Ein toller Beruf – mit jedoch drei Baustellen

Wie sehen Lernende des Bauhauptgewerbes ihren Beruf? Das wollten die drei Forscherinnen Kerstin Dümmler, Alexandra Felder und Isabelle Caprani wissen. Fazit: Die Vielseitigkeit gefällt ihnen, und sie finden ihn sinnvoll. Es zeigt sich aber, dass die Ausbildung in wechselnden Teams mit vielen Fremdsprachigen nicht immer einfach ist, für die Lernenden selbst wie auch für ihre Betriebe.

 

«Das habe ich gemacht!» Angehende Maurerinnen und Maurer sehen am Abend jeweils, was sie tagsüber geleistet haben. Das gefällt ihnen. Genauso wie die Erkenntnis, dass sie und ihre Berufsleute mitentscheidend sind, dass wichtige Gebäude entstehen. Auch das körperliche Arbeiten an der frischen Luft passt ihnen – an die Witterung gewöhnen sie sich rasch. Das ist eine der Erkenntnisse eines Forschungsprojekts, das Isabelle Caprani, Professorin an der EHB Lausanne, Leiterin des Forschungsfelds «Integration in die Berufsbildung und der Arbeitsmarkt, Alexandra Felder Senior Researcher dieses Forschungsfelds und Kerstin Dümmler, Senior Researcher in der Sparte Forschung und Entwicklung an der EHB Lausanne. «Die Lernenden schätzen insbesondere das praktische Arbeiten, viele stammen aus einem handwerksnahen Milieu. Auch wenn einige erst nach Umwegen zum Beruf fanden, wird er selten als zweite Wahl wahrgenommen. Sie finden Sinn in ihrer Arbeit, weil sie zum Beispiel am Ende eines Tages sehen, was sie gemacht haben. Zudem erstellen sie Bauwerke, die für uns alle von grossem Nutzen sind. Nicht zuletzt spielen für sie auch die attraktiven Arbeitsbedingungen (z.B. der Lohn), die durch einen Gesamtarbeitsvertrag abgesichert sind, und die Karrieremöglichkeiten (z.B. als Vorarbeiterin oder Polier) eine wichtige Rolle», heisst es in der Studie.

Es gibt allerdings drei Abers, die das schöne Bild ein wenig stören. Die Unternehmen sind gefordert, hier ein Auge darauf zu haben, wollen sie Lehrabbrüche verhindern und junge Leute motivieren, ihren Berufseinstieg im Bauhauptgewerbe zu machen. Schliesslich hören sich Oberstufenschülerinnen und -schüler bei ihrer Berufsauswahl auch die Erfahrungen von Bekannten, die bereits eine Lehre absolvieren, an. Je nachdem können sie deren Aussagen motivieren, den gleichen Weg einzuschlagen, oder aber nicht.

 

Bauunternehmen ist wie ein Fussballclub

iMan kann ein Bauunternehmen mit einem Fussballvevereinrein vergleichen. Verschiedene Teams kämpfen unter verschiedenen Trainern in diversen Ligen. Die Clubleitung selbst steht nicht auf dem Platz und muss sich darauf verlassen, dass die Trainer die richtigen Entscheide fällen.

In der Bauunternehmung arbeiten unterschiedliche Teams auf diversen Baustellen. Die Unternehmensleitung ist auch hier nicht vor Ort. Chef auf dem Platz ist der Polier, der sich häufig auch um die Lernenden kümmert. Anders als ein Trainer ist ein Polier aber unter Umständen nicht auf seine Aufgabe als Lehrlingsbetreuer vorbereitet. Und die Lernenden spielen nicht stets im gleichen Team, sondern wechseln die Mannschaft regelmässig, müssen sich neu in eine eingespielte Einheit einordnen. Das ist nicht immer einfach. Es gibt zahlreiche Bauunternehmen, die in Sachen Nachwuchsförderung sehr viel leisten. Aber es gibt eben auch andere, die sich darauf verlassen, dass es «schon läuft».

Fussballteams kaufen ihre Spielerinnen und Spieler mitunter im Ausland ein. In der Studie heisst es: «Typisch für das Maurerhandwerk ist, dass Lernende mit vielen un- oder angelernten Arbeitern zusammenarbeiten, von denen einige die Schweizer Sprachen eher wenig beherrschen. Das kann, muss aber nicht zu einem Problem werden.» Die Situation fordert alle Beteiligte, den Arbeitgeber, das Team und die Lernenden. «Von Seiten der Lernenden braucht es (…) Offenheit und Respekt gegenüber dem ausländischen Personal. Der Lehrbetrieb muss (….) darauf achten, dass die Integration und Betreuung durch die Teams wirklich gewährleistet ist. Ob Teammitglieder Ausbildungserfahrung haben, spielt hier eine wichtige Rolle, damit sich Kollegen und Vorgesetzte auch in die Lernbedürfnisse von Lernenden hineinversetzen können und wissen, wie das praktische Arbeiten mit den theoretischen Inhalten der Berufsausbildung verbunden ist», hält der Forschungsbericht fest und fährt fort: «Einige Betriebe setzen deshalb bewusst auf einen einzigen Ausbildungspolier und ein Team, das auf die Betreuung Lernender während der gesamten Lehrzeit spezialisiert ist und letzteren auch erspart, sich immer wieder in neue Teams einfügen zu müssen.»¨

 

Hoher Druck

Kann ein guter Platz erreicht werden oder muss man um den Ligaerhalt zittern? Wie im Fussball verspüren auch Bau-Teams auf der Baustelle einen grossen Druck. Die Autorinnen halten dazu fest: «Das Baugewerbe kennt seit Jahren einen hohen Wettbewerbsdruck». Das bleibt nicht ohne Konsequenzen für die Lernenden. Typisch ist, dass ihnen die Vorgesetzen zuerst eher einfache Arbeiten zuteilen, die mit der Zeit anspruchsvoller werden. Unter Zeitdruck kann es sein, dass Poliere eine langsame Ausführung und/oder Fehler nicht riskieren können. Sie stressen den Lernenden dann entweder oder setzen ihn nur für simple Aufgaben ein. Beides ist frustrierend.

 

Auslagerung

Dass Bauunternehmen Arbeiten auslagern, ist nichts Neues. Akkordmaurer gibt es auf Baustellen schon lange. Die Problematik dabei ist, dass Lernende so einige Arbeiten wie das Mauern, die für ihre Ausbildungspraxis vorgeschrieben sind, gar nie ausführen und so auch nicht lernen. Auf Grossbaustellen wird heute in der Praxis anders gearbeitet, als noch gelernt wird. Beides ist für die Lernenden nicht gut.

Abschliessend kann man sagen, dass der Bericht aufzeigt, dass die Bauunternehmen gefordert sind, der Ausbildung innerbetrieblich einen hohen Stellenwert einzuräumen, Wettbewerbsdruck hin oder her.

Der Schweizerische Baumeisterverband SBV ist derzeit im Rahmen des Masterplans «SBV-Berufsbildung 2030» unter anderem daran, die Grundbildung praxisgerecht zu reformieren.

Weitere Informationen zur Studie finden Sie hier.

Über den Autor

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Susanna Vanek

Redaktorin / Spezialistin Kommunikation

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