Gesetzesänderungen ab 1. Januar 2022

Bauarbeitenverordnung (BauAV), Bundesgesetz über den Versicherungsvertrag (VVG), Kartellgesetz und andere öffentliche Beschaffungen: Am 1. Januar 2022 treten verschiedene Änderungen in Kraft. Der Rechtsdienst des SBV hat einen (nicht abschliessenden) Überblick über die wichtigsten Änderungen erstellt. 

 

Revision Bauarbeitenverordnung (BauAV)1  

 

Nachfolgend zusammengefasst die wichtigsten Änderungen, die die neue BauAV für die unterschiedliche Tätigkeitsbereiche vorsieht: 
Änderungen im 2. Kapitel der BauAV für alle Bauarbeiten  

  • Auf Baustellen ist ein schriftliches Sicherheits- und Gesundheitsschutzkonzept zu erstellen (Art. 4).  
  • Das Arbeiten auf Leitern wird eingeschränkt (Art. 21). 
  • Der Geländerholm des Seitenschutzes muss mindestens 100cm über der Standfläche liegen (Art. 22). 
  • Bei Niveauunterschieden von mehr als 50cm sind geeignete Arbeitsmittel einzusetzen, um sie zu überwinden (Art. 15). 
  • Bei der Montage von vorgefertigten Deckenelementen sind ab einer Absturzhöhe von mehr als 3m vollflächig Auffangnetze oder Fanggerüste zu verwenden (Art. 27). 
  • Im Gefahrenbereich von Transportfahrzeugen oder Baumaschinen dürfen sich keine Personen aufhalten. Kann dies nicht ausgeschlossen werden, ist der Gefahrenbereich zu überwachen (Art. 19). 
  • Der Arbeitgeber muss seine betroffenen Mitarbeitenden über die Ergebnisse von Schadstoffgutachten informieren (Art. 32). 
  • Bei Arbeiten bei Sonne, Hitze und Kälte sind die erforderlichen Massnahmen zum Schutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu treffen (Art. 37). 
  • Arbeitsplätze und Verkehrswege müssen ausreichend beleuchtet sein (Art. 38). 
Änderungen im 3. Kapitel der BauAV für Arbeiten auf den Dächern 

  • An Dachrändern sind ab einer Absturzhöhe von mehr als 2m Massnahmen zu treffen, um Abstürze zu verhindern (Art. 41). Eine Ausnahme gilt für Arbeiten von geringem Umfang. Für diese sind Massnahmen erst ab einer Absturzhöhe von mehr als 3m erforderlich (Art. 46). 
  • Eine Dachdeckerschutzwand am Spenglergang des Fassadengerüsts ist ab einer Dachneigung von 30° erforderlich (Art. 41 Abs. 2). 
  • Bei einer Dachneigung von mehr als 45° sind zusätzliche Schutzmassnahmen zu treffen (Art. 41 Abs. 2). 
  • Eine Dachfangwand darf für Arbeiten auf bestehenden Dächern nur noch bis zu einer Dachneigung von 45° eingesetzt werden (Art. 42). 
Änderungen im 5. Kapitel der BauAV für Gräben Schächte und Baugruben 

  • Neu ist bei Böschungen bereits ab einer Neigung steiler als 2:1 ein Sicherheitsnachweis zu erbringen (Art. 76 Abs. 1). 
  • Der Sicherheitsnachweis hat durch einen Geotechniker oder eine Geotechnikerin beziehungsweise durch einen Fachingenieur oder eine Fachingenieurin zu erfolgen (Art. 76 Abs. 1). 
  • Der Arbeitgeber muss dafür sorgen, dass der Geotechniker oder die Geotechnikerin beziehungsweise der Fachingenieur oder die Fachingenieurin die korrekte Umsetzung der Massnahmen gemäss Sicherheitsnachweis überprüft (Art. 76 Abs. 2). 

  • Die erforderliche Grabenbreite wird abhängig vom Innenrohrdurchmesser der Leitung definiert (Art. 69 Abs. 3). 

  • Der Zugang in Gräben, Schächte und Baugruben mit Leitern wird eingeschränkt (Art. 73). 
Änderungen im 6. Kapitel der BauAV für Rückbau- und Abbrucharbeiten 

  • Die Meldepflicht für anerkannte Asbestsanierungsunternehmen wurde ausgeweitet (Art. 86). 
  • Spezialistinnen und Spezialisten für Asbestsanierungen müssen in Abständen von höchsten 5 Jahren eine Fortbildung besuchen (Art. 85). 
  • Anerkannte Asbestsanierungsunternehmen müssen eigene Spezialistinnen und Spezialisten für Asbestsanierungsarbeiten beschäftigen. Zudem müssen sie mindestens zwei weitere eigene Mitarbeitende beschäftigen, die für diese Arbeit instruiert und bei der Suva zur medizinischen Vorsorgeuntersuchung gemeldet sind (Art. 83). 

 

1Weitere Informationen zur BauAV 2022 (suva.ch) 

 

Revision Versicherungsvertragsgesetz (VVG) 

 

Die Teilrevision des VVG beinhaltet unter anderem folgende wichtige Neuerungen: 

  • Einführung eines Widerrufsrechts (Art. 2a und 2b): Versicherungsnehmer können innerhalb einer Bedenkfrist von 14 Tagen von ihrem Vertrag zurücktreten.  

  • Beispiel der Folgen: Ein Versicherungsnehmer schliesst eine Versicherung ab. Eine Woche später ändert er seine Meinung. Er kann ohne Verpflichtung aus dem Vertrag zurücktreten. 
 

  • Ordentliches Kündigungsrecht (Art. 35a): Verträge mit langer Laufzeit können auf das Ende des dritten Jahres oder jedes darauffolgenden Jahres unter Einhaltung einer Frist von drei Monaten beenden werden.  

  • Beispiel der Folgen: Ein Versicherungsnehmer schliesst einen Versicherungsvertrag für fünf Jahre ab. Dennoch kann er nach drei Jahren den Vertrag beenden. Das Versicherungsunternehmen hat dieses Recht ebenfalls. 
 

  • Kündigungsverzicht der Krankenversicherer (Art. 35c): Nur Versicherten steht das ordentliche Kündigungsrecht und das Kündigungsrecht im Schadenfall zu.  

  • Beispiel der Folgen: Der Krankenzusatzversicherer darf im Schadenfall den Vertrag nicht mehr kündigen. 
 

  • Verlängerung der Verjährungsfrist für Ansprüche aus Versicherungsverträgen (Art. 46): Erhöhung von zwei auf fünf Jahren. Ansprüche aus Versicherungsverträgen verjähren neu erst fünf Jahre nach dem Schadenfall. 

  • Beispiel der Folgen: Drei Jahre nach dem Schadenfall meldet der Versicherte seinen Anspruch auf Leistung. Dieser Anspruch ist nun noch nicht verjährt. 
 

  • Einführung eines allgemeinen direkten Forderungsrechts für alle Haftpflichtversicherungen (Art. 60): Ein Geschädigter kann damit seine Ansprüche direkt bei der Versicherung des Schädigers geltend machen, obwohl der Versicherungsvertrag nicht mit ihm, sondern mit dem Haftpflichtigen abgeschlossen wurde.  

  • Beispiel der Folgen: Das Kind des Versicherten schlägt die Fensterscheibe des Nachbarn mit einem Ball ein. Der Nachbar kann neu seinen Anspruch direkt gegenüber der Versicherung geltend machen. 
 

  • Digitalisierung (insgesamt 14 Artikel): Kompatibilität des VVG mit dem elektronischen Geschäftsverkehr über sämtliche Prozesse (Widerruf, Informationspflicht, Anzeigepflicht, Kündigung etc.).  

  • Beispiel der Folgen: Die Kündigung eines Versicherungsvertrags per Mail ist nun möglich. 
 

  • Informationspflicht des Versicherers: Neben der bisherigen Aufklärungspflicht über den Umfang der Versicherung, muss die Angabe gemacht werden, ob es sich um eine Summen- oder Schadenversicherung handelt, die zeitliche Geltung des Versicherungsschutzes und ob und inwieweit nach Ablauf des Vertrages noch Versicherungsschutz besteht.

 

Revision Kartellgesetz 

 

Ab 1. Januar 2022 treten die neuen kartellrechtlichen Bestimmungen betreffend relative Marktmacht in Kraft. Von einem relativ marktmächtigen Unternehmen spricht man, wen von ihm andere Unternehmen beim Angebot oder bei der Nachfrage einer Ware oder Leistung in einer Weise abhängig sind, dass keine ausreichenden und zumutbaren Möglichkeiten bestehen, auf andere Unternehmen auszuweichen. Ein solch relativ marktmächtiges Unternehmen muss sich nun neu an verschiedene Vorgaben gemäss Art. 7 Abs. 2 KG, wie z.B. keine Diskriminierung, keine unangemessenen Preise oder Geschäftsbedingungen, keine Verweigerung oder Abbruch von Geschäftsbeziehungen oder keine Bündelung von Produkten halten, die bis dato nur für marktbeherrschenden Unternehmen galten (Missbrauchsverbot).   

 

Welche Sanktionen drohen und wie können die neuen Regeln rechtlich durchgesetzt werden?   Schweizer Unternehmen sollen bei der Wettbewerbskommission (WEKO) Anzeige erstatten können, wenn ein Unternehmen seine relative Marktmachtstellung in missbräuchlicher Weise ausnutzt. Wird ein Verstoss des relativ marktmächtigen Unternehmens festgestellt, kann das entsprechende Verhalten grundsätzlich verboten werden. Ein missbräuchliches Verhalten eines relativ marktmächtigen Unternehmens kann aber anders als bei marktbeherrschenden Unternehmen (vgl. Art. 49a Abs. 1 revKG) nur dann direkte kartellrechtliche Sanktionen nach sich ziehen, wenn gegen eine behördliche Anordnung oder eine einvernehmliche Regelung verstossen wird (Art. 50 revKG).  Da sich die relative Marktmacht auf eine individuelle Vertragsbeziehung bezieht und nach dem Vorgenannten im Verwaltungsverfahren nicht direkt kartellrechtlich sanktioniert werden kann, dürfte die Durchsetzung von Missbrauchsverboten primär auf dem Zivilrechtsweg erfolgen. Denkbar sind beispielsweise Schadenersatzklagen, Klagen auf Belieferung ohne diskriminierende Bedingungen oder auf Aufhebung von Kündigung von Lieferverträgen.  

 

Revision IVöB bzw. Revision der kantonalen Beschaffungsgesetzen  

 

Es wird erwartet, dass in einigen Kantonen das kantonale Beschaffungsgesetz per 2022 in Kraft treten wird. In den meisten Kantonen lief bzw. läuft dieses Jahr das Vernehmlassungsverfahren.  

Über den Autor

pic

Schweizerischer Baumeisterverband

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