Auf die öffentlichen Bauherren kommt es an

An der Jahreskonferenz des SBV blickte der Zentralpräsident Gian-Luca Lardi positiv in die Zukunft. Die öffentlichen Bauherren ruft er auf, die Bautätigkeit zu forcieren. 

Gian-Luca Lardi betonte in seinem Referat zur Jahreskonferenz des SBV die Bedeutung des Bauhauptgewerbes für die Gesamtwirtschaft. «Das Schweizer Bauhauptgewerbe ist eine wichtige Stütze für die gesamte Schweizer Volkswirtschaft. Insbesondere im Corona-Jahr 2020 konnte die Baubranche ihre Bedeutung für die gesamte Wirtschaft unter Beweis stellen. Die Baufirmen haben den Tatbeweis erbracht, dass sie ihre Verantwortung wahrnehmen und Baustellen sicher weiter betreiben können. Innerhalb sehr kurzer Frist haben sie funktionierende Schutzkonzepte entwickelt und eingeführt. Dies war im Frühjahr beim ersten Lockdown eine entscheidende Phase für das ganze vergangene Baujahr. Im Grossteil der Schweiz blieben die Baustellen offen und konnten sicher weiter betrieben werden. Die Schutzkonzepte mit den Abstands- und Hygieneregeln funktionierten sehr rasch und tun es heute weiterhin. Die Suva hat bestätigt, dass über 97% der Baustellen regelkonform betrieben wurden. Dank den Massnahmen konnten wir weiterarbeiten, obschon natürlich die Produktivität darunter etwas litt. Das Bauhauptgewerbe hat 2020 einen Umsatz von 19.5 Milliarden Franken erwirtschaftet. Das sind 5.8% weniger als im Vorjahr. 2020 war das schwächste Baujahr seit fünf Jahren», sagte er. 
 
2021 leichtes Umsatzplus erwartet  
Für 2021 sieht Lardi positiv. «Es gibt Anzeichen, dass die Umsätze 2021 wieder leicht ansteigen, sie jedoch tiefer ausfallen werden als vor der Corona-Pandemie. Unser Prognoseinstrument, der Bauindex, den wir zusammen mit der Credit Suisse publizieren, sagt eine leichte Erholung von 1.5% für dieses Jahr voraus. Damit dürfte das Bauhauptgewerbe 2021 19.8 Milliarden Franken erwirtschaften.» 
 
Zu den einzelnen Sparten: Im Wohnungsbau hatte sich schon länger eine Korrektur abgezeichnet, entsprechend ist der Umsatz in dieser Sparte letztes Jahr deutlich zurückgegangen. «Wir glauben, dass der Wohnungsbau nun einen Boden gebildet hat und es dieses Jahr wieder etwas besser laufen dürfte. Auf der Angebotsseite kommen das tiefe Zinsniveau und die Normalisierung der Baugesuche zum Tragen. Auf der Nachfrageseite gibt uns Rückenwind, dass die Nettozuwanderung stabil geblieben ist und dass die Menschen wegen des Home office zunehmend grössere Wohnungen suchen. Wir erwarten einen Effekt daraus, dass die Menschen bereit sind, weiter weg vom Arbeitsplatz zu wohnen. Dies dürfte die überdurchschnittlich hohe Leerstandquote in den ländlichen Gemeinden senken», so Lardi. Die Nachfrage in Stadtzentren und Agglomerationen wird aber hoch bleiben. Ein weiterer, wichtiger Faktor im Wohnungsbau ist die Energieeffizienz. Um die Klimaziele des Bunds erreichen zu können, sind grosse Investitionen in den Gebäudepark nötig. Bislang ist die Sanierungsquote mit knapp 1% sehr tief. Um die Klimaziele fristgerecht zu erreichen, müsste die Sanierungsquote bei 3% liegen. «Wir stehen derzeit bei einem Drittel des Notwendigen. Der Gebäudepark und insbesondere Ersatzneubauten sind für die politisch angestrebte Verdichtung und die CO2-Reduktion zentrale Massnahmen. Wenn die politischen Ziele nicht nur Worthülsen bleiben sollen, muss sich dies in Investitionen und in Ersatzneubauten niederschlagen. Hier müsste künftig deutlich mehr Dynamik herrschen, um die Gebäude energieeffizienter zu gestalten», machte Lardi klar. 
 
Wirtschaftsbau dürfte stagnieren  
Laut verschiedenen Prognoseinstituten wie dem Seco, der KOF und BAK Economics dürfte das Schweizer BIP im laufenden Jahr um 2% bis 3% gegenüber dem Vorjahr wachsen. Da sich die allgemeine Konjunkturlage 2021 dieses Jahr aufhellen dürfte, könnten kommerzielle Bauten wieder stärker gefragt sein. Im zweiten Halbjahr 2020 stiegen sowohl Bautätigkeit als auch der Auftragseingang für kommerzielle und gewerbliche Bauten an. Trotzdem bleibt die pandemische Entwicklung sehr unsicher, die Impfungen stocken. Deshalb dürfte der Wirtschaftsbau unterm Strich stagnieren.  
 
Ob die leicht positiven Erwartungen tatsächlich eintreffen, hängt vom weiteren Verlauf der Pandemie, aber auch von den öffentlichen Bauherren ab. Grundsätzlich ist die öffentliche Hand für die Hälfte des Umsatzes im Bauhauptgewerbe verantwortlich. Der Staat sollte sich gerade in konjunkturell schwierigen Zeiten nicht zurückziehen. Trotzdem sind die Auftragseingänge von Bund, Kantonen und Gemeinden entgegen dem Trend in den letzten Jahren 2020 um 2% zurückgegangen. Der öffentliche Tiefbau, die wichtigste Einzelsparte unserer Branche, verzeichnete gar ein Auftragsminus von 3.4%.   
 
Öffentlicher Sektor entscheidend  
«Es war sehr ungewöhnlich, dass der Arbeitsvorrat an öffentlichen Aufträgen seit Beginn der Corona-Pandemie durchgehend abgebaut wurde. Normalerweise erholt er sich im Jahresverlauf wieder. Hält das aktuelle Tempo an, könnte der Arbeitsvorrat schon recht bald ein solch tiefes Niveau erreichen, wie wir es schon seit Jahren nicht mehr gesehen haben. Infrastruktur-Projekte sind langfristig ausgelegt, in der Regel werden sie über mehrere Jahre gebaut. Denken Sie nur an den Gotthard-Basistunnel mit einer Bauzeit von rund 20 Jahren. Die weitere Entwicklung dieses langfristigen Arbeitsvorrats, quasi ein Sicherheitspuffer für die Baufirmen, hängt davon ab, ob die öffentlichen Bauherren nötige und häufig auch schon aufgegleiste Projekte forcieren, bewusst vorantreiben und so wieder vermehrt Aufträge vergeben werden. In der ersten Welle der Pandemie im Frühjahr 2020 musste die Baubranche hier negative Erfahrungen machen. Mit dem Lockdown ist die Auftragsvergabe in einzelnen Städten um bis zu 50 Prozent eingebrochen. Die Baubranche konnte als Stütze der Wirtschaft bisher helfen, eine noch grössere Rezession abzufedern. Anders als im Frühjahr 2020 sind die Reserven bei den Baufirmen jetzt aber deutlich reduziert. Um den Verlust von Arbeitsplätzen nicht auch noch auf dem Bau riskieren, sondern diesen abzuwenden, sind Gemeinden, Kantone und der Bund jetzt gefordert, Projekte forciert zu planen, auszuschreiben und zu vergeben», meinte Lardi. 
 
Mit ihren Aufträgen nimmt die öffentliche Hand Einfluss darauf, wie viele Arbeitsplätze die Baubranche anbieten kann. 2019 beschäftigte das Bauhauptgewerbe über 80 000 Festangestellte, dementsprechend waren relativ wenige Personen arbeitslos, gerade im Sommer. 2020 hatte vielversprechend begonnen, die Arbeitslosigkeit war zu Beginn des Jahres geringer als 2019. Der Trend jedoch drehte ab März. Es wurden weit weniger neue Stellen geschaffen als sonst üblich. Je nach Monat gab es bis zu 80% mehr Arbeitslose. Bis zu 4000 Arbeitsplätze für Festangestellte und Temporärbeschäftigte wurden nicht geschaffen beziehungsweise gingen verloren.   
 
«Das neue Gesetz definiert neue Zuschlagskriterien, etwa die Plausibilität des Angebots, die es dem Bauherren erlauben, auch innerhalb dem Zuschlagskriterium Preis nicht einfach dem billigsten Angebot die höchste Punktzahl bei einer Vergabe geben zu müssen. Das ist eine grosse Chance für die Bauherren und der entscheidende Einstieg in einen Qualitätswettbewerb. Ausschlaggebend ist jetzt, dass die Bauherren und insbesondere die Vergabestellen die alten ausgetrampelten Pfade verlassen und in der Anwendung des öffentlichen Beschaffungswesens diese neuen Chancen packen», meinte Lardi. «Nationale öffentliche Bauherren und die Koordinationskonferenz der Bau und Liegenschaftsorgane der öffentlichen Bauherren haben Pilotprojekte angekündigt. Von verschiedenen Kantonen erhalten wir ermutigende Rückmeldungen, dass sie Instrumente wie die Plausibilität des Angebotes nutzen wollen.» 

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Schweizerischer Baumeisterverband

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