Brachliegendes Potential in der Kreislaufwirtschaft

Die Bauwirtschaft spielt eine Schlüsselrolle bei der Erreichung der Klimaziele der Schweiz. Neben der Modernisierung des Gebäudeparks könnte im Bausektor noch in anderen Bereichen, zum Beispiel bei den Baumaterialien, der Hebel angesetzt werden, würden es die Rahmenbedingungen denn erlauben. 
 
Die Bauwirtschaft nimmt Umweltanliegen sehr ernst und rezykliert einen immer grösseren Anteil an Baumaterialien. Heute werden bereits 75 Prozent des Aushubmaterials und 70 Prozent des Abbruchmaterials wiederverwendet. Dennoch ist das Potential noch riesig, wenn man bedenkt, dass die Branche schweizweit am meisten Abfall produziert (84%), weit mehr als der Haushaltkehricht (7%).  

In absoluten Zahlen bedeutet das, dass auch heute noch ungefähr fünf Tonnen Abbruchmaterial pro Jahr in Mülldeponien oder Kehrichtverbrennungsanlagen landen. Auch von den 40 Millionen Tonnen Beton, die jedes Jahr verbaut werden, macht der Recyclingbeton nur gerade 15% aus. Die Bauwirtschaft kann also einen grossen Teil zur Erreichung der Klimaziele der Schweiz beitragen. Trotzdem hindern verschiedene Faktoren die Branche daran, das volle Potential der Kreislaufwirtschaft auszuschöpfen. Die Hindernisse sind entweder technischer, normativer, reglementarischer oder finanzieller Natur, können jedoch alle beeinflusst werden. 
 
Technische Eigenschaften 
Rein technisch gesehen weisen Recyclingbeton oder Mischgranulat eine geringere Festigkeit auf. Daher kann er nicht beliebig eingesetzt werden und wird herkömmlichen Beton denn auch nicht komplett ersetzen. Der zulässige Anteil an Recyclingbeton in Bauwerken ist von der SIA definiert und hängt vom Anwendungsbereich ab. Die Hochschule Luzern geht jedoch davon aus, dass der Anteil an Recyclingbeton in Bauten von heute 25 Prozent auf 50 Prozent verdoppelt werden könnte, ohne Auswirkungen auf die Statik oder die Festigkeit. Dies hat eine Studie der Hochschule unter der Leitung von Prof. Albin Kenel aus dem Jahr 2019 gezeigt. Jedoch hinkt der gesetzliche Rahmen in der Schweiz den Erkenntnissen der Wissenschaft hinterher und wurde aus diesem Grund trotz der Dringlichkeit von Klimafragen noch nicht angepasst.  

Zu viele regulatorische Fallen  
Lärmschutz, Luftqualität, Umwelt oder Grundwasser: Der gesetzliche Rahmen ist gespickt mit sich oft widersprüchlichen Vorschriften, was zwangsläufig zu Blockaden führt. Das ist oft der Fall bei der Wiederverwendung von Baumaterialien. Zudem sieht die 2018 in Kraft getretene Abfallverordnung VVEA in vielen Fällen Verpflichtungen vor, denen die Unternehmen nur mit Mühe nachkommen können und sich daher entscheiden, Baumaterial entsorgen, was nicht nur aus ökologischer Sicht kontraproduktiv ist, sondern auch viel kostet. 
Die Bauherren können an verschiedenen Orten den Hebel ansetzen 
Die Wiederverwendung von Beton ist aufwändig. Das hat seinen Preis. Dazu kommen administrative und gesetzliche Einschränkungen, die das Vorhaben weiter erschweren. Das führt dazu, dass Recyclingbeton schlussendlich relativ teuer ist. Der Einsatz beruht heute also vor allem auch auf politischen Überlegungen, den ökologischen Mehrwert des Recyclingbetons zu hervorzuheben. Als öffentliche Bauherren sollten Bund, Kantone und Gemeinden exemplarisch mit gutem Beispiel vorangehen und Projekte mit wiederverwendeten Materialien in Auftrag geben, um so den privaten Bauherren positive Impulse zu verleihen.  

Die grossen öffentlichen und institutionellen Bauherren können zudem die Wiederverwertung von Baumaterialien fördern, indem sie die Bauunternehmen früh in den Planungsprozess miteinbeziehen. Das heute verbreitete sequentielle Denken trägt der Innovation nicht genügend Rechnung, denn oft ist es bereits zu spät, um alternative Lösungen vorzuschlagen, wenn das Ausschreibungsverfahren angelaufen ist.  
 
Lokale Herstellung von Rohstoffen 
Das Recycling ist wichtig. Die Kreislaufwirtschaft betrachtet jedoch den ganzen Lebenszyklus. Dieser beginnt bei der lokalen Förderung von Rohstoffen. Heute deckt die Schweiz ihren Zement-Bedarf fast vollständig mit inländischen Rohstoffen. Im Jahr 2019 stammten 86% aus inländischer Produktion und 14% aus dem Import. Trotzdem zeichnet sich ab 2024 ein Rückgang der Produktion ab, sollte der Ausbau der Produktionsstätten, wie es die kantonalen Richtpläne vorsehen, nicht bewilligt werden. Der Fokus auf der lokalen Produktion ist bei der Kreislaufwirtschaft daher sehr wichtig, da sie über die ganze Wertschöpfungskette eine Reduktion der grauen Energie, der Transporte und der CO2-Emissionen ermöglicht. 
 
Die Kreislaufwirtschaft am Digital Construction Day 
Am 16. März nimmt der SBV am Digital Construction Day teil, wo er insbesondere das Potential der Kreislaufwirtschaft im Bauhauptgewerbe betonen wird. Die verschiedenen Podiumsgespräche finden online statt und stehen allen Interessierten offen. Informationen und Anmeldung auf xch21.ch

Über den Autor

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Corine Fiechter

Mediensprecherin / Spezialistin Kommunikation

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