Bauen fürs Klima

Die Gebäude sind Teil unseres Weges zur Klimaneutralität. Denn wir müssen unsere Städte ziemlich stark umbauen, um die Katastrophe zu verhindern.

Gegenüber, wo das gelbe, längliche Haus seine letzten Tage verbrachte, stehen nun hochmoderne Mehrfamilienhäuser. Sie sehen teuer aus. Aber auch gut isoliert. Der Hof zwischen ihnen ist mehr oder weniger öffentlich begehbar und sehr grün gekleidet. Irgendwo im Boden steckt jetzt eine Erdsonde, wie mir der zuständige Architekt am Telefon sagte, und man hat Schweizer Nachhaltigkeitsstandards eingehalten. Energietechnisch eindeutig effizienter als meine Wohnung, wo der Wind fröhlich durch die Fensterritzen zieht.

Die Gebäude sind, so hoffe ich, Teil unseres Weges zur Klimaneutralität. Denn wir müssen unsere Städte ziemlich stark umbauen, um die Katastrophe zu verhindern. Wir müssen den gesamten Gebäudepark unserer Städte sanieren, um Heizemissionen zu sparen, neue Energienetze spannen, Solarstrom ausbauen und, natürlich, den Verkehr reduzieren und deshalb unsere Strassen umbauen.

Bauen wie noch nie

Zürich hat sich zum Ziel gesetzt, bis 2040 klimaneutral zu sein. Um das in den emissionsstärksten Bereichen Gebäude und Verkehr zu schaffen, muss die Stadt durchschnittlich 590 zusätzliche Millionen pro Jahr investieren, so hat es ein Grundlagenbericht der Umweltberatungsunternehmen Quantis und Infras über den Weg Zürichs zur Klimaneutralität hochgerechnet. Den grössten Teil davon in Gebäudesanierungen, dann in den Ausbau des Fernwärmenetzes und schliesslich in den Umbau des Verkehrs.

Diese Zahlen sind mit Vorsicht zu lesen, denn sie basieren auf vielen Annahmen über die Zukunft. Doch sie geben eine Idee von der Grössenordnung der Bauprojekte, die uns bevorstehen. Denn das sind nur die Investitionen der Stadt. Zusammen mit dem privaten Sektor wird noch viel mehr Kapital in die Baustellen fliessen. Der «New York Times»-Kolumnist Ezra Klein sagt: «Um das Klima von früher halbwegs zu bewahren, müssen wir bauen, wie wir noch nie gebaut haben.»

Auch dafür ist die Baustelle also eine Metapher: für Transformation, Wandel, die Metamorphose zum Guten. Das Visionäre und Hoffnungsvolle, das in jeder Baustelle liegt, erfüllt mich mit Wärme, wenn ich daran denke. Aber nur, solange ich die Widersprüchlichkeiten ausblende. Im Neubau gegenüber fährt jetzt ein Porsche aus der Garage. Die Wohnungen sehen so teuer aus, dass ich mir wie ein Nachbarsbonze vorkomme. Um Nachhaltigkeit geht es bei diesen Wohnungen nur am Rande, im Zentrum stehen Komfort und Luxus.

Gut, der Gehsteig unten vor der Haustür wird etwas breiter, und die Strassenarbeiter pflanzen Bäume, das kann man wohl als klimapolitische Baumassnahme deuten, aber trotzdem sind da diese Unmengen von Asphalt und Beton, die nonstop herumfahrenden Muldenkipper und Lastwagen. Es ist eine CO2-Orgie, die hier unten abgeht. Und es kommen keine Fernwärme, keine neuen autofreien Zonen, es wird einfach alles modernisiert, und die Strassen asphaltiert man neu und glatt, damit die Porsches wieder geschmeidig in ihre Garagen gleiten können. Ich geniesse es ja auch, wenn mein Fahrrad auf frisch gewaltzten Wegen wie auf Watte fährt.

 

Autor: Finn Schlichenmaier

Finn Schlichenmeier ist freier Journalist und lebt in Zürich. Dieser Text erschien erstmals Version im Magazin vom 17. November 2022.

Über den Autor

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Schweizerischer Baumeisterverband

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