Bildung gestalten heisst Zukunft gestalten

Eine erfolgreiche Zukunft des Bauhauptgewerbes bedingt auch eine zukunftsorientierte Aus- und Weiterbildung.

Eine erfolgreiche Zukunft des Bauhauptgewerbes bedingt auch eine zukunftsorientierte Aus- und Weiterbildung. Dazu müssen neue und innovative Wege beschritten werden, um die Unternehmen bei der Ausbildung und Weiterentwicklung ihrer Fachkräfte bestmöglich zu unterstützen. Es ist eine Investition in die Zukunft, die nur mit dem Engagement der ganzen Branche gelingen kann.

Wir bauen die Schweiz: das Bauhauptgewerbe prägt und gestaltet im Auftrag öffentlicher und privater Bauherren das Erscheinungsbild unseres Landes. Über 80 000 Menschen engagieren sich dabei täglich in einem faszinierenden und zugleich fordernden Arbeitsumfeld. Es steht ausser Frage, dies ist die Branche der Macher und des Konkreten, deren Fachkräfte heute die Schweiz von morgen bauen. Die Gestaltung der Zukunft liegt demnach in der DNA des Bauhauptgewerbes.

Bauunternehmen sind für den Gang in die Zukunft auf eine ausreichende Anzahl gut ausgebildeter Fachkräfte angewiesen. Die Entwicklung der Lernendenzahlen, die Altersentwicklung des Baustellenpersonals und Baustellenkaders sowie ein künftig grösserer Bedarf an höheren Kadern stellen die Branche diesbezüglich vor grosse Herausforderungen. Ebenso verzeichnet das Bauhauptgewerbe eine hohe Abwanderung Qualifizierter in andere Branchen, was die angespannte Fachkräftesituation zusätzlich verschärft.

Mit dem Masterplan «SBV-Berufsbildung 2030» entwickelt der Schweizerische Baumeisterverband mit seinen Regionen und Sektionen die Grundlagen der Aus- und Weiterbildung des Bauhauptgewerbes und macht die brancheneigene Bildungslandschaft fit für die Zukunft. Erklärtes Ziel ist die Steigerung der Anzahl und des Qualifikationsniveaus künftiger Fach- und Führungskräfte. Zentrale Gelingensbedingungen für dieses Vorhaben sind eine konsequente Bedarfs- und damit Arbeitsmarktorientierung, die breite Abstützung der Branche über den Einbezug von Unternehmern aus allen Sprachregionen, eine gute Fundierung der Entscheide und nicht zuletzt der Verzicht auf Denkverbote.

Denkverbote? Vielleicht ein zu harter Ausdruck; angesprochen ist hier der notwendige Wille aller Involvierten, immer wieder sämtliche Hüte, die die Protagonisten einer nationalen Branchenorganisation für gewöhnlich auf sich vereinen, abzulegen. Es geht darum, Gewohntes zu hinterfragen und gleichzeitig auf Stärken zu setzen, Veraltetes und Unwirksames abzubauen sowie Entwicklungspotenziale zu erkennen und zu fördern.

Mit der Entwicklung der Bildungslandschaft hat es die Branche in der Hand zeitgemässe und attraktive Karriere- und Entwicklungsperspektiven zu schaffen. Nur so kann es gelingen wieder vermehrt Jugendliche und Erwachsene für eine Tätigkeit im Bauhauptgewerbe zu begeistern, ausgebildete Fachkräfte zu halten und damit die Zukunft einer qualitativ hochstehenden Bauwirtschaft zu sichern.

Die Zukunft des Ausbildens und Lernens

Neben der Pflege und der Modernisierung bestehender Berufsabschlüsse steht auch die Schaffung neuer Bildungsabschlüsse im Pflichtenheft des Masterplans. Die Delegierten des SBV haben im November 2020 dazu die Grundlage geschaffen: mit der Verleihung von Branchenzertifikaten für fachliche Vertiefungen, Spezialisierungen und Zusatzqualifikationen soll künftig die brancheninterne Weiterbildung anhand verbindlich festgesetzter Qualifikationslevels eine grössere Bedeutung erhalten.

Weiter muss geklärt werden, ob das Bauhauptgewerbe mit der Etablierung einer neuen Berufslehre mit höheren Anforderungen an die Lernenden bei einer anderen Zielgruppe unter den Schulabgängern reüssieren könnte. Wieviel Maurer steckt eigentlich im Bauführer und im Bau-Polier? Besteht der Bedarf nach einer neuen Berufslehre oder Berufsprüfung, die näher beim Bauführer ist? Welche Rolle spielen die Digitalisierung und Kompetenzen im Bereich der Planung, Projektleitung und Kommunikation? Soll der SBV dazu eine Partnerschaft mit einem oder mehreren anderen Verbänden eingehen?

Fragen, die den Wert und die Bedeutung des Gewohnten und Etablierten keinesfalls untergraben, sondern dazu anstossen sollen die Berufsbildung unserer Branche zu stärken. So gilt es zu prüfen, ob ein neuer Beruf dazu beitragen kann, die Attraktivität des Etablierten zu steigern, indem die Karriere auf dem Bau mit einem zusätzlichen vielversprechenden Einstieg angereichert wird.

Mit guten Bildungsabschlüssen allein, ist es aber noch keineswegs getan.  Die Essenz einer erfolgreichen Berufsbildung bilden das Engagement und das Selbstverständnis der Unternehmer, der Berufsbildner, der Lehrpersonen, Instruktoren und Dozenten, sowohl in der Grundbildung als auch in der Höheren Berufsbildung.

So stellt einerseits der Arbeitsprozess, und damit das Lernen im Betrieb, unbestritten das Schlüsselelement einer wirksamen Aus- und Weiterbildung dar. Die Unternehmen sind gefordert ihre Berufslernenden und Kader in Ausbildung noch gezielter auszubilden und im Lernprozess zu begleiten. Im Rahmen des Masterplans sollen dafür Instrumente geschaffen werden mit dem Ziel, Betriebe in der Lernbegleitung von unnötiger Administration zu befreien und die Konzentration auf das Wesentliche – die Ausbildung – zu fördern. Andererseits stellt die bessere Verknüpfung der Ausbildung im Betrieb und damit des Lernens in der Praxis mit dem Lernen in Bildungsinstitutionen eine weitere Gelingensbedingung dar, damit das Bauhauptgewerbe die Qualität der Aus- und Weiterbildung steigern kann.

Insbesondere in der Höheren Berufsbildung und der Weiterbildung sind seitens der Bildungsanbieter neue Konzepte, Instrumente sowie neue Lehr- und Lernformen gefragt, die den Lernprozess zeitgemässer strukturieren und ermöglichen sollten, die Präsenzzeit in Bildungsinstitutionen zu reduzieren und gleichzeitig den Austausch und die Interaktion während dieser Präsenzzeit zu transformieren und noch wirkungsvoller zu gestalten.

Es ist zwar zeitgemäss, aufwändige Diskussionen über digitale Tools zu führen, mit denen das Ausbilden und Lernen auf ein neues Level gehoben werden soll. Ob in der Ausbildung mit Papier oder mit den letztlich unausweichlichen digitalen Helfern gearbeitet wird, scheint aber weniger entscheidend als ein Konsens darüber, wie Ausbildende und Lernende nach einem einheitlichen Konzept der Branche eine Karriere lang befähigt und gefördert werden sollen.

Ziel ist die Steigerung der Anzahl und des Qualifikationsniveaus künftiger Fach- und Führungskräfte.

Mit anderen Worten gilt es einerseits vermehrt in die Ausbildung der Ausbildenden zu investieren. Andererseits ist es zentral, dass die kontinuierliche berufliche Weiterentwicklung im Sinne sowohl eines strategischen Personalmanagements als auch des persönlichen lebenslangen Lernens durch die Unternehmer verstärkt gefördert werden. Denn damit investieren sie in ihre eigene wirtschaftliche Zukunft und gleichzeitig in diejenige der Branche, indem die Bauwirtschaft an Attraktivität und Entwicklungsmöglichkeiten für künftige Fachkräfte gewinnt.

Die Bildungslandschaft datengestützt in die Zukunft führen und nachhaltig finanzieren

Der Schweizerische Baumeisterverband ist mit seinen Regionen und Sektionen gefordert, Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortlichkeiten in der Bildungslandschaft des Bauhauptgewerbes nicht nur zu klären und neu zu definieren, sondern in Zukunft auch wirksamkeitsorientiert zu leben. Das Primat der Unternehmer, das heisst die bedarfsorientierte Gestaltung der Aus- und Weiterbildung, ist dabei Leitstern für die Etablierung effizienter, wirksamer und zeitgemässer Governance-Strukturen.

Während fachliche und verbandspolitische Erfahrung weiterhin die Kernzutaten einer erfolgreichen Steuerung der Bildungslandschaft bleiben, können und sollen sich die Entscheidungsorgane künftig deutlicher auf datengestützte Erkenntnisse zur Berufsbildung abstützen. Die Wirksamkeit von Aus- und Weiterbildung kann über kontinuierlich erhobene Feedbacks seitens der Unternehmer und Absolventen künftig genauer ermittelt und als Hilfestellung für bedarfsgerechte Entwicklungen und zukunftsweisende Entscheide beigezogen werden.

Ebenso könnten Bildungsinstitutionen davon profitieren, indem Lehrpersonen und Dozenten gespiegelt erhalten, wie praxisrelevant die vermittelten Inhalte sind. Statistiken des Bundes, der Kantone sowie des Verbandes können uns zudem viel über die eingeschlagene Karrierepfade unserer Fachkräfte und deren entscheidenden Meilensteine verraten. Das kann wiederum genutzt werden, um die Personalplanung in den Unternehmen noch erfolgreicher zu gestalten.

Hinzu kommt die wichtige Perspektive der Finanzierung: Arbeitgebende und Arbeitnehmende im Bauhauptgewerbe setzen viel Geld für die Aus- und Weiterbildung ein. Eine klare Stärke, die gleichzeitig zentrale Fragen aufwirft. Wie steht es um die Effizienz und die nachhaltige Wirkung des eingesetzten Frankens? Besteht ein Wissen darüber, wofür und in welchem Umfang die Mittel für welche Kurse und mit welcher Wirkung eingesetzt werden?

Kann davon ausgegangen werden, dass die eingesetzten Mittel nicht zu Fehlanreizen in der Bildungslandschaft führen und letztlich Kurse am Leben erhalten werden, deren Fundierung in einem klar ausgewiesenen Bedarf mangelhaft ist? Ist das dichte Netzwerk an brancheneigenen Bildungsinstitutionen noch zeitgemäss und kann es auch in Zukunft finanziert werden? Fördert der Besitz und die Finanzierung eigener Bildungsinstitutionen die Adaption neuer Ausbildungskonzepte und ermöglicht er einen qualitativen Wettbewerb mit unabhängigen Mitbewerbern zum Wohle der Unternehmer und Fachkräfte?

Die Etablierung einer gut fundierten und effizienten Governance sowie nachhaltiger Finanzierungsmechanismen ist die Grundlage für eine starke und wirksame Aus- und Weiterbildungslandschaft. Es lohnt sich, sich als Branche diesen Fragen möglichst unverblümt und auf direktem Weg zu stellen.

Wirkungsorientiert Berufsbildung gestalten

Der Schweizerische Baumeisterverband hat es mit seinen Regionen und Sektionen als Organisation der Arbeitswelt in der Hand: die Entwicklung der Aus- und Weiterbildung ist kein Selbstzweck, sondern eine Investition in die Zukunft des Bauhauptgewerbes. Nur die Orientierung am Bedarf vermag die Wirkungsorientierung der Bildung sicherzustellen. Damit die Branche auch in Zukunft über ausreichend und gut qualifizierte Fachkräfte verfügt, braucht es das Engagement und das wertschätzende Miteinander aller Anspruchsgruppen.

Über den Autor

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Marc Aurel Hunziker

Vizedirektor SBV
Leiter Bereich Bildung

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