«Es ist nötig, neue Wege zu gehen» Donnerstag, 5.12.2024 | 06:00 ... Schweizerischer Baumeisterverband Baupraxis «Es ist nötig, neue Wege zu gehen» «Wir müssen einen anderen Umgang mit Differenzen und Konflikten finden», sagt Claudio Giovanoli, CEO und Mitinhaber der Lazzarini AG. Das muss unser Ziel sein: Wenn wir den Umgang und das Mindset mit ihnen verbessern und unser Verhalten anpassen, können wir in der Zukunft besser mit Differenzen und Konflikten umgehen. Damit werden Zufriedenheit und Motivation unserer Projekt- und Baustellenverantwortlichen gesteigert.Die Autoren Andreas Kästli, Kantonsingenieur-Stellvertreter, Michel Steiner, Unternehmer, Lukas Brassel, Planer sowie Claudio Giovanoli, Unternehmer, weisen darauf hin, dass Konflikte in der Schweizer Baubranche jährlich geschätzte Kosten in Höhe von mehr als 90 Millionen Franken verursachen. Wobei diese Kosten nur den unmittelbaren Aufwand für die Konfliktbearbeitung umfassen. Der Einfluss auf Beziehungen, Vertrauen und verpasste Projektchancen ist dabei noch nicht berücksichtigt. In ihrer Abschlussarbeit «Konfliktkultur und Konfliktmanagement in der Baubranche» vertreten die Autoren die Sichtweise der drei Akteure von Bauprojekten, also die der Bauherren, der Planenden und der Ausführenden. Die Arbeit entstand im Rahmen ihrer CAS-Ausbildung “Mediation – Wirksame Konfliktlösung im Alltag sowie in Wirtschaft, Arbeitswelt und öffentlichem Bereich” der Universität Freiburg. Zur Datenerhebung führten sie eine Umfrage zu Konflikten bei Bauprojekten durch. Die Ergebnisse aus den über hundert geschilderten Konfliktfällen sind eindeutig: 66 Prozent der Konflikte entstehen in der SIA-Phase 52, also während der Ausführung, Die Auswertung zeigt, dass Konflikte zwar auf unteren Hierarchieebenen entstehen, aber in der Regel erst auf höheren Ebenen gelöst werden. Dies ist mit einem zunehmenden Zeit- und Ressourceneinsatz verbunden. Die Autoren kommen zu folgenden Erkenntnissen: 62 Prozent der Konflikte können selbst gelöst werden26 Prozent der Konfliktewerden mit externer Unterstützung gelöstIn 9 Prozent der Konflikte wird der Rechtsweg beschritten3 Prozent der geschilderten Konfliktfälle sind noch offenIn 85 Prozent der Fälle gab es eine vertragliche Regelung zur KonfliktbereinigungDie jeweilige Zufriedenheit mit der Lösung war in keinem Fall höher als 4.5, bei einem Maximum von 6Am belastendsten und negativsten wurde der Zeitbedarf und die aufgewendete Energie bezeichnetMeinungsverschiedenheiten und Differenzen sind in Bauprojekten unvermeidlich – das müsse akzeptiert werden, meinen die Autoren. Deshalb müsse sich jeder, der in einem Bauprojekt involviert ist, die Frage stellen, wie er seine Energie am besten einsetzt. Die Antwort könne nur lauten: Nicht in Konflikte, sondern ins gemeinsame Projekt investieren. Deshalb müsse der Fokus auf die Prävention gelegt werden. Es gelte, Massnahmen zu ergreifen, um eine Konflikteskalation zu vermeiden. Die Projekt- und Baustellenverantwortlichen müssten ermächtigt werden, sich abzeichnende Konflikte und Eskalationen gleich beim Entstehen zu lösen. Die Autoren empfehlen, den Projektstart positiv zu gestalten, beispielsweise durch einen Ziel- und Teambildungs-Prozess. Zudem raten sie, ein Präventions- und Konfliktmanagement zu erarbeiten und Verhaltens-, Fairness- und Gerechtigkeitskriterien gemeinsam festzulegen. Es ist aus der Sicht der Autoren notwendig, neue Wege zu gehen, sei dies mit einer Stelle im Projektteam für Teambildung und Konfliktmanagement oder einer gemeinsamen Charta, die die Interessen aller drei Akteure vertritt. Die Autoren machen deutlich, dass Konflikte aktuell mit beträchtlichen Kosten, Zeitaufwand und Frustpotential verbunden sind. Es ist jedoch unrealistisch, mit der Hoffnung in ein Bauprojekt einzusteigen, dass es keine Differenzen, Abweichungen und Auseinandersetzungen geben wird. Es ist aber ebenso wichtig, entsprechende Prozesse bereitzustellen, um diese gleich vom Projektstart an mit Konsens beziehungsweise ohne Eskalationsrisiken lösen zu können. Eine Sensibilisierung und Weiterbildung im Konfliktmanagement für Chefs und Mitarbeitende ist dabei unerlässlich.Die vier Autoren engagieren sich, dass ihre Expertise in der Branche, in Verbänden, in Ausbildungsstätten und in Unternehmen bekannt wird. Dadurch können die Handlungsempfehlungen vermehrt umgesetzt werden, was allen Akteuren im Bau zugutekommt. Über den Autor Susanna Vanek [email protected] Artikel teilen