Das Aareufer kurz vor Thun

Das Aareufer kurz vor Thun: Zwei Bagger der Walo Bertschinger AG stehen mehr oder weniger mitten im Fluss und hantieren mit tonnenschweren Steinen. Das Ufer ist nicht mehr sicher und weil die A6 parallel zum Fluss verläuft, muss es neu verbaut werden.

Zwischen November 2020 und März 2021 wird das Aareufer in der Gemeinde Heimberg kurz vor Thun im Berner Oberland neu aufgebaut. «Die Aare hat sich in den letzten 100 Jahren stark abgesenkt. Seit der Realisierung des Kanderdurchstichs fehlt der Aare der Geschiebe-eintrag», erklärt Jana Spicher. Die gelernte Geographin mit Schwerpunkt Gletscherforschung, macht zurzeit beim Kanton Bern ein Praktikum im Bereich Wasserbau und erstellt eine Baustellen-dokumentation des laufenden Projektes. Zusammen mit Thomas Althaus, Bauführer der Walo Bertschinger AG, erklärt sie die aktuelle Lage am Aareufer: «Dadurch, dass kein neues Material in die Aare geschwemmt wird, rutscht der Untergrund auf dem die untersten Blöcke – also die sogenannten Fusssteine des bestehenden Uferverbaus – stehen, langsam unten weg.» Das ist insofern problematisch, weil nur einige Meter weiter der Verkehr auf der Autobahn A6 vorbeirauscht. «In unmittelbarer Nähe befindet sich nicht nur die Autobahn, sondern auch eine Brücke. Durch das instabile Ufer sind so-wohl die Brückenpfeiler wie auch die Autobahn gefährdet. Der Sinn der Arbeiten ist also in erster Linie eine Objektschutzmassnahme für die Autobahn.»

16 000 TONNEN STEINBLÖCKE

Da man weiss, dass sich die Fluss-Sohle noch weiter absenken kann, geht man bei der neuen Uferverbauung viel tiefer als mit der bisherigen Verbauung. Das heisst, die Steine werden in fast vier Metern Tiefe gesetzt. Um mit den neuen Steinen aber überhaupt bis zum Ufer zu kommen, musste zuerst eine Baupiste erstellt werden. Von der A6 aus wurde eine provisorische Baustellen-Ausfahrt installiert. So gelangen die Lastwagen auf die zwei parallel verlaufenden Baupisten zu den Baggern ans Aare-ufer. Das Material zur Erstellung der Baupisten wurde aus dem nahegelegenen Fluss Zulg gewonnen. Der Rückbau der Pisten geschieht zudem laufend: der Kies der Baupisten wird als Füllmaterial zwischen den Steinblöcken in der neuen Uferverbauung eingebaut. Damit die Pisten dem Lastwagenverkehr standhalten, musste der bestehende Damm verbreitert werden. Auf diesem transportieren die Lastwagen die riesigen Steinblöcke aus dem nahen Steinbruch an. «Früher waren die Steine relativ klein und wurden noch von Hand gesetzt. Heute haben wir zwischen zwei und vier Tonnen schwere Block-steine. Das ist natürlich ein riesiger Unterschied», so Thomas Althaus. Insgesamt werden auf dem Abschnitt 16 000 Tonnen Natursteinblöcke verbaut.

BAGGERFAHREN MIT FEINGEFÜHL
Von der Baupiste aus heben die Baggerführer eine Baugrube von ungefähr 3,6 Metern Tiefe aus, um den ersten Stein zu setzen. Dabei muss der Mann in der Führerkabine sehr erfahren sein und ein ‹gutes Gschpüri› haben. Denn: Hier kommen keine Taucher zum Einsatz. Alles, was unter dem Wasserspiegel ist, bedeutet für den Baggerfahrer blind arbeiten. Und durch das Aufwirbeln des Wassers bleibt die Sicht bis zur Oberfläche trüb. Der Fahrer sieht im Bagger lediglich die Aushubquote: Wie tief der Block runter muss und wo er liegen sollte. «Diese Arbeiten kann nicht jeder ausführen. Wir vom Kanton achten bei der Vergabe auf Referenzen von ähnlichen Projekten», so Jana Spicher. Die Abteilung Wasserbau der Walo Bertschiger AG ist zwar nicht sehr gross, dafür hat sie mit Baggerführer Daniel Rindlisbacher ein wahres Ass im Ärmel. Der 51-jährige Fachspezialist steht nicht zum ersten Mal für ein Projekt dieser Art im Einsatz. Er hat langjährige Erfahrung aus zahlreichen Renaturierungsprojekten an Flüssen und Bächen und wurde vom kantonalen Renaturierungsfonds gar mit der Auszeichnung ‹Grüner Baggerführer 2017› geehrt.

AUS DEM HAUSEIGENEN STEINBRUCH

Für die neue Uferverbauung gab es verschiedene Auflagen. Eine davon: Das Amt für Naturförderung hat vorgegeben, dass wilde Blocksteine anstelle von quadratischen Blöcken verwendet werden. Das macht die Arbeit der Baggerfahrer nicht einfacher. Sie müssen darauf achten, dass sich die Natursteine so ineinander verkanten, dass die Verbauung schlussendlich stabil ist. Die Natursteinblöcke kommen unter anderem aus dem Walo-eigenen Steinbruch in Wimmis. Christian Wenger ist der Vorarbeiter im Steinbruch. Der gelernte Bauer ist seit 25 Jahren Maschinist, seit zehn Jahren arbeitet er für die Walo Bertschinger in Wimmis: «Wir haben bis jetzt ungefähr 6500 Tonnen Steine geliefert. Nor-malerweise sind drei Mann hier vor Ort im Einsatz für die Uferbaustelle», erklärt Thomas Althaus. Es gibt Zeiten, da liefert der Steinbruch bis zu neun Mal am Tag neues Material. Die Steine werden zuerst gesprengt, im Anschluss werden sie im Steinbruch nach Grösse bzw. nach Gewicht vorsortiert. Dazu steht eigens eine Waage auf dem Gelände. «Hier in Wimmis dürfen wir nur von August bis Mitte Januar sprengen. In dieser Gegend nistet ein Adler, der sollte nicht gestört werden, wenn Brutzeit ist.»

DER PRÄZISIONSARBEITER

«Ich war schon oft bei Renaturierungsprojekten dabei. Die Herausforderung dabei ist, dass man praktisch nichts sieht. Hier geht es rund vier Meter unter Wasser. Da stapelt man die Steine sozusagen ‹blindlings›. Es gibt Tage da schaffe ich nur vier bis fünf Meter – je nach Untergrund. In der Woche schaffen wir zu zweit etwa 40, 50 Meter.»

«Ich nehme den Stein mit der Schaufel so, wie ich ihn schlussendlich platzieren will. Dann lege ich ihn an die richtige Stelle. Manchmal kippt er dann halt. In diesem Fall muss ich mit der Schaufel nachspüren. Mit den Zähnen kann ich die Lage des Steins noch verändern.»

«Solche Arbeiten benötigen ein gewisses Feingefühl. Das kann man nicht von heute auf morgen, aber mit etwas Übung kommt das mit der Zeit. Dann kann man mit dem Löffel einiges er-spüren. Hier versuchen wir immer, die Steine mit dem Schwerpunkt so zu stapeln, dass es ein einheitliches Bild gibt und sie so verkeilt sind, dass es stabil ist.»

«Ich bin gelernter Zimmermann. Jetzt bin ich seit 25 Jahren bei der Walo Bertschinger AG, wo schon mein Vater gearbeitet hat. 2007 habe ich die Prüfung als Maschinist gemacht und war seither auf einigen Wasserbaustellen im Einsatz.»

Eine Karriere auf dem Bau hat viel zu bieten. Um Fachkräfte der Zukunft anziehen, ausbilden und in der Branche halten zu können, kommt den Bauunternehmen eine zentrale Rolle zu. Auf den Baustellen der einzelnen Firmen entscheidet sich, ob interessierte Talente bleiben und zu Leistungsträgern werden können. Viele Mitglieder des SBV machen hier einen tollen Job. In der Berufswerbungskampagne setzt der SBV bewusst auf gute Geschichten direkt aus den Unternehmen.

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Schweizerischer Baumeisterverband

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