Auch attraktive Arbeitgeber haben Mühe, Angestellte zu finden

Die Marti AG hat einen ausgezeichneten Ruf als Arbeitgeberin, spürt den Fachkräftemangel aber trotzdem. Dementsprechend investiert das Unternehmen einiges in die Mitarbeiterbindung.

Es ist ein spektakuläres Bauwerk, das in Zürich-Altstetten derzeit entsteht: Die Swiss Life Arena, das Eishockeystadion des ZSC, wird über eine spezielle Fassade verfügen, die an einen Vorhang denken lässt. Er wird aus weissem Sichtbeton bestehen. Was für die Ausführenden eine gewaltige Herausforderung darstellt. Die Schalung besteht aus Kunststoff, der stark auf Temperaturschwankungen reagiert. Das Team von Polier Giuseppe Petrolo konstruierte deshalb eigenes Werkzeug und konsultierte dazu nach Feierabend den Baumarkt. Was für ein Herzblut und ein grossartiger Einsatz! «Das ist unser Marti Spirit», erläutert Brigitte Auf der Maur, Personalverantwortliche von Marti AG Zürich, «wir haben ein grosses Zusammengehörigkeitsgefühl und wurden erst kürzlich von der Handelszeitung als viertbester Arbeitgeber der Baubranche gekürt.»

 

Immer weniger Lernende

Trotzdem: Den Fachkräftemangel spürt auch die Marti AG. «Seit drei Jahren haben wir rückläufige Lernendenzahlen, dies auch aufgrund von unseren strengeren Auswahlkriterien. Unser Ausbildungsverantwortlicher Ueli Niederberger leistet eine hervorragende Arbeit», weiss Auf der Maur. Marti AG unternimmt einige Massnahmen, um Nachwuchskräfte zu rekrutieren, etwa mit dem Brand #Martifuture und www.martifuture.ch. Daneben werden Gemeinden im Lötschental unterstützt welche alljährlich durch Lawinenverschüttung die Wanderwege und Infrastruktur wieder in standstellen müssen. Weiter profiliert sich das Unternehmen mit Aktivitäten wie dem Marti Erlebnistag im Juni, bei dem die Marti-Lernenden Menschen mit Handicap in Hüntwangen einen Tag mit speziellen Erlebnissen schenken.

 

Interessante Bauprojekte

Auf der Maur führt noch weitere Gründe an, die für eine berufliche Laufbahn bei Marti AG sprechen, etwa die interessanten Bauprojekte, individuelle Entwicklungsprogramme sowie Events für Mitarbeitende wie den  Neujahrsbrunch für Martianer und deren Familien.

Die Marti AG, so Auf der Maur, hat eine Mitarbeitendenbefragung mit 14 Themenfeldern durchgeführt. «Das Ergebnis zeigt, dass unsere Mitarbeitenden ihre persönlichen Perspektiven als sehr gut bezeichnen», sagt die Personalverantwortliche. Dies hänge unter anderem auch mit der guten Begleitung, z.B. bei der Einarbeitung von neuen Mitarbeitenden, und mit den Weiterentwicklungsmöglichkeiten bei Marti zusammen, welche gemeinsam zwischen Bereichsleitern und Mitarbeitenden gezielt und langfristig geplant werden. Wichtig für die Mitarbeiterbindung seien zudem nicht primär die monetären Anreize, so Auf der Maur, sondern das Bewusstsein einen wertvollen Beitrag zu leisten und ein ausgeglichenes Verhältnis zwischen Arbeit und Freizeit (Work-Life-Balance). Möglichkeiten wie flexible Teilzeitmodelle oder auch Home-Office-Arbeitsplätze würden auf Kaderstufe immer mehr zum Thema. «Die Mitarbeitendenbindung gehört zu den Top-Herausforderungen für die nähere Zukunft, für das wir einiges tun», so Auf der Maur. «Schliesslich will man nicht Leistungsträger, Talente und Spezialisten verlieren und Stellen neu besetzen müssen, wenn ein akuter Fachkräftemangel herrscht.» Hier spiele der bereits erwähnte Marti-Spirit eine grosse Rolle. «Der Weg zum Erfolgsrezept ist massgeschneidert. Dies muss man über Jahre erarbeiten, bevor man ernten kann.»

 

Demographie als Problem

Wenn junge Männer nicht mehr 100 Prozent arbeiten möchten, dann könnte sich ein Problem verschärfen, dass Auf der Maur heute schon beobachtet: «Der Fachkräftemangel macht uns wie anderen auch zu schaffen. Die Unternehmen kämpfen um die besten Fachkräfte auf dem Arbeitsmarkt, der beinahe inexistent ist.» Erschwert wird das Problem durch die Demographie: Bei der Gesamtzahl der Mitarbeitenden beträgt der Anteil über 50-Jähriger 30 Prozent, womit die Marti AG zwar etwas besser dasteht als der Branchendurchschnitt. Für Auf der Maur steht fest: «In den nächsten zehn bis fünfzehn Jahren müssen viele unserer Leistungsträger ersetzt werden, da diese ins FAR übertreten oder das ordentliche Rentenalter erreichen. Dieser Herausforderung treten wir mit einer rechtzeitigen Planung entgegen.»

 

Neue Berufe

Auf der Maur erklärt, dass die Marti AG bei der Nachwuchssuche gezielt auch auf Hochschul-Absolventen setzt, also auf Personen ohne berufliche Grundausbildung. «Bei den sinkenden Lernendenzahlen brauchen wir andere Kanäle um zukünftige Fachkräfte binden zu können», erläutert Auf der Maur, «während eines Praktikums sammeln sie Berufserfahrung und werden nach Abschluss ihres Studiums und bei entsprechender Eignung ins Unternehmen integriert.» Die Rekrutierung umfasst hauptsächlich Bauingenieure, Geologen und Umweltingenieure.

Wobei Auf der Maur hinzufügt, dass es im Baubereich neue Berufe gebe, für die es noch keine eigentliche Ausbildung gibt. Die Marti AG, etwa, beschäftigt zwei BIM-Fachleute, Dominik Jucker und Alessandro Walpen.

 «Das Berufsbild des Maurers wird sich verändern und IT-Kompetenzen werden schon bald flächendeckend Einklang in die Lehrpläne finden», erläutert die Personalverantwortliche.

Wegen des Fachkräftemangels und den neuen Berufsbildern findet es Auf der Maur sehr wichtig, dass der SBV den Masterplan «SBV-Berufsbildung 2030» gestartet hat. «Es ist richtig das was getan wird weil sich die Ansprüche verändern, spricht sie Klartext, «der Verband versucht, das Berufsbildungssystem des Bauhauptgewerbes für die aktuellen und zukünftigen Herausforderungen fit zu machen, mit dem Ziel, für genügend qualifizierte Berufsleute zu sorgen. Das ist zu begrüssen.» In Zeiten von Fachkräftemangel müsste es zudem auch Ausbildungswege für Quereinsteiger geben, ist sie überzeugt.

 

Wer keine Karriere macht, geht

Gerade auch weil viele qualifizierte Maurer nicht auf dem erlernten Beruf bleiben. Auf der Maur hat die Erfahrung gemacht, dass qualifizierte Maurer, die sich nach der Grundausbildung nicht weiterbilden und so auf eine Karriere verzichten, meist das Bauhauptgewerbe verlassen. «Dadurch ist der prozentuale Anteil derjenigen, die als Maurer arbeiten, aber keine Grundausbildung absolviert haben, relativ hoch», meint sie, «ich finde das problematisch. Denn es braucht ja nicht nur Häuptlinge, sondern auch Indianer, die die Arbeit kompetent ausführen. Diesbezüglich braucht es Möglichkeiten, dass sich Angelernte weiterentwickeln und bestimmte Kompetenzen aneignen können.»

 

Mehr Flexibilität

Auf der Maur ist überzeugt, dass die Angestellten im Bauhauptgewerbe eine Flexibilisierung der Arbeitszeiten begrüssen würden. «Mit sogenannten Zeitwertkonten könnten Urlaubsansprüche angespart und zum Beispiel für Sabbaticals genutzt werden», erklärt sie. «Dies wäre insbesondere auf Kaderstufe anwendbar, bedingt aber einen organisatorischen Mehraufwand», skizziert sie. Sie hofft, dass sich diesbezüglich etwas ändern wird.

 

Susanna Vanek

 

Über den Autor

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Schweizerischer Baumeisterverband

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