Der Effekt der Niedrigzinsen auf die Bauwirtschaft

Zwei neue wissenschaftliche Studien zeigen, welchen starken Effekt die Niedrigzinsen auf die Bauausgaben von Unternehmen und öffentlicher Hand haben. Wenn die Zinsen um 1% sinken, so erhöhen private Unternehmen ihre Bauinvestitionen um 13%. Die Kantone steigern ihre Ausgaben im Tiefbau um 0.7 Franken pro Einwohner, im Hochbau gar um 2.2 Franken. Bei den Gemeinden ist der Effekt gedämpfter.

 

Das vergangene Jahrzehnt war geprägt von äusserst tiefen Zinsen. Die Zinsen dürften wohl noch bis mindestens Ende 2022 niedrig bleiben, aber mittelfristig sollte man einen Anstieg erwarten. Welche Auswirkungen hätte ein solcher Paradigmenwechsel auf die Bauwirtschaft?

Die Niedrigzinsen haben die Rendite auf Sparkonten, Anleihen und anderen Geldanlagen schrumpfen lassen, so dass Investoren viel Geld in Mehrfamilienhäusern angelegt haben. Zwei neue wissenschaftliche Studien zeigen, dass auch die Sparten Wirtschaftsbau und öffentlicher Bau profitiert haben.

Die Schweizerische Nationalbank steuert die Zinsen, genauer, den sogenannten Leitzins. Senkt sie den Leitzins, so werden auch Kredite von Banken günstiger, Unternehmen, Haushalte und die öffentliche Hand können sich zu geringeren Kosten verschulden, um etwa Bauprojekte in Angriff zu nehmen.

Ein Unternehmen nimmt einen Kredit auf, um neue Produktionsstätten, Verkaufsräume oder Büros zu bauen oder zu renovieren. Je tiefer die Kreditkosten sind, welche die Unternehmen erwarten, desto eher werden sie sich für ein Bauprojekt entscheiden.

Unternehmen investieren 13% mehr in Bauten

So haben die Wirtschaftswissenschaftlicher Föllmi, Schmid und Seiler zum einen Unternehmen befragt, welchen Realzins sie in den nächsten 12 Monaten erwarten. Den Realzins erhält man, wenn man vom Leitzins die Inflation abzieht.

Ausserdem sollten die Unternehmen angeben, ob sie planen, ihre Bauinvestitionen im kommenden Jahr zu erhöhen, zu reduzieren und auf dem Niveau des laufenden Jahres zu halten. Die Studie zeigt: wenn ein Unternehmen eine Zinssenkung um 1% erwartet, so erhöht sich die Wahrscheinlichkeit um 7%, dass das Unternehmen seine Bauinvestitionen steigern wird.

Die nächste Frage muss daher sein, um wieviel sie ihre Bauausgaben erhöhen. Die Unternehmen beziffern in der Umfrage ebenfalls, wieviel sie tatsächlich für Investitionen ausgegeben haben und wieviel sie im nächsten Jahr ausgeben möchten. Die Studie ergibt: Wenn ein Unternehmen erwartet, dass der Realzins um 1% sinkt, so wird das Unternehmen seine Bauinvestitionen um 13% erhöhen.

Dieser Effekt ist linear und symmetrisch. So verändert die Schweizerische Nationalbank den Leitzins üblicherweise in Schritten von 0.25%. Senkt sie also den Leitzins um 0.25%, so investieren die Unternehmen 3.25% mehr in Bauten. Umgekehrt bedeutet dies aber für die Zukunft auch: steigt der Zins um 0.25%, so sinken die Bauinvestitionen um 3.25%.

Öffentlicher Hochbau profitiert besonders stark

Neben den Privaten sind die öffentlichen Bauherren, insbesondere die Kantone und Gemeinde, wichtige Auftraggeber. Deshalb analysieren die Ökonomen Feld und Schaltegger, ob die Niedrigzinsen die Bauinvestitionen von Kantonen und Gemeinden beeinflussen.

Kantone und Gemeinde finanzieren Bauprojekte zumindest teilweise durch Fremdmittel, sie nehmen also entweder Kredite bei Banken auf oder leihen sich Geld auf dem Kapitalmarkt. Da die Zinsen für Fremdfinanzierung in den letzten Jahren deutlich gesunken sind, könnten auch die öffentlichen Bauausgaben deswegen zugenommen haben.

Wenn die Zinsen um 1% sinken, so die Studie, erhöhen die Kantone ihre Ausgaben im Tiefbau um 0.74 Franken pro Einwohner, im Hochbau sogar um 2.02 Franken. Bei den Gemeinden zeigen sich die Effekte deutlich abgeschwächter. Der Zins hat keinen statistisch nachweisbaren Effekt auf die Ausgaben der Gemeinden im Tiefbau. Die Investitionen im Bereich Hochbau steigen um 0.17 Franken je Einwohner, wenn der Zins um 1% sinkt.

Erstaunlicherweise haben jedoch die (budgetierten) Steuereinnahmen keinen statistisch signifikanten Effekt auf die Bauausgaben der Kantone oder der Gemeinden. Die Ergebnisse deuten daraufhin, dass Projekte im Infrastrukturprojekte aufgrund ihrer langfristigen Erstellungsdauer weniger von kurzfristigen Finanzierungskosten abhängen. Im Hochbau hingegen orientieren sich die Bauherren jedoch sehr wohl an den kurzfristigen Finanzierungskosten.

Aufruf zur Teilnahme an der Quartalserhebung

Solche spannenden und nützlichen Analysen sind teilweise nur möglich, weil Unternehmen an Erhebungen teilnehmen. Der Schweizerische Baumeisterverband führt ebenfalls Studien zur Konjunktur durch, so etwa die Quartalserhebung. Die aktuelle Erhebungsrunde läuft den ganzen Juli über. Daher rufen wir Sie auf, bitte nehmen Sie daran teil. Bei Fragen können Sie sich an [email protected] wenden.

 

Über den Autor

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Martin Maniera

Ökonom & wissenschaftlicher Mitarbeiter Politik

[email protected]

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