Bauunternehmer sollen Ressourcen richtig einsetzen

Im Interview erläutert SBV-Zentralspräsident Gian-Luca Lardi, was auf die Baubranche zukommt und wo der Zentralvorstand im Verband die Prioritäten setzt.

 

Kaum normalisierte sich die Lage rund um Corona, kam der Ukraine-Krieg. Eine Baumaterialteuerung und -verknappung machte den Bauunternehmen zu schaffen. Noch ungewiss ist, ob wir uns künftig auf Strommangellangen einstellen müssen. Wirtschaftliche Voraussagen zu treffen ist daher derzeit schwierig. Trotzdem: Wie wird sich die Bauwirtschaft im nächsten Jahr entwickeln?

Die Zinswende werden wir mittelfristig im Hochbau spüren. Allerdings ist andererseits der Gebäudepark veraltet, weshalb der Druck nach Sanierungen und Ersatzneubauten hoch bleiben wird. Dasselbe gilt für den Infrastrukturbau: Der Nachholbedarf ist hier überall gross.

 

Was raten Sie den Bauunternehmern?

Ich empfehle ihnen, angebots- statt nachfrageorientiert zu akquirieren. Das bedeutet, dass sie die eigenen – meist knappen – Ressourcen in Projekten einzusetzen, wo das Unternehmen sein Know-how gewinnbringend einsetzen kann. Dabei finde ich aber, dass die generelle Teuerungssituation nicht nur Risiko birgt, sondern auch eine Chance ist. Wir können entweder nur die erhöhten Einkaufspreise weitergeben, oder eben einen neuen Preis anbieten. Es kommt zudem immer öfter vor, dass auf Ausschreibungen sehr wenige Angebote eingereicht werden.

 

Warum lohnt es sich gerade in schwierigen Zeiten, Mitglied beim SBV zu sein?

Die hervorragenden Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten gäbe es ohne den SBV nicht. Mitglieder profitieren hier vielfach von attraktiven Bildungsangeboten. Für KMU bietet der SBV viele Dienstleistungen an, welche jedes Bauunternehmen braucht, aber nicht alleine finanzieren kann oder will. Für grosse Unternehmen bietet der SBV eine effektive Plattform, um die Rahmenbedingungen der Branche zu prägen und entscheidend zu beeinflussen.

Der Föderalismus ist das beste der imperfekten Systeme.

Der SBV ist national aufgestellt. Heute werden Partikularinteressen höher gewichtet als früher. Beim SBV prallen aber ganz verschiedene Interessen aufeinander, Stadt trifft auf Land, die Romands und die italienische Schweiz auf die Deutschschweizer. Ist die nationale Aufstellung ein Vor- oder Nachteil?
In allem, was man im Leben tut, kann man sich entweder auf die Differenzen oder auf das Gemeinsame konzentrieren. Bei meiner Aufgabe im SBV versuche ich, mich auf das Gemeinsame zu fokussieren, ohne die Differenzen zu ignorieren. Auch für uns gilt, was in der Politik gilt: der Föderalismus ist das beste der imperfekten Systeme.

 

In vielen Branchen herrscht Fachkräftemangel, auch auf dem Bau. Wie bleibt die Baubranche attraktiv für junge Leute?
Wir bieten moderne Arbeitsplätze an, an denen junge Leute ihre handwerklichen Talente einsetzen können. Der Einsatz neuer Technologien und Materialien, komplexer und grosser Baumaschinen, automatisierter Bauprozesse und digitalisierter Hilfsmittel ist attraktiv. In nicht allzu ferner Zukunft werden wir dies auch an den Berufsmessen zeigen können. Dann werden wir die Ära des zweifarbigen Mauerwerks hinter uns gelassen haben.

 

Ein wichtiger Schritt bei der Bildungsreform Masterplan «SBV Berufsbildung 2030» ist geschafft: Sind Sie zufrieden?
Ich bin sehr zufrieden damit, wie wir diesen komplexen und verästelten Prozess gemanagt haben. Stellenweise hätte ich mir aber eine radikalere Erneuerung unserer Berufe gewünscht. Auf diese Reise hat sich und zeigt sich weiterhin, dass unsere Branche eher nostalgisch ist und der Blick nach vorne nicht auf natürliche Art und Weise erfolgt.

 

Welche Themen stehen demnächst beim SBV an?
Auch im kommenden Jahr werden das öffentliche Beschaffungswesen, die Raumplanung und der Masterplan Berufsbildung unsere Arbeit prägen. Ein erklärtes Ziel des Zentralvorstands ist die Akquisition neuer Mitglieder. Wir brauchen auch junge Firmen in unserem Verband. Idealerweise ergänzen sich im Verband langjährige Mitglieder mit jungen Firmen, die den Markt anders sehen und angehen. Dazu ist eine enge und konstruktive Zusammenarbeit mit den Sektionen unerlässlich

 

Im Jahr 2015 wurden Sie zum SBV-Zentralpräsidenten gewählt. Seither mussten Sie einige schwierige Kämpfe ausfechten, zum Beispiel mit den Sozialpartnern, die Herausforderungen durch Corona und nun durch die Wirtschaft. Woher nehmen Sie die Energie für Ihre Arbeit?
An der Freude an der Arbeit. Früher war es ein vollbrachter Infrastrukturbau oder eine gelungene Immobilie, welche meine Motivation erneuerten. Heute sind es eher die unzähligen Kontakte, die vernetzte Zusammenarbeit mit allen Stakeholdern und die Komplexität der Aufgabe, welche mich anspornen, die Branche mitzugestalten.

 

Wird die nächste Zeit ruhiger für die Baubranche und den Verband?
Wir blicken auf einen Megazyklus für die Baubranche zurück, welcher uns in den letzten zwei Dekaden eine Blütezeit ermöglicht hat. Auch in dieser Zeit erlebten wir ein auf und ab, aber stets auf hohem Niveau: Krisen haben andere Branchen oft wesentlich stärker getroffen als unsere. Ich blicke optimistisch in die Zukunft, packe aber meinen Rucksack für den Schlechtwetterfall. Wenn dann die Sonne scheinen wird, werde ich diese geniessen und die warme Jacke im Rucksack liegen lassen.

Über den Autor

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Susanna Vanek

Redaktorin

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