Bauen fernab der Zivi­li­sa­tion

Reno­va­tion von Rustici auf 2000 m ü. M.

Wer ans Tessin denkt, denkt auch an Rustici – doch viele der romantischen Steinhäuschen in den Tessiner Tälern und Bergen sind verlassen und in baufälligem Zustand. Schon mal überlegt, wie das vor sich geht, wenn ein solches Rustico renoviert wird, noch dazu eines, das nur zu Fuss oder mit dem Helikopter erreicht werden kann? Zu Besuch auf einer Baustelle, auf der gleich sechs solcher Rustici auf Vordermann gebracht werden.

Vielleicht stärker als jeder andere Häusertyp in der Schweiz rufen die Rustici im Tessin positive Assoziationen hervor – sie stehen für Abgeschiedenheit und Romantik im Herzen der Natur, eine Zeitreise zurück zum Ursprünglichen und Einfachen. Gar nicht so einfach ist es allerdings für jene, die ein Rustico renovieren oder in Stand halten möchten.

Im Valle Maggia auf einer Alp auf über 2000 Metern über Meer stehen sechs Rustici, unweit vom Weiler Corte del Pèzz und unterhalb des gleichnamigen Lago del Pèzz – zu erreichen sind die Rustici nach einem dreistündigen Aufstieg zu Fuss oder, einfacher, aber teuer, mit dem Helikopter in wenigen Minuten.

Die etwas andere Baustelle

Baumeister Francesco Teti und sein Team blicken auf die sechs Häuser, die sie seit Juni renovieren. Bis Ende September soll eines der Rustici komplett ausgebaut werden, damit es künftig als Jagdunterkunft dienen kann, die anderen sollen in ihrer historischen Form bleiben. Dazu bauen sie die Mauern und Dächer aus Naturstein neu, machen den Verputz und Bodenarbeiten und legen Wasserleitungen vom nahegelegenen Fluss/Bach zum Haus.

Die Arbeit mit dem Naturstein ist völlig anders als gewohnt. «Man muss den Stein zuschlagen und die richtige Position fürs Setzen finden», sagt Francesco Teti. Allgemein ist die Arbeit auf der abgelegenen Alp alles andere als gewöhnlich und wartet mit vielen Herausforderungen, aber auch lohnenden Aspekten auf.

Sämtliches Material, das gebraucht wird, also Sand, Zement, Holz, Mischer, Kleinbagger und Generator, muss mit dem Helikopter auf die Alp geflogen werden. «Selbst die Arbeiter werden jede Woche hochgeflogen, und übernachten dann auf der Alp», sagt Baumeister Francesco Teti. «Die Logistik muss sehr gut organisiert werden, in möglichst wenigen Flügen, sonst wird es schnell sehr teuer.» Auch das Essen muss gut ausgesucht sein, da es auf der Rustici-Baustelle keinen Kühlschrank hat.

Risiken der Natur

Auch die Gefahr von Bauunfällen ist real – im schlimmsten Fall müsste ein Rettungshelikopter hergerufen werden. Das Team von Francesco Teti ist mit einem Erste-Hilfe-Kasten ausgerüstet, auch für den Fall, dass eine Begegnung mit einer der heimischen Giftschlangen wie der Kreuzotter oder der Aspiviper unschön enden sollte.

Und was ist, wenn das Wetter mal nicht mitmacht und der Helikopter nicht fliegen darf? Dann kann es vorkommen, dass nach einer strengen Woche der Heimweg zu Fuss angetreten werden darf.

Fürs Leben gelernt Das Maurer-Leben kann hart sein – das wissen auch die beiden Lernen­den Mario Carando (3. Lehr­jahr) und Joel Pagani (2. Lehr­jahr). Die zwei sind so weit möglich bei allen Akti­vi­tä­ten invol­viert: sie wirken beim Gerüst­bau und Abbruch mit, beim Anma­chen des Betons, beim Graben, Steine schla­gen und Steine und Dächer setzen. «Heute machen wir Natur­stein­mau­ern und Natur­bö­den. Bei solchen Spezi­al­ar­bei­ten können wir viel lernen und profi­tie­ren», sagt Mario Carando. «Bei einer Maurer-Lehre lernt man fürs Leben», ist er über­zeugt. Joel Pagani moti­viert, dass seine Arbeit sicht­bar ist und bleibt. «Ich bin stolz, dass die Objekte, die wir bauen, für sehr lange Zeit bleiben», sagt er.

Leiden­schaft Bau Die Begeis­te­rung, die die Lernen­den für den Baube­ruf spüren, kann lange anhal­ten – das zeigt sich bei Baumeis­ter Fran­cesco Teti. Schon als Kind spürte er eine Passion für den Bau, als er seinem Vater bei seiner Maurer­tä­tig­keit zuschaute. «Selbst wenn ich noch vier Mal ein neues Leben führen sollte, ich würde jedes Mal diesen Beruf wählen», sagt er. Mit seinem Bruder Daniele ist er den Fuss­stap­fen seines Vaters gefolgt. «Nun arbei­tet unser Vater in unserem Unter­neh­men», sagt Fran­cesco Teti, mit gewis­sem Stolz. Als sie die Rotor­blät­ter des heran­na­hen­den Heli­ko­pters hören, wenden alle Arbei­ter auf der Alp ihre Köpfe. Das Wochen­ende ist nahe, es geht nach einer inten­si­ven, aber unver­gess­li­chen Arbeits­wo­che wieder zurück ins Tal.

Über den Autor

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Joel Bigler

Leiter Marketing & Marketing Automation

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