BöB und IVöB: Die Umsetzung ist weiterhin zögerlich

Nach dem Inkrafttreten des revidierten Bundesgesetzes über die öffentlichen Beschaffungen (BöB) per 1. Januar 2021 ist auch die IVöB nach dem Beitritt der ersten zwei Kantone am 1. Juli 2021 in Kraft getreten.

Nach dem Inkrafttreten des revidierten Bundesgesetzes über die öffentlichen Beschaffungen (BöB) per 1. Januar 2021 ist auch die IVöB nach dem Beitritt der ersten zwei Kantone am 1. Juli 2021 in Kraft getreten. Der erwartete Paradigmenwechsel lässt aber weiterhin auf sich warten.

 

Das neue Bundesgesetz über das öffentliche Beschaffungswesen (BöB) trat am 1. Januar 2021 in Kraft. Die wesentliche Änderung im neuen Gesetz ist die Relativierung des Preises. Neu wird der Auftrag daher nicht mehr dem «wirtschaftlich günstigsten», sondern dem «vorteilhaftesten» Angebot erteilt. Im Rahmen dieser Definition erhalten vor allem Qualitätskriterien eine stärkere Gewichtung (inklusive Innovation und Nachhaltigkeit) als der Preis, was einen Paradigmenwechsel darstellt.

Diese Änderung wurde auch auf Stufe Kanton vollzogen. Aktuell findet ein Abgleich zwischen dem Bundesgesetz und den verschiedenen kantonalen Gesetzen statt, und zwar im Zuge der von den Kantonen ausgearbeiteten Interkantonalen Vereinbarung über das öffentliche Beschaffungswesen 2019 (IVöB). Am 15. Januar 2022 haben die Kantone Appenzell-Innerrhoden, Aargau, Graubünden, Solothurn und Thurgau entschieden, der IVöB beizutreten. In anderen Kantonen ist der Aufnahmeprozess noch im Gange. Die IVöB ist offiziell mit dem Beitritt der ersten zwei Kantone am 1. Juli 2021 in Kraft getreten.

 

Mit der Plausibilität des Angebots der negativen Preisspirale entkommen

Mit der IVöB soll eine neue Vergabekultur etabliert werden, bei der der Qualitätswettbewerb im Vordergrund steht. Was das BöB auf nationaler Ebene mit der «Verlässlichkeit des Preises» definiert und beschreibt, sollte in der IVöB mit der «Plausibilität des Angebots» umgesetzt werden. Für den SBV ist es von zentraler Bedeutung, dass es die IVöB und die entsprechenden kantonalen Verordnungen in der Praxis erlauben, innerhalb des Kriteriums des Preises das günstigste Angebot mit der «Plausibilität des Angebots» zu relativieren. Das ist insbesondere bei relativ komplexen Projekten wichtig. Mit dieser Änderung sollte die negative Preisspirale, in welcher sich das Bauhauptgewerbe befindet, gestoppt werden können. Zudem verpflichtet das neue Gesetz den Bauherrn bei Tiefpreisangeboten viel genauer hinzuschauen als bisher. Es sieht eine sparsamere Verwendung der öffentlichen Mittel vor, die sich nachhaltig auf die Wirtschaft, die Umwelt und die Gesellschaft auswirkt.

 

Die Behörden sind weiterhin mit Pilotprojekten beschäftigt

Sowohl auf Bundes- wie auch auf Kantons- und Gemeindeebene hat das neue Gesetz noch nicht zum angekündigten Paradigmenwechsel geführt. Der SBV beobachtet, dass in der Anwendung der neuen Bestimmungen weiterhin gezögert wird. Weiterhin scheinen die meisten Ausschreibungen vom Kriterium des Preises dominiert zu sein. Das ist nicht weiter erstaunlich, sind doch die zuständigen Stellen (Koordinationskonferenz der Bau- und Liegenschaftsorgane der öffentlichen Bauherren KBOB, Bau-, Planungs- und Umweltdirektorenkonferenz BPUK) sowohl auf Bundes- wie auf Kantonsebene noch damit beschäftigt, Wegleitungen zu erarbeiten oder Pilotprojekte durchzuführen, um den Einsatz der Kriterien zu evaluieren.

Der SBV arbeitet eng mit den Sektionen und den Mitgliedern zusammen, um sie in der Umsetzung des neuen Gesetzes zu unterstützen, doch die Vergabekultur wird erst ändern, wenn die Innovation und die Qualität den Preiswettbewerb in den Ausschreibungen auf allen drei Staatsebenen ersetzt haben und der Kontakt zwischen Einkäufern und Anbietern im Vertrauen und auf Augenhöhe stattfindet.

 

 

Über den Autor

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Laurent Widmer

Wissenschaftlicher Mitarbeiter Politik - Public Affairs

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