«Die Bauwirtschaft hat eine bessere Wahrnehmung in Bern»

«Wir haben mehr politisches Gewicht, wenn wir als Bauwirtschaft geschlossen auftreten», sagt Cristina Schaffner, Direktorin von Bauenschweiz. Im Interview erläutert sie die Wichtigkeit von Allianzen.

Bauenschweiz setzt sich für die Interessen der Bauwirtschaft ein. Welche Rolle spielen Partnerschaften und Allianzen für den Dachverband? 

Cristina Schaffner: Eine sehr wichtige Rolle. Ich möchte das in drei Punkten erläutern. Das betrifft einerseits die Wertschöpfungskette Bauen und Sanieren selbst. Wenn gerade am Anfang eines Projektes alle Beteiligten zusammensitzen ergeben sich die besten Projektlösungen. Zweitens verschafft uns die Zusammenarbeit mit anderen Dachverbänden mehr Gewicht. Drittens haben wir mehr politisches Gehör, wenn wir als Bauwirtschaft geschlossen auftreten. Wir vertreten dann 15 Prozent des BIP, sind die fünftgrösste Arbeitgeberin und ein damit ein starker und stabiler Wirtschaftsmotor – gerade auch in der aktuell unsicheren Wirtschaftslage auf Grund der US-Zölle.  

Wie hat sich die Bedeutung von Kooperationen mit anderen Verbänden und Organisationen in den letzten Jahren verändert? 

Schaffner: Die Aufbauarbeit bei Bauenschweiz hat sich gelohnt. Die Bauwirtschaft wird in Bern und in der Öffentlichkeit besser wahrgenommen. Wir sind als Dachverband trotzdem immer noch sehr schlank aufgestellt – das ist gut so und soll auch so bleiben. Das Wissen ist bei unseren Mitgliedern, wir fungieren als Brückenbauer und Schnittstelle. 

Mit welchen Partnern arbeitet Bauenschweiz besonders eng zusammen, wenn es darum geht, politische Anliegen voranzutreiben? 

Schaffner: Einerseits natürlich mit den Mitgliedern, da dort das Wissen angesiedelt ist. Wir haben einen klaren und transparenten Positionsfindungsprozess implementiert. Alle Mitglieder können sich daran beteiligen. Wenn es Sinn macht, gehen wir Allianzen mit anderen Wirtschaftsverbänden wie dem Gewerbeverband, Handel Schweiz oder Economiesuisse ein. Wir haben aber auch schon mit Bauherrenvertretern wie SVIT oder dem VIS zusammengespannt. Wenn es um rechtliche Fragen geht wie bei der Revision OR Baumängel tauschen wir uns auch mit dem Versicherungsverband aus. Wir suchen nach Kompromissen, die eine Chance haben, vom Parlament angenommen zu werden.  

Ein grosser Erfolg gelang Bauenschweiz mit der Revision des Bundesgesetzes über das öffentliche Beschaffungswesens BöB. Hier trat die ganze Bauwirtschaft geeint auf. Das ist gerade bei politischen Fragen nicht immer der Fall. Wie gelingt es, innerhalb der Bauwirtschaft unterschiedliche Interessen unter einen Hut zu bringen, um mit einer starken, geeinten Stimme aufzutreten? 

Schaffner: Das ist definitiv eine Herausforderung, gehört aber zur politischen Arbeit in der Schweiz. Und auch zur Arbeit eines Dachverbandes, der Kompromisse finden muss. Grundsätzlich herrscht konnten wir den Konsens schaffen, dass man sich wo immer möglich innerhalb der Bauwirtschaft gegenseitig unterstützt. Das hat sich sehr schön bei der Abstimmung zur Abschaffung des Eigenmietwertes, die am 28. September 2025 stattfinden wird, gezeigt. Einige Teilbranchen und Regionen wären von einer Annahme stärker betroffen als andere. Das gilt etwa für das Ausbaugewerbe. Es ist niemandem gedient, wenn dieses geschwächt wird. Die Bauwirtschaft ist nur dann stark, wenn es allen gut geht. Darum hat es uns gefreut, dass sich andere Stammgruppen – bei uns die Teilbranchen ebenfalls für eine Ablehnung geäussert oder sich durch eine Stimmfreigabe entschieden zurückgenommen haben.  

Wie wichtig ist es, auch über Branchengrenzen hinaus Allianzen zu schmieden? Haben Sie dafür ein Beispiel? 

Das gehört zum Grundhandwerk eines Dachverbandes und ist sehr wichtig für die politische Arbeit. Ein gutes Beispiel ist die Revision des Kartellrechts. Es ist uns gelungen, eine Wirtschaftsallianz dafür zu schmieden und dem Parlament aufzuzeigen, dass es ein Wirtschaftsthema ist und kein Bauwirtschaftsanliegen 

Welche Rolle spielen gemeinsame Studien, Positionspapiere oder Kampagnen in der politischen Arbeit? 

Schaffner: Eine gemeinsame Haltung ist sehr zentral. Mittlerweile herrscht in der Bauwirtschaft ein Konsens zum nachhaltigen Bauen und zur Kreislaufwirtschaft. Unabhängige Studien geben Rückendeckung, untermauern unsere Position. Allerdings haben wir als sehr schlank aufgestellter Dachverband nur sehr geringe finanzielle Möglichkeiten, und können solche Studien nur mit einer Zusatzfinanzierung in Auftrag zu geben.  

Vor welchen politischen Herausforderungen steht die Bauwirtschaft aktuell, bei denen Partnerschaften besonders entscheidend sein werden? 

Schaffner: Die Baubewilligungsverfahren, die aus Sicht der Bauwirtschaft extrem lange dauern und für die schleppende Bautätigkeit mitverantwortlich sind. Hier müssen alle Akteure zusammenspannen. Eine wichtige Grundlage für diese Arbeit hat die Studie des Bundesamtes für Wohnungswesen BWO und des Bundesamtes für Raumentwicklung ARE geschaffen die Anfang Juli publiziert wurde. Es braucht schnelle Reformen auf verschiedenen Ebenen, auch auf Kantonsebene. Es braucht dafür alle Akteure, von den Sektionen unserer Mitglieder bis hin zu den Behörden und den Bauherrschaften. 

Wie möchten Sie die Zusammenarbeit mit anderen Verbänden oder politischen Akteuren in Zukunft weiterentwickeln? 

Schaffner: Gegen innen gibt es verschiedene zusätzliche Themen, bei denen wir unsere Mitglieder unterstützen könnten, etwa bei der Bildung oder bei Arbeitsplatzthemen. Die Mitglieder können auch auf uns zugehen, wenn sie andere Themen identifizieren und eine Unterstützung wünschen. Bei externen Partnern wollen wir bestehende Allianzen weiterführen und uns als wichtigen Akteur und guten Sparring- oder Allianzpartner empfehlen.  

Derzeit sprechen viele Bau-Fachleute von einer Konfliktkultur innerhalb der Baubranche. Die einzelnen Akteure sind alle nur auf ihren eigenen Vorteil bedacht, was schlussendlich den Projekten schadet. Wo sehen Sie die grössten Hebel, um diese Kultur nachhaltig zu verändern? 

Schaffner: Meine persönliche Erfahrung hat mich gelehrt – und ich habe keinen Hintergrund in der Bauwirtschaft – dass es wichtig ist, Knackpunkte früh anzusprechen und dass die Führung von Teams am besten über Ziele und Projekte gelingt. Mit Bezug auf die Bauwirtschaft stelle ich fest, Was ich feststelle, dass es einen Push zu mehr partnerschaftlicher Zusammenarbeit gibt, ob das nun Projektallianzen oder andere Formen sind. Je komplexer eine Sanierung oder ein Bauvorhaben ist, umso eher muss man zu neuen Instrumenten in der Zusammenarbeit greifen.  

Spielt Vertrauen dabei eine zentrale Rolle – und wie lässt sich Vertrauen institutionalisieren? 

Schaffner: Vertrauen ist ein entscheidender Faktor. Wir als Dachverband haben in den letzten Jahren sehr viel daran gearbeitet, das Vertrauen unserer Mitglieder zu uns zu stärken, indem wir ihnen bewusst machten, dass wir ihre Arbeit nicht ersetzen wollen, sondern flankieren. Wieder aus meiner persönlichen Erfahrung: klare Prozesse helfen, Vertrauen zu bilden. Auch eine offene, transparente Kommunikation hilft 

Die Bauabläufe sind derzeit oft stark fragmentiert, weil es zwischen den einzelnen Gewerken nur wenige koordinierte Schnittstellen und eine mangelnde Gesamtkoordination gibt. Wie könnte das geändert werden? 

Schaffner: Ein Beispiel: Wenn sich zu Beginn eines Projektes alle Akteure Zeit nehmen, Punkte zur Arbeitssicherheit oder zu gemeinsam genutzten Installationen zu besprechen, diese klar zu planen und Auszuschreiben, dann dient dies dem reibungslosen Bauablauf. Zu Beginn eines Projektes gibt es sehr viele Hebel, die bewegt werden können. Das ist ein wichtiges Thema in unserer Themenplattform «Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz». Dazu möchten wir nicht nur Instrumente wie die SIA 118 anpassen, sondern auch alle Akteure, bis hin zu den Bauherrschaften, sensibilisieren.   

Welche Verantwortung tragen öffentliche Bauherren – und wie können sie dieser gerecht werden? 

Gerade die öffentlichen Bauherren sollen mit gutem Beispiel vorangehen und in eine gute Projektkoordination von Beginn an und über den gesamten Projektverlauf investieren . Es wäre auch gut, wenn sie Pilotprojekte zu Projektallianzen realisieren und ihre Erkenntnisse und Learnings in die entsprechend neu gegründete Plattform Pro Allianz einbringen würden. 

Bei Ihrer Wahl kommunizierte Bauenschweiz wie folgt: «Cristina Schaffner ist eine hervorragende Brückenbauerin und Netzwerkerin.» Was motiviert Sie persönlich auf andere zuzugehen, Kooperationen und Zusammenarbeiten anzustossen? 

Schaffner: Weil ich überzeugt bin, dass wir nur so weiterkommen. Und weil ich sehe, wie viel wir von als Bauenschweiz so schon erreicht haben. Es motiviert mich, zu erkennen, dass die Wahrnehmung der Bauwirtschaft sich in der Politik und Öffentlichkeit verbessert hat. Daher bekomme ich auch viel Energie zurück, die wiederum in meine Arbeit einfliesst. 

Was wünschen Sie sich für die Zukunft des Baus? 

Schaffner: Dass Bauenschweiz als Stimme der Bauwirtschaft noch mehr gehört wird. Und dass wir unsere Bedeutung als Wirtschaftsmotor noch sichtbarer machen können.  Die Bauwirtschaft bestimmt unser ganzes Leben: wie wir wohnen, wie wir arbeiten, wie wir vom Wohnort zum Arbeitsort gelangen oder wie wir, am Wochenende in die Berge fahren. Der Alltag aller wird von der Bauwirtschaft geprägt. Diese Bedeutung sollte auch die Öffentlichkeit noch stärker wahrnehmen.  

 

 

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