Dem Nachwuchsmangel entgegensteuern

Der Fachkräfte- und Nachwuchsmangel macht sich auch in der Baubranche bemerkbar. Wir sprachen mit Petra Stocker, Kampagnenleiterin Berufsmarketing beim SBV und Manuela Renz, Leiterin Kommunikation und Bildung und stellvertretende Geschäftsführerin der Bauunternehmer Region Basel BRB und über die aktuellen Herausforderungen bei der Rekrutierung von Lernenden und wie diese erfolgreich gemeistert werden können.

 

Worin sehen Sie die Ursachen für ein nachlassendes Interesse einen Beruf im Baugewerbe zu erlernen?

Manuela Renz (MR): Das Interesse an «Handwerksberufen» hat generell nachgelassen, immer weniger Jugendliche entscheiden sich für eine Berufslehre. In Gesprächen mit Lehrenden und Fachpersonen für Berufliche Orientierung zeigt sich, dass diese zu wenig über die Berufs- und Weiterbildungsmöglichkeiten der Bauberufe wissen.

 

Petra Stocker(PS): Der Trend Richtung Akademisierung und dem wachsenden Dienstleistungssektor bleibt auch für die Baubranche nicht folgenlos. Klassische Ausbildungsberufe verlieren Aufmerksamkeit.

 

Was sind die aktuellen und künftigen Herausforderungen bei der Rekrutierung von Auszubildenden und Fachkräften?

PS: Der Fachkräftemangel ist inzwischen zur Rahmenbedingung in der schweizerischen Wirtschaft geworden. Das erhöht den Druck auf die Unternehmen enorm und macht auch bei den Bauunternehmen ein Umdenken im Umgang mit Mitarbeitenden erforderlich. Dazu gilt es, das Image des Bauhauptgewerbes zu stärken, um die Berufe der Branche gegen aussen attraktiver zu machen.

 

MR: Smartphone und Soziale Medien haben die Kommunikationskultur gravierend geändert. Onlinemedien ersetzen heute das Zeitungsinserat von früher. Wer Aufmerksamkeit erreichen und das Interesse von Jugendlichen wecken will, muss verstehen wie sie kommunizieren und in den Sozialen Medien aktiv sein.

 

Haben die Bauberufe an Attraktivität verloren oder haben sich die Ansprüche der jungen Generation an den Beruf geändert?

PS: Die Ansprüche der jungen Generationen haben sich gegenüber der Berufswelt verändert. Themen wie Work-Life-Balance, Wertschätzung und Entwicklungsmöglichkeiten stehen heute im Vordergrund. In handwerklichen und körperlich anstrengenden Berufen wird seitens Arbeitnehmenden zunehmend Innovation, Nachhaltigkeit und Selbstverwirklichung gefordert.

 

MR: Das sehe ich genauso wie Petra Stocker, möchte aber noch ergänzen. Es ist enorm wichtig, die Jugendlichen während der gesamten Ausbildungszeit zu begleiten und betreuen und ihnen die Möglichkeit zur individuellen Weiterentwicklung zu geben. Das ist eine Herausforderung für die Ausbildungsbetriebe und bedingt qualifizierte Ausbildungspersonen, die sich laufend weiterbilden.

 

Wie ist Ihr Resümee zu den Anstrengungen hinsichtlich Rekrutierung von Auszubildenden im vergangenen Jahr?

PS: Den Bau muss man erleben. An einem Bauwerk mitzuwirken und es in 20 Jahren noch zu sehen ist begeisternd. Damit Jugendliche für eine Schnupperlehre gewonnen werden, müssen Unternehmen aktiv die Vernetzung mit Schulen, Eltern, Vereinen und dem Netzwerk der eigenen Mitarbeitenden prägen. Besonders erfolgreich waren Unternehmer dort, wo die Rekrutierung für Lernende ernst und aktiv angegangen wurde. Das bedeutet ein zusätzliches Investment an Aufwand, generiert aber die Vorarbeiter, Poliere und Baumeister von morgen. Attraktiv sind Unternehmungen dort, wo sie über die Grundbildung hinaus Perspektive und Angebote zur persönlichen und beruflichen Weiterbildung anbieten. Was nicht mehr funktioniert ist ein unpersönliches Stelleninserat ohne weiteres Engagement – hier haben sich die Ansprüche der Jugendlichen entwickelt. Dies aber auch zu unserer Stärke: Das Baugewerbe ist sehr persönlich und familiär strukturiert. Wenn wir den Jugendlichen als Menschen begegnen und diese ernst nehmen, können wir als Branche nur gewinnen.

 

MR: Massnahmen bedingen einer Kontinuität, nicht immer sind Erfolge direkt ersichtlich und messbar. Dabei setzten wir auf einen Mix aus traditionellen und digitalen Massnahmen wie Orientierung der Lehr- und Fachpersonen. Wir waren erneut mit einem Messestand an der Berufsmesse, wie seit längeren in den sozialen Medien und seit 2022 Jahr zusätzlich auf TikTok unterwegs. Dort überbrachten wir unsere Weihnachtsgrüsse als Video. Dieses entstand zusammen mit elf weiteren Filmbeiträgen in der Region Basel, wo wir auf zwei Baustellen Kurzvideos für unsere Lehrlingswerbung drehen durften.

Die Unternehmungen waren ebenfalls sehr aktiv mit Schnuppertagen, Zukunftstag, Präsentationen in den Schulen.

 

 

Welche Massnahmen und Aktionen sind für das laufende Jahr geplant?

PS: Einerseits bespielen wir vom Berufsmarketing die verschiedenen Social Media Kanäle (Facebook, Youtube, Instagram) täglich mit Berufsportraits der verschiedenen Berufen aus der ganzen Schweiz und gewähren so Jugendlichen wie Eltern einen realistischen Einblick auf den Arbeitsalltag auf der Baustelle. Zudem veröffentlichen wir Zweiwöchentlich Blogs zu verschiedenen Themen rund um die Bauberufe. Zusätzlich zu den Massnahmen rund um die klassische berufliche Grundbildung konzipieren wir dieses Jahr auch neue Grundlagen für Quereinsteiger aus anderen Branchen, wie diese zu gewinnen, zu halten und weiterzuentwickeln sind. Andererseits stellen wir den Sektionen und Unternehmen jederzeit unsere Unterstützung und das Know How seitens des Verbandes zur Verfügung. Die Sektionen sind unter Anderem an den Berufsmessen und in den Schulen Unterwegs, machen mit Sponsoring auf die Bauberufe aufmerksam und sind an regionalen Events mit bauberufe.ch vertreten.

 

MR: Wir führen die laufenden Massnahmen aktiv fort. Die Berufsmesse ist gesetzt. Erneut laden wir Lehrpersonen nach Sursee ein, um ihnen die Maurerlehrhallen, die Berufsfachschule Verkehrswegbauer, den Campus Sursee und damit die Berufs- und Weiterbildungsmöglichkeiten näher zu bringen. In Kombination mit den Sozialen Medien erachten wir das als einen interessanten Mix.

 

Was können Ausbildungsbetriebe tun, um potentiellen Nachwuchs erfolgreicher zu rekrutieren?

PS: Verband und Sektionen generieren ein Grundrauschen zur Steigerung des Branchenimages, die Verantwortung für die Rekrutierung von neuen Lernenden liegt bei den Unternehmen. Angefangen bei der Rekrutierung der Schnupperlehrlingen und deren Betreuung bis hin zum Abschluss des Vertrages, der Unterstützung jedes einzelnen Lernenden während der Ausbildung und der Betreuung nach der Lehre – (Beispielweise das Aufzeigen der Zukunftsmöglichkeiten nach der ersten Lehre) all dies müssen sie berücksichtigen und umsetzen. Die Unternehmen müssen sich mit Themen wie Innovation und Digitalisierung auseinandersetzen, um möglichst effizient wirtschaften zu können. Das hat auch einen direkten Einfluss auf die Attraktivität der Bauberufe weil damit die körperliche Belastung der Berufe reduziert und zeitgemäss gearbeitet werden kann.

 

MR: Die Unternehmen müssen sich aktiv dem Thema Nachwuchs widmen und sich den Herausforderungen mit bewährten und neuen Aktivitäten stellen.

 

Jacqueline Vinzelberg

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Über den Autor

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Schweizerischer Baumeisterverband

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