Für mich ist klar: Kapazität hat Vorrang vor Zeit In der Schweiz sind immer mehr Menschen immer mehr unterwegs. Ob zur Arbeit, zum Einkaufen oder in der Freizeit, das führt zu überfüllten Zügen und Staus. Bundesrat Albert Rösti spricht im Interview über seine Pläne für die Mobilität der Zukunft. Dienstag, 23.7.2024 | 06:00 ... Schweizerischer Baumeisterverband Politik & Medien Agenda 125.0 Infrastruktur Für mich ist klar: Kapazität hat Vorrang vor Zeit In der Schweiz sind immer mehr Menschen immer mehr unterwegs. Ob zur Arbeit, zum Einkaufen oder in der Freizeit, das führt zu überfüllten Zügen und langen Staus. Bundesrat Albert Rösti spricht im Interview über seine Pläne für die Mobilität der Zukunft. Welche Verkehrspolitik braucht die Schweiz für heute und morgen? Bundesrat Rösti: Wir stehen heute vor der Herausforderung, die Mobilität der Schweiz zu bewältigen. Die Mobilitätsbedürfnisse nehmen stetig zu und damit auch die Anforderungen an den Verkehr. Wir gehen davon aus, dass der Personenverkehr bis ins Jahr 2050 um 11 Prozent zunehmen wird. Mehr Kapazitäten benötigen wir überall, egal ob auf der Schiene, der Strasse oder im Langsamverkehr. Dabei darf kein Verkehrsträger gegen den anderen ausgespielt werden. Es braucht sowohl den öffentlichen Verkehr wie den motorisierten Individualverkehr. Gleichzeitig müssen wir das bestehende Nationalstrassen- und Eisenbahnnetz instand halten, das unsere Vorgänger entwickelt haben.Mit welchen Lösungsansätzen bauen Sie die Kapazitäten aus?Kapazitätserweiterungen auf der Strasse erfolgen punktuell und dort, wo bereits ergriffene Verkehrsmanagementmassnahmen ausgeschöpft sind. Die Ausbauprojekte sind im Strategischen Entwicklungsprogramm Nationalstrasse (STEP) zusammengefasst. Kurz- bis mittelfristige verfolgen wir ganz konkrete Ausbauprojekte, mit der die heutigen Engpässe beseitig werden. Der Ausbauschritt 2023 des strategischen Entwicklungsprogramm Nationalstrassen umfasst die sechs Projekte Genf-Lausanne, Grauholz-Schönbühl, Schönbühl-Kilchberg, Schaffhausen, St. Gallen und Basel. Wir werden voraussichtlich im November darüber abstimmen. Mittel- bis langfristig setze ich auf das Potenzial des autonomen Fahrens. Erste Ansätze lassen sich heute bereits mit den Abstandtempomaten erkennen. Mit dem neuen Strassenverkehrsgesetz hat das Parlament die Rahmenbedingungen für die Bewilligung solcher Systeme verabschiedet. In 20 Jahren werden Autos wohl autonom fahren. Das ermöglicht, auf gleicher Fläche mehr Kapazitäten zu schaffen. Das Gleiche gilt auch für die Schiene: Führerlose Systeme werden erlauben, auf den gleichen Trassen mehr Züge fahren zu lassen.Vorher gilt es jedoch, vielerorts Engpässe zu beseitigen, damit der Verkehr wieder fliessen kann. Schafft die Schweiz das?Ja, die Finanzierung ist sichergestellt. Wir haben glücklicherweise zwei Fonds, mit denen wir die Kapazitäten erhöhen können: Zum einen den Bahninfrastrukturfonds (BIF), der zum Teil mit der Leistungsabhängigen Schwerverkehrsabgabe (LSVA) alimentiert wird, was im Zusammenhang mit der Verkehrsverlagerung eine Rolle spielt, sowie den Nationalstrassen- und Agglomerationsverkehrs-Fonds (NAF). Dieser wird über die Mineralölsteuer finanziert. Der BIF ermöglicht den Betrieb, Substanzerhalt sowie Ausbau der Eisenbahninfrastruktur, während der NAF Nationalstrassen und grosse Projekte im Agglomerationsverkehr deckt. Mit diesen Töpfen können wir die Kapazitäten ausbauen. Die politische Bereitschaft ist beim Öffentlichen Verkehr unbestritten. Wie gross sie beim motorisierten Individualverkehr ist, werden wir voraussichtlich im November sehen.(c) UVEKWarum wird die Eröffnung einer Strasse kritisiert, eine neue Zugstrecke hingegen beklatscht?Das Narrativ des Individualverkehrs, der mit fossiler Energie angetrieben wird, hat im Zusammenhang mit der Umweltschutzdiskussion einen negativen Anstrich erhalten. Diese Ablehnung spüre ich auch heute, wenn es im Parlament um Ausbauprojekte geht. Dabei geht vergessen, dass das Auto immer mehr elektrisch wird. Autofahren hat für mich dank Elektrifizierung sehr wohl eine Zukunft. Autolenker und -lenkerinnen können auch nicht einfach auf den Zug umsteigen, denn da hat es auch keinen Platz mehr. Das heisst, es braucht einen politischen Wandel in der Diskussion um den Ausbau von Strassenkapazitäten.Dann sollte man also auf jeden Fall für einen Kapazitätsausbau sein, egal ob Schiene oder Strasse. Und dennoch hagelt es Einsprachen gegen solche Projekte… Es ist leider so, dass die Planung und die Bewilligungsverfahren oft deutlich länger dauern als nachher der Bau. Gerade als Verkehrsminister möchte ich natürlich, dass alles viel schneller geht. Wenn man aber lokal bauen will, muss man mit den Betroffenen sprechen. Vor allem darf ihre Mitsprache nicht eingeschränkt werden. So etwas wird sehr kritisch beobachtet und zwar von Links wie Rechts. Ich glaube, das gehört zu unserem System. Man kann die Leute nur zur Vernunft aufrufen und mit einem frühzeitigen Einbezug der Anliegenden den Prozess beschleunigen. Bei einem positiven Abstimmungsausgang zu STEP wird das Bundesamt für Strassen Astra genau das machen.Welche Rolle spielen regionale und kantonale Interessen bei der Wahl der Projekte? Wie gelingt der Ausgleich zwischen den Zentren und den peripheren Regionen? Mein Schwerpunkt liegt bei den Zentren, wo die grössten Kapazitätsengpässe bestehen. Ich bin der Meinung, dass das Bundesamt für Verkehr bei der Bahninfrastruktur eine gute Triage macht. Der Fokus liegt da, wo die meisten Leute profitieren. Die Hauptprojekte sind in den Zentren, konkret in den Bahnhöfen Genf, Lausanne, Bern, Luzern, Basel und Zürich Stadelhofen. Natürlich gibt es im Parlament Allianzen mit dem Ziel, die eigenen Interessen zu stärken.Aber es braucht halt doch den guteidgenössischen Ausgleich für die Radregionen… Kapazitätsengpässe gibt es vor allem in den Zentren. Schauen Sie sich beispielsweise die Passagierzahlen in Luzern oder Bern an und das auf engstem Raum! Der Verkehr in und aus den Bergregionen spielt auch eine Rolle, wenn es um die Erschliessung für den Tourismus und die Freizeit geht. Die Erschliessung der ländlichen Regionen ist sehr wichtig, sie ist meiner Meinung nach heute bereits schon sehr gut.Vielerorts hat man den Eindruck, es werde zu viel Geld in eine Fahrzeitverkürzung investiert. Schafft das wirklich die nötigen Kapazitäten? Das ist im Moment eine hochaktuelle Diskussion zwischen meinem Departement und den Verkehrspolitikern. Mit unserer Perspektive Bahn 2050 wollen wir den Verkehr dort ausbauen, wo er den meisten Leute hilft, indem wir Kapazitäten in den Zentren und den S-Bahnsystemen schaffen. Mit dem Zug zwischen Bern und Zürich fünf Minuten schneller zu sein, kostet Milliarden. Die verkürzte Reisedauer stünde in keinem Verhältnis zu den Investitionen. Wir brauchen aber mehr Kapazitäten, beispielsweise mit dem Viertelstundentakt. Das kann bedeuten, dass irgendwo der Zug eine Minute später ankommt. Für mich ist klar: Kapazität hat Vorrang vor Zeit. Entscheidend ist, dass wir Nationalstrasse und Schienennetz abstimmen und nicht gegeneinander ausspielen.Was bedeutet das?Dass dort die Bahn ausgebaut wird, wo man mit dem Auto nicht weiter kommt und umgekehrt. Nehmen wir nochmals das Beispiel Bern–Zürich: Hier hat es keinen Wert, in schnellere Züge zu investieren, weil man mit dem Auto heute schon viel langsamer ist. Also muss man in die Strasse investieren, um so zusätzliche Autobahnkapazitäten zu schaffen. Und umgekehrt: Da wo die Strasse schneller ist, müssen wir in den Öffentlichen Verkehr investieren.Politiker fordern ein Zusammenlegen der beiden Finanzierungstöpfe. Was wäre der Vorteil?Ich würde die Grundkonzeption von NAF und BIF im Moment nicht anrühren. Die beiden Systeme sind so gebaut, dass ein Strassenfranken nicht in die Bahn investiert werden kann und umgekehrt. Der NAF wird von den Autofahrerinnen und Autofahrern gespiesen, ein Teil fliesst zudem in die allgemeine Bundeskasse. Beim BIF ist es anders. Hier kommen die Gelder teils von der LSVA und schwergewichtig von der Bundeskasse. Wenn nun ein Strassen- gegen ein Bahnprojekt abgewogen werden müsste, gäbe es einen dauernden Verteilkampf, was wiederum einen Konsens schwieriger machen würde. Viel wichtiger ist es also, dass die Schweiz die Äufnung der Fonds langfristig sicherstellt. Das ist eine meiner dringendsten Aufgaben.Die Strassenfinanzierung via Mineralölsteuer wird schwieriger, wenn immer mehre Elektroautos in der Schweiz fahren. Wir benötigen eine technologieneutrale Finanzierung, entweder nach gefahrenen Kilometern oder verbrauchter Energie. Wir werden beide Varianten in die Vernehmlassung geben. Die Umstellung ist auf 2030 geplant. Vorher braucht es voraussichtlich eine Verfassungsabstimmung. Wir gehen davon aus, dass die Elektromobilität den NAF tragen kann, weil immer mehr Elektromobile unterwegs sind. Auch die LSVA wird überarbeitet. In der bereits laufenden Vernehmlassung schlagen wir vor, Elektrolastwagen in die tiefste Abgabekategorie der LSVA aufzunehmen und Lastwagen mit sehr effizienten, aber fossilen Motoren in die nächst höhere Kategorie zu heben.Zum Schluss noch ein Wort zur Bauwirtschaft. Welche Erwartungen haben Sie an Baufirmen?Bevor man Erwartungen äussert, sollte man zuerst einmal danken, für das, was die Baufirmen leisten! Ohne sie wäre die Schweiz nicht so erfolgreich. Meine Erwartung als Umweltminister ist, dass die Bauwirtschaft möglichst die Kreislaufwirtschaft fördert. Wir haben den Auftrag, bis ins Jahr 2050 das Netto-Null-Ziel zu erreichen. In der Bauwirtschaft ist die Dekarbonisierung sehr herausfordernd. Der Bund wird als Bauherr bei Ausschreibungen vorangehen und nachhaltige Offerten fördern. Von den Baufirmen hingegen wünschen wir uns möglichst realistische Eingaben, denn Nachforderungen haben wir natürlich nicht so gerne! (lacht) Über den Autor Thomas Staffelbach [email protected] Artikel teilen
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