„Die Zusammenarbeit wird uns voranbringen“

Herr Lardi, der SBV feiert dieses Jahr sein 125-jähriges Bestehen. Ein Grund zum Feiern? 

 

Natürlich! Die Baubranche hat unser Land seit dem Jahr 1897 sehr stark geprägt. Wir haben die Schweiz mit ihren Gebäuden, Strassen, Brücken, Tunnel, Kraftwerken und anderen Infrastrukturen gestaltet. So etwas entsteht nicht am Zeichentisch, sondern draussen bei Wind und Wetter. Wir dürfen stolz auf unsere Geschichte sein, gleichzeitig sollten wir daraus lernen. Unser Jubiläum feiern wir deshalb nicht als nostalgischen Rückblick. Als Macher richten wir unsere Blicke in die Zukunft.  

 

Was prädestiniert die Baubranche, eine wichtige Rolle bei der Zukunftsgestaltung der Schweiz zu spielen? 

 

Ganz einfach: Wir werden auch die Schweiz von morgen bauen. Die Bauwirtschaft hat für viele wichtige Themen realisierbare Lösungen parat. Mit der Modernisierung des Gebäudeparks und dem verdichteten Bauen in städtischen Gebieten leisten wir einen massgeblichen Beitrag zum Erreichen der Klimaziele. In dieselbe Richtung gehen auch unsere Bemühungen zur Förderung der Kreislaufwirtschaft sowie nachhaltiger Produkt- und Prozessinnovationen. Auch in der Mobilität zeigen wir mit zukunftsgerichteten Konzepten, wie wir in urbanen Räumen die einzelnen Verkehrsträger intelligent kombinieren und aufeinander abstimmen können, statt sie gegeneinander auszuspielen. Ganz anders in den Randregionen, wo es darum geht, dass letztere in Sachen Infrastruktur von der Politik nicht vernachlässigt werden. In peripheren Gebieten bietet die Bauwirtschaft zudem gut bezahlte Arbeitsplätze und sichert so langfristig Existenzen.  

 

Das klingt sehr selbstbewusst. Wie wollen Sie denn die vielen Aufgaben meistern? 

 

Wir können die Zukunft nicht voraussagen, aber eines ist sicher: Das gesellschaftliche Leben wird komplexer, als wir es gerne hätten. Demnach wird es darum gehen, dass wir die vielschichtigen Fragen nicht allein angehen, sondern uns mit anderen Spezialisten zusammentun. Gemeinsam erreichen wir mehr. Die zunehmende Komplexität und Interkonnektivität auf unseren Baustellen erfordern ein weitaus engeres Zusammenspiel der Baumeister mit Bauherren, Planern, dem Ausbaugewerbe und anderen. Ich sehe das gerade auch für unsere Mitglieder als grosse Chance, denn ohne das Bauhauptgewerbe gibt es keine Wertschöpfungskette bei Immobilien und Infrastrukturen.  

 

Kein Gespräch über Perspektiven, ohne dass man auch über die Corona-Krise spricht. 

 

COVID wird uns bis weit ins 2022 beschäftigen. In erster Linie, weil die Pandemie weiterhin für unsichere Aussichten sorgt. Im Vergleich zu anderen Branchen sind wir bisher nicht nur glimpflich durch die Krise gekommen, sondern konnten dies auch in Chancen ummünzen. Das Bauvolumen profitiert aktuell von einem Nachholbedarf. Das ist positiv und hat den Baufirmen auf der Umsatzseite Entspannung gebracht. Jetzt sollten wir dies auch für die Margen nutzen und unsere Auftragsbücher nicht vorschnell füllen. Wir müssen wieder lernen, Nein zu sagen zu unrealistischen Ausführungsterminen, zu inakzeptablen Vertragskonditionen und zu nicht nachhaltigen Preisen. Was die mittelfristigen Konjunkturaussichten anbelangt, empfiehlt sich hingegen eine gewisse Vorsicht. Ausserdem müssen wir auch Lieferengpässe bei wichtigen Baumaterialien beachten. Wichtig ist weiterhin, dass wir alle Baustellen offenhalten können. Im letzten Jahr ist uns das gelungen, weil wir innerhalb der Branche und mit anderen Verbänden zusammengestanden sind.  

 

Zusammenhalt innerhalb des SBV werden Sie auch benötigen bei den Verhandlungen für einen neuen Landesmantelvertrag. Was sind Ihre Forderungen an die Gewerkschaften? 

 

Wir sind an einem zukunftsorientierten LMV interessiert und werden uns für einen solchen einsetzen. Ein Abschluss ist für den SBV prioritär, aber nicht um jeden Preis. Der heutige LMV verliert bei unseren Mitgliedern zunehmend an Rückhalt. Aus unserer Sicht müsste ein neuer Vertrag schlanker werden und einfacher umzusetzen sein. Überdies benötigen wir viel mehr Flexibilität bei den Arbeitszeiten. Diese Forderung ist nicht neu...   

 

Glauben Sie denn, mit einem flexibleren LMV den Fachkräftemangel auf dem Bau zu beheben? 

 

Die Vergangenheit zeigt, dass höhere Löhne so gut wie keinen Einfluss haben auf die Attraktivität der Bauberufe. Hingegen sind wir mit dem SBV-Masterplan 2030 daran, die Berufe zu modernisieren und den zukünftigen Anforderungen anzupassen. Ich meine damit die zunehmende Automatisierung und Digitalisierung, ja sogar Robotisierung von Bauprozessen. Die physische Belastung nimmt weiter ab, hingegen nimmt die Bedeutung des technischen Know-How zu. Die Bauberufe werden dadurch attraktiver. Wir richten auch unsere Berufswerbung darauf aus und harmonisieren diese landesweit. Die zweifarbigen Mauerwerke sind meines Erachtens passé, denn damit gewinnen wir keine jungen Nachwuchskräfte. Sie sehen, unser Verband ist auf allen Ebenen gefordert, aber Herausforderungen mögen wir. So wie unsere Mitglieder dies tagtäglich tun!   

Über den Autor

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Thomas Staffelbach

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