Die Baubranche kann beim Klimaschutz viel bewirken

Kann der Bausektor bei der Kreislaufwirtschaft eine Pionierrolle übernehmen? Dieser Frage gingen an einem Innovationsforum des Swiss Green Economic Symposiums am 3. September 2021 in Winterthur mehrere Referenten nach. Dabei zeigte sich, dass die Baubranche viel zu bewirken vermag – wenn man sie bauen lässt.  

 

Der Einfluss der Baubranche auf Klima und Umwelt ist gross. Das machte am Innovationsforum «Kreislaufwirtschaft und Bauen: Wie kommen wir voran?», das anlässlich des Swiss Green Economic Symposiums am 3. September 2021 stattfand, gleich der erste Referent klar. Thomas Rohner, Professor für Holzbau und BIM, Berner Fachhochschule, präsentierte dazu drei Thesen: «Es ist bedeutend einfacher, nachhaltige Häuser zu bauen als Menschen in ihrer Mobilität einzuschränken. Es ist bedeutend einfacher, ökologische und nachwachsende Baustoff zu verwenden, als den Fleischkonsum einzuschränken. Und es ist bedeutend einfacher, Fassaden zu begrünen, als energiebetriebene Technologien zur Kühlung einzusetzen. Mit dem Bauen kann man also sehr viel bewirken.» Als Ingenieur wolle er die Nachhaltigkeit berechnen. Rohner sprach sich deshalb für RFID-Chips zur Herkunft und Inhaltsstoffen der Baumaterialien aus.

Es muss sich rechnen 

Zafer Bakir, Leiter Digitalisierung beim Schweizerischen Baumeisterverband SBV legte die Grundlagen der Kreislaufwirtschaft im Bau dar: Der Gebäudepark der Schweiz besteht aus 3 200 000 000 Tonnen Baumaterialien, vor allem Kies, Sand und Zement. Der Bau generiert 84 Prozent des Abfalls in der Schweiz. Von den 40 Millionen Tonnen Beton werden nur 15 Prozent Recyclingbeton verbaut. Demgegenüber werden 75 Prozent des Aushubs wieder verwertet, bei Rückbaumaterialien sind es 70 Prozent. 5500 Gebäude der Schweizer wurden aus Recyclingbeton hergestellt.

Recycling ist aber nicht gleich Recycling, stellte Bakir fest. Das Downcycling gewinnt Baustoffe zurück, der Wert der Rückgewinnung bleibt aber nicht gleich, das neue Material ist gegenüber dem Ausgangsmaterial minderwertig. Beim Upcycling ist genau das Gegenteil der Fall, etwa bei der Verwendung von Altpapier zu Dämmstoff.

Bakir sprach zudem ein weiteres Problem an: Das Bauen ist linear, die Kreislaufwirtschaft nicht. Wie soll also der Bauunternehmer die Verwendung von Recyclingbaustoffen einsetzen? Für ihn steht fest, dass die Kreislaufwirtschaft auf jeder Ebene der Kette angewendet werden soll. Die Herausforderung für den Bauunternehmer gibt es viele, finanzielle etwa – es muss sich rechnen -, regulatorische, sektorielle und kulturelle. Die heute existierenden Geschäftsmodelle mit Kreislaufwirtschaft sind finanziell zu wenig interessant. Das motiviert weder Bauunternehmer noch Bauherren. Aber es gebe Chancen: Die Digitalisierung. Sie könne als Hebel der Kreislaufwirtschaft fungieren. «BIM ist elementar für die Kreislaufwirtschaft», so Bakir, der die Robotik in der Wiederverwendung oder das Sammeln von Daten als Beispiele aufzählte.

Additive Fertigung als Lösung 

Marius Affentranger, Geschäftsleitung Affentranger Bau AG, zeigte die Effizienzsteigerung von Bauprozessen mittels der additiven Fertigung auf. Sein Unternehmen hat zusammen mit Partner ein Verfahren für 3D-Betondruck entwickelt. Die Affentranger Bau betreibt die Produktion mit erneuerbaren Energien und hat den Fahrzeug- und Maschinenpark elektrifiziert. Weiter wird ein konsequentes Materialrecycling betrieben: Beim Waschen von Fahrzeugen wird der so gewonnene Kies wiederverwendet. Der Betondruck sei passgenau, spare Material, führte Affentranger aus. Wenn die nötigen Voraussetzungen geschaffen werden, könne die additive Fertigung zur Nachhaltigkeit beitragen, lautete seine Erkenntnis.

Vollzug ist ein Problem 

Patric van Haegen Bereichsleiter Entwicklung, Eberhard Unternehmungen, stellte fest, dass sämtliche normativen und gesetzlichen Grundlagen für eine funktionierende Kreislaufwirtschaft vorhanden seien, und zwar die BauPV und das VVEA. Man habe auch alle notwendigen Normen festgelegt. «Was wir haben, ist aber ein Vollzugproblem», sprach van Haegen Klartext. Er stellte weiter Zirkulit, den ersten zirkulären Beton vor. Es handelt sich um einen CO2-reduzierten Beton. «Es ist der ökologischste Beton der Schweiz und überall anwendbar.» Seine Vision: Ein mineralisches Haus von Scheitel bis zur Sohle. «Wir verbauen heute zu viele Mischmaterialien, das macht den Rückbau kompliziert.» Die Eberhard Unternehmen besitzen eine Roboteranlage, die den Mischabbruch sortiert.

Für Thomas Romm, Architekt, Architekturbüro forschen planen bauen, steht fest: «Die Nachhaltigkeit muss Standard werden.»

«Sanierungsquote ist zu tief» 

In einer anschliessenden Podiumsdiskussion meinte Bernhard Salzmann, Stellvertretender Direktor SBV und Leiter Politik und Kommunikation, öffentliche Bauherren müssten sich in Sachen Kreislaufwirtschaft stärker engagieren. Das neue Beschaffungsrecht BöB, das einen Paradigmenwechsel darstelle, sei eine Chance dazu. Weiter sei die Sanierungsquote zu tief. Bei vielen Projekten sei ein Ersatzneubau eine bessere Lösung als eine Renovation, weil gleichzeitig verdichtet werden kann. Der noch unbebaute Boden solle geschont werden, aufgrund des Bevölkerungswachstums müssten deshalb Städte neu gebaut werden. Zudem warnte er davor, dass Labels und Zertifizierungen teilweise die Kosten erhöhen. «Wir müssen auch für Leute mit tieferen Einkommen bauen.»

 

Über den Autor

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Susanna Vanek

Redaktorin / Spezialistin Kommunikation

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