hat schon bessere Zeiten gesehen. 1856 in Betrieb genommen, hat er sich seither von der Dienststation zum Güterbahnhof und bald darauf zum Trennungsbahnhof für den Personenverkehr entwickelt. Nun soll nicht nur der Bahnhof St. Fiden erneuert werden, um ihn herum wird ein neuer Stadtteil entstehen. Silvana Jakob und ihr Team wurden mit der Aufgabe betraut, den Zugang zum Bahnhof und den Gleisen behindertengerecht zu gestalten. Damit bodenebenes Ein- & Aussteigen möglich ist, werden die Perrons erhöht und Rampen erstellt. «Wir sind ungefähr in der Hälfte der Arbeiten.»

Grossbaustelle ohne Kran

Silvana Jakob ist für die Koordination der Baustelle zuständig. Das heisst: Akquisition, Offerten, Ressourcen sowie die terminliche und finanzielle Kontrolle fallen in ihr Aufgabengebiet. Herausfordernd, doch sie würde es sich nicht anders wünschen. «In meinem Beruf gibt es immer neue Herausforderungen, uns wird es nicht langweilig», sagt sie. Auch diese Baustelle wartet gleich mit einigen Besonderheiten auf. Zum einen finden die Bauarbeiten statt, während die Züge fahren. Die unzähligen Fahrleitungen beim mehrgleisigen Bahnhof verunmöglichen das Aufstellen eines Krans. «Das verändert den ganzen Arbeitsablauf. Wir müssen schauen, dass wir uns nichts verbauen, wir müssen genau planen, wann wir das Material aufs Perron bringen.»

Das Projekt im Überblick

Bauführung: Walo Bertschinger Ostschweiz AG

Baustart: Oktober 2021

Fertigstellung:  2023

Anzahl Beschäftigte: 40 in der Intensivphase, sonst jeweils fünf (tags und nachts)

Bauberufe:  Maurer, Strassenbauer, Gleisbauer

Lernende: Maurer, Strassenbauer, Gleisbauer

Projektsumme: 7 Millionen

Bauen mit Denkmalschutz

Eine weitere Besonderheit zeigt sich beim heutigen Arbeitsschritt. Das denkmalgeschützte Perrondach wird provisorisch abgestützt. «Die neuen Elemente werden so produziert, dass sie gleich aussehen wie jene aus der Entstehungszeit», sagt sie. «Alles, was wir bauen, ist ein Prototyp», sagt sie über ihre Arbeit bei der Walo Bertschinger AG. «Diese Objekte gibt es nicht in einer Serie.»

Freude am Neuen haben – das ist dann auch DIE Anforderung an künftige Bauführer und Bauführerinnen gemäss Silvana Jakob. «Es kommt zu einer grossen Veränderung – Stichwort Digitalisierung» sagt sie. Bereits jetzt kommen in Bauprojekten moderne Technologien wie GPS, Drohnen oder BIM zum Einsatz.

Wegfindung im Team

Silvana Jakob liebt ihren Beruf, das wird im Gespräch mit ihr spürbar. Sie hat sich nach ihrer Ausbildung zur Bauzeichnerin für eine Zusatzlehre als Strassenbauerin entschieden, und arbeitete nach Lehrabschluss schon bald als Vorarbeiterin. «Ich konnte die Theorie und Praxis verknüpfen», sagt sie. Die Arbeit im Team habe ihr im Strassenbau sehr gefallen, und es ist auch ein Aspekt, der ihr als Bauführerin nach wie vor wichtig scheint. «In meinem Beruf ist man im besten Fall Teamplayer und Einzelkämpfer. Man muss immer miteinander den guten Weg finden.»

Ein Beruf für Frauen und Männer

Ein Team profitiert davon, wenn es durchmischt ist, ist Silvana Jakob überzeugt. Sie ist eine der wenigen Frauen in ihrem Beruf. Doch schon als Strassenbauerin fühlte sie sich bestens im Team integriert. «Verschiedene Perspektiven tun einem Team gut», sagt sie und möchte weitere Frauen ermutigen, Bauberufe kennenzulernen. «Schauen, wie es ist – mit den heutigen Hilfsmitteln ist es körperlich weniger streng als noch vor 50 Jahren, sagt sie. «Strenger als ein Bürojob ist’s immer noch, aber auch viel abwechslungsreicher.»

Über den Autor

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Joel Bigler

Leiter Marketing & Marketing Automation

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