Der Fussball und das Fundament des Vertrauens

Wer Erfolg will, muss statt eines Nebeneinanders ein Miteinander leben. Wie das geht, erläuterte Bernhard Heusler, ehemaliger Präsident des FC Basels, an der Schweizer Bautagung, die am 24. November im Campus Sursee stattfand. Das Thema dieses Jahr war die Kollaboration am Bau. Fachleute zeigten praxisgerecht auf, wie neue Kooperationsmodelle funktionieren.

 

Louis Favre war für die Planung und den Bau des ersten Gotthardtunnels zuständig. Beides gilt als technisches Meisterwerk. Der Bau brachte Favre und seiner Familie indes kein Glück, weil alle Risiken vertraglich auf den Bauunternehmer abgewälzt wurden. Favre starb, seine Familie war finanziell ruiniert. «Modernes Bauen bedeutet, dass Bauherr und -unternehmer die Risiken gemeinsam tragen», forderte an der Schweizer Bautagung Heinz Ehrbar, Präsident Kommission SIA 118. Beim Bau des 2016 eröffneten Gotthard Basistunnels kamen neue Zusammenarbeitsmodelle zum Zug, es gab eine Schlichtungsstelle, eine phasenweise Vergabe der Leistung sowie eine Vergabe in Einzellosen als Auftrag oder Werkvertrag gemäss SIA 112 Modell Bauplanung. Mit traditionellen Verträgen kann man gemäss Ehrbar nur erfolgreich bauen, wenn der Bauherr schon zu Beginn genau weiss, was er möchte. Das sei bei komplexen Projekten nicht der Fall. Eine traditionelle Projektabwicklung basiert auf Interessensgegensätzen, hielt er fest. Diese müsse man beheben, um eine Kultur der gegenseitigen Schuldzuweisung abschaffen zu können. Stattdessen sollten Bauherr und Bauunternehmer gemeinsam den Leistungsumfang definieren. Ehrbar forderte weiter eine gemeinsame Steuerung des Projektes mit einer win-win oder lose-lose-Situation, ein gemeinsames Tragen der Risiken und eine anreizbasierte Vergütung nach Projekterfolg. Der Bauunternehmer solle sich aufs Bauen konzentrieren und nicht aufs Streiten. Ehrbar verriet noch, dass im Sommer nächstes Jahr das SIA- Merkblatt 2065 in die Vernehmlassung geht und dass es im 2024 in Kraft treten soll.

Im ersten Referat hatte Carola Maffini, Geschäftsführerin profacto.ch GmbH, aufgezeigt, wie sich Zusammenarbeitsmodelle entwickeln. Sie wies auf die Problematik der Nachtragskredite hin, darauf, dass viel Energie darauf verwendet wird, Fehler zu suchen. So sei der Bau keine attraktive Branche für Nachwuchskräfte. Maffini betonte dass bei allen Zusammenarbeitsmodellen der Faktor Mensch wichtig ist.

Eine funktionierende Kollaboration ist eine Frage der Menschen in einem System.

Roland Stöckli
Mitinhaber und Geschäftsleiter Stöckli & Partner Baumanagement AG

Vertrauen statt Beton

«Das Fundament bei Bauen ist nicht der Beton, sondern das Vertrauen», meinte Stefan Ellenbroek, Projektentwickler Energie 360°. Beim Bau des Gebäudes Bioenergie Frauenfeld AG kam ein kollaboratives Modell zum Zug. Der Bauunternehmer – die Tschanen AG – wurde von Anfang an mit ins Boot geholt, damit Entscheide von denen gefällt wurden, die das Wissen besitzen. Wichtig sei es bei einem solchen Vorgehen, dass zwischen dem Bauherr und dem Bauunternehmer die Chemie stimmt. «Einen Lebenspartner sucht man schliesslich auch nicht, indem man den Posten ausschreibt und dann den Günstigsten nimmt», machte Ellenbroek einen Vergleich. Es gebe bei einem kollaborativen Modell drei wichtige Phasen: Das Unternehmergespräch, bei dem man schaue, wer zu einem und zum Projekt passe, darauf eine Gesamtprozessanalyse, bei der die Schnittstellen gesucht werden sowie die Risiken und die Chancen definiert. Danach schreibt jedes der am Bau beteiligten Unternehmen sein eigenes Leistungsverzeichnis. Dabei sei Einfachheit gefragt. Der Leistungsauftrag der Tschanen AG umfasste drei Seiten – für einen Millionenauftrag. Christoph Tschanen betonte, auch die Tschanen habe sich gefragt, ob das Unternehmen mit seiner Philosophie und mit seinen Beschäftigten zum Projekt passe. Ein kollaboratives Modell setze Offenheit voraus, zum Beispiel auch den Mut, zu kommunizieren, in welchen Bereichen das Unternehmen nicht so stark sei. Die Vergabe an die Tschanen AG erfolgte ohne Ausschreibung. Durchsetzen musste sich das Thurgauer Unternehmen dennoch. Zum Unternehmergespräch waren 40 Unternehmen eingeladen und per Mentimeter bewertet worden. Ein Gespräch dauerte eine Stunde.

 

Team Spirit

Tschanen betont, dass es der Team Spirit war, der es erlaubte, ein anspruchsvolles Projekt mit sportlichen Terminen und einem engen Kostenrahmen zum Erfolg zu führen. So habe die Tschanen AG die Kräne gleich auch für den Metall- und den Holzbauer stehen lassen. So wurden Kosten gespart, wovon dank der Kollaboration alle profitierten.

Ellenbroek erinnerte in seinem Referat an einen Moment: Es war zu einem groben Fehler gekommen. Anstatt sich gegenseitig die Schuld zuzuweisen hätten sich alle darauf konzentriert, diesen zu beheben. «Es kam zu keinem Streit, die Lösungsfindung war zentral.» Tschanen meinte deshalb: «Für die Bauwirtschaft ist die Kollaboration eine Chance, gehen wir diesen Weg.»

 

Gemeinsam Stärken entwickeln

Alain Grossenbacher, CEO und Mitinhaber der Eberli AG zeigte anhand eines konkreten Projektes, wie IPD funktioniert. Integrated Project Delivery soll die Fehlerquote senken, es ist der Kontrapunkt zum klassischen Ausschreibungsmodell. «Die Synergien des integrierten Projektablaufs bieten ganz klar die Chance von 1+1 = 3», hielt Grossenbacher fest. Das Mindset ändere sich, es sei nicht nur eine Aneinanderreihung von Dienstleistungen. IPD sei deshalb eine grosse Chance für die Branche, sich als Industrie weiterzuentwickeln.

Prägnant auf den Punkt brachte es Roland Stöckli: «Eine funktionierende Kollaboration ist eine Frage der Menschen in einem System.»

 

Im Team zum Erfolg

In einem spannenden und unterhaltsamen Vortrag zeigte Bernhard Heusler, ehemaliger Präsident des FC Basels auf, wie man ein gemischtes Team so führt, dass es Erfolg hat. «Wer führt, muss entscheiden. Führen heisst vorwärtsschauen, betonte er. Und weiter: «Wenn man erfolgreich ist, muss den Mut haben für Änderungen. Sonst bleibt man stehen.»

Die Schweizer Bautagung wird vom SBV, von der Universität St. Gallen, Schweizerisches Institut für KMU und Unternehmertum sowie vom Campus Sursee organisiert.

Über den Autor

pic

Susanna Vanek

Redaktorin / Spezialistin Kommunikation

[email protected]

Artikel teilen