Gemeinsames Interesse Ältere Arbeitnehmer halten

Arbeitgeber und Arbeitnehmer haben mehr gemeinsame Interessen, als gemeinhin angenommen wird. Mit einer Artikelserie beleuchten wir die gemeinsamen Interessen. In Teil 2 geht es darum, wie wichtig es ist, ältere Arbeitnehmer möglichst im Betrieb beziehungsweise im Arbeitsleben zu halten. Der SBV engagiert sich für Mitarbeitende über 50. Er will mit LMV-Anpassungen ihre Jobchancen verbessern. Und er macht mit beim Projekt focus50plus das der Schweizerische Arbeitgeberverband SAV für die Verbesserung der Situation älterer Arbeitnehmer für die gesamte Wirtschaft ins Leben gerufen hat. Es ist wichtig die Arbeitsmarktfähigkeit Über-50-Jähriger zu erhalten und – manchmal nötig – ältere Mitarbeitende wieder einzugliedern, erklärt Simon Wey, SAV-Chefökonom im Gespräch.

 

Was genau ist focus50plus und wie hilft es den Betroffenen?

Focus50plus ist eine Initiative von der Wirtschaft für die Wirtschaft. Wir wollen Fragen zum Erhalt der Arbeitsmarktfähigkeit, zur Wiedereingliederung von älteren Mitarbeitenden sowie zur Weiterarbeit über das ordentliche Pensionsalter hinaus mit Firmenvertreterinnen und Firmenvertretern besprechen und sie für diese Themen sensibilisieren. Auch bieten wir Firmen mit Handlungsbedarf Dienstleistungspartner an, die sie beispielsweise bei den Standortbestimmungen mit älteren Mitarbeitenden unterstützen können. Auch wollen wir mit Interviews gute Beispiele von Arbeitgebern, von Arbeitnehmenden und von Dienstleistern einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich machen, so dass sich davon auch andere inspirieren lassen können. Oft gibt es schon gute und erprobte Lösungen, nur weiss niemand davon.

 

Und in welchen Bereichen können Integrationsfortschritte nur über GAV-Anpassungen erzielt werden?

GAVs können, wo sinnvoll, ein Mittel sein, um Massnahmen zur Unterstützung von älteren Arbeitnehmenden zu verankern. Wir sehen jedoch für die Umsetzung von Massnahmen im Interesse von Arbeitgebern und Arbeitnehmenden keine Notwendigkeit, dies in einem GAV zu tun.

 

Die Herausforderung im Bauhauptgewerbe ist, dass die älteren Bauarbeiter aufgrund der hohen Lohn- und Lohnnebenkosten gegenüber jüngeren mit zunehmendem Alter und abnehmender Leistungsfähigkeit systematisch ins Abseits gedrängt werden.

Es kann für den Betrieb wie auch für die Mitarbeitenden von Vorteil sein, wenn das jeweilige Arbeitsmodell überdacht wird. Eine mögliche Lösung könnte dann beispielsweise sein, dass der Mitarbeitende im Sinne einer Bogenkarriere sein Pensum und/oder den Verantwortungsbereich bei etwas tieferem Einkommen reduziert, dafür wieder gefestigter im Arbeitsverhältnis und unter Umständen auch zufriedener ist. Somit erhöht sich auch die Wahrscheinlichkeit, dass ein solcher Mitarbeitender über das Alter hinaus weiterarbeitet, ab dem in seiner Branche der Bezug einer Frührente wie dem FAR im Bauhauptgewerbe möglich ist.

 

Was halten Sie davon, dass im Bauhauptgewerbe ein Arbeitnehmer bei einer Neuanstellung nur zum Lohn angestellt werden kann, den er an der vorherigen Stelle hatte? Ist dies ein Instrument, um das ungerechtfertigte Drücken des Lohns zu verhindern oder ist das nicht vielmehr ein grosser Nachteil für ältere Mitarbeitende, die gar nicht mehr in den Job zurückkommen können?

Der Lohn ist immer nur eine Komponente eines ganzen Strausses von Kompensationsmöglichkeiten für die Mitarbeitenden. Trotzdem kann eine solche Regelung zuungunsten der Mitarbeitenden sein. Denn es kann ja durchaus sein, dass ein Betrieb zwar einen etwas tieferen Lohn anbietet als der vorherige Betrieb, er dafür aber bessere Nebenleistungen wie eine tiefere wöchentliche Arbeitszeit, eine bezahlte Anfahrtszeit oder anderweitige Vorteile für die Mitarbeitenden bietet.

 

Damit es gar nicht erst zum Jobverlust kommt, strebt der SBV an, durch Schulung und Weiterentwicklung ältere Arbeitnehmer für den Arbeitsmarkt fit zu halten. Wie vielversprechend ist das?

Sie sprechen einen zentralen Punkt an. Im Wissen darum, dass ältere Arbeitnehmende, die ihre Stelle verlieren, mehr Zeit benötigen bis sie wieder eine Stelle finden als jüngere Jahrgänge, setzen wir den Fokus bei focus50plus speziell auf den Erhalt der Arbeitsmarktfähigkeit. Dies ist im Interesse von Arbeitgebern und Arbeitnehmenden. Denn wie Untersuchungen zeigen, muss der Mitarbeitende bei einem Stellenverlust in den meisten Fällen grosse Einkommenseinbussen in Kauf nehmen und der Arbeitgeber verliert viel firmenspezifisches Know-how. Finden sich die beiden, so stellen sich im Regelfall beide besser als sie es bei einer Kündigung tun würden. Es ist deshalb zentral, dass regelmässige Standortbestimmungen in den Betrieben stattfinden.

 

Wie kann das von Ihnen vorgeschlagene Standortgespräch aber Wirkung erzeugen, wenn durch den LMV generell für eine ganze Branche bis in die Detail der Kündigungsschutz geregelt ist, kein Spielraum beim Lohn besteht und es auch keine Möglichkeiten für flexiblere Arbeitszeiten gibt?

Zentral ist, dass die Arbeitgeber und die älteren Mitarbeitenden frühzeitig für beide Seiten vorteilhafte Lösungen evaluieren und umsetzen – was nur möglich ist, wenn ihnen der Gesamtarbeitsvertrag ihrer Branche die entsprechende Flexibilität erlaubt. Denn eine Standardlösung für sämtliche Branchen und Betriebe gibt es nicht.

 

Schulung und Weiterentwicklung entscheidend

 

Der SBV teilt die Ansichten von Simon Wey. Unser gemeinsames Interesse ist es, ältere Arbeitnehmer durch Schulung und Weiterentwicklung für den Arbeitsmarkt fit und arbeitsmarktfähig zu halten. Für ältere Arbeitnehmer, die die Stelle verloren haben, sollen die Hürden für den Wiedereinstieg in den Arbeitsprozessalltag möglichst tief gesetzt werden. Ansatzpunkte wären hier innovative Arbeitsmodelle für langjährige Festangestellte und individuell angepasste Weiterbildungsmöglichkeiten.

Autor: Martin Maniera

Über den Autor

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Martin Maniera

Ökonom & wissenschaftlicher Mitarbeiter Politik

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