Grosser Stau bei wichtigen Strassenbauprojekten

Zahlreiche neuralgischen Punkte im Nationalstrassensystem sind bekannt. Trotzdem dauert es lange, bis bauliche Massnahmen kommen.  

 

Die Strassen sind die Lebensader der Schweiz. Sie verbinden die einzelnen Schweizer Landesteile miteinander, bringen Pendler an ihren Arbeitsplatz und zurück, sorgen dafür, dass Güter transportiert werden können und binden die Schweiz ans europäische Strassennetz. Da sie eine so wichtige Funktion haben, werden genaue Zahlen über ihre Belastung und den Verkehrsfluss erhoben. Diese bilden eine wichtige Grundlage für den Betrieb und die Planung des Nationalstrassennetzes.

Und trotzdem verliert die Schweizer Wirtschaft aufgrund der Staustunden viel Geld. Störend ist dabei, wenn neuralgische Punkte bekannt sind, aber nichts zur Behebung der Problematik getan wird. Insbesondere, wenn das Versäumnis darauf zurückzuführen ist, dass gewählte Politikerinnen und Politiker um die Wählergunst buhlen.

Zum Beispiel beim Engpass Crissier. Das Projekt zu dessen Beseitigung entstammt der Mobilitätsstrategie des Agglomerationsprogramms Lausanne-Morges (PALM), das gemeinsam von den Gemeinden im Westen von Lausanne und dem Kanton miterarbeitet wurde. Die eidgenössischen Räte hiessen im Rahmen der ersten Programmbotschaft am 21. September 2010 die erste Phase der Erweiterungsmassnahmen gut. Auch der Ausbauschritt 2014 mit einem geplanten Baubeginn 2021 wurde durch die beiden eidgenössischen Räte genehmigt. Der Bundesrat bewilligte das generelle Projekt zu den Massnahmen der Engpassbeseitigung Crissier im Januar 2016.

Alles gut, würde man denken. Allerdings fanden im März 2018 kommunale Wahlen in der Waadt statt. Die vom Projekt direkt betroffene Gemeinde Chavannes-près-Renens erlebte einen deutlichen Linksrutsch. In der Folge wurde im November 2018 das Ausführungsprojekt öffentlich aufgelegt, was eine heftige Opposition auslöste, auch vonseite der Gemeinde Chavannes. Anlässlich einer Konferenz an der Uni Lausanne, die der VCS organisierte, desavouierte die SP-Regierungsratspräsidentin Nuria Gorrite ASTRA-Direktor Jürg Röthlisberg, indem sie öffentlich verkündete, die Position der Waadtländer Regierung zum Projekt habe sich geändert, sie unterstütze neu die Forderung von Chavannes. Das ASTRA war über den Sinneswandel vorgängig nicht orientiert worden. Es kann zudem erst im Jahr 2023 Stellung zu den Einsprachen beziehen, anschliessend wird der Rechtsdienst des UVEK darüber urteilen. Die Einsprechenden können noch danach noch beim Bundesverwaltungsgericht und anschliessend beim Bundesgericht rekurrieren. Zwar unterschrieben das ASTRA, der Kanton Waadt und Chavannes eine Konvention für ein neues Projekt – dank der Beteiligung von VaudRoutes mit Patrick Eperon des Centre Patronal – doch müssen Gemeinde und Kanton die entsprechenden Kredite noch genehmigen. Zwar rechnet der Bund mit einem Baubeginn 2028, doch es droht weitere Opposition gegen das Projekt. VaudRoutes äufnet derzeit schon einen Fonds, um sich auf eine Abstimmungskampagne vorzubereiten. Affaire à suivre, also.

 

50 Jahre bis zum Baubeginn 

Der Tessiner Nationalrat Alex Farinelli, der Vizedirektor der Tessiner Baumeister ist, weiss von einem anderen hängigen Strassenbauprojekt zu berichten: «Locarno ist die einzige Stadt in der Schweiz, die noch nicht an das Autobahnnetz angeschlossen ist: Der bereits gebaute Abschnitt, der mit dem Mappo-Morettina-Tunnel endet, ist etwa 10 Kilometer von Bellinzona entfernt. Im Jahr 2007 hat sich die Tessiner Bevölkerung zu einem in den 1990er Jahren entwickelten Projekt geäussert und es mit 54 Prozent der Stimmen abgelehnt. Damals sagten die Gegner, dass eine Alternative, die weniger in die Landschaft eingreift, leicht machbar sei. Heute schreiben wir das Jahr 2022, und vor einigen Wochen haben wir erfahren, dass der Bau dieses Projekts, wenn alles gut geht, nach 2040 beginnen wird. Wobei wir wissen, dass es sich um einen Tunnel handelt und unvorhergesehene Ereignisse nicht auszuschliessen sind. Zwischen dem abgelehnten Projekt und dem möglichen künftigen Bau liegen 50 Jahre, also ein halbes Jahrhundert!»

Christian Wasserfallen, Präsident Infra Suisse, Zentralvorstand SBV und Nationalrat, kommentiert: «Entscheidungen für Infrastrukturprojekte sind zu respektieren und nicht auf Jahrzehnte hinaus zu blockieren. Leider stellen wir in allen Bereichen fest, dass die Planungshorizonte bei diesen Projekten Jahrzehnte dauern und grösste Unsicherheiten beinhalten. Seien es Bahn-, Strassen- oder Energieprojekte z.B. bei Wasserkraftwerken: nach Jahrzehnten der Blockade wurde zwar viel Papier aber kein Strom produziert, kein Meter Strasse oder Schiene gebaut und die Bevölkerung steht im Stau. So geht es nicht weiter. In der Schweiz sollten wir es nicht zulassen, dass die Einsprache zur fünften Landessprache wird und wir zur Bananenrepublik verkommen.»

Wir dürfen es nicht zulassen, dass Einsprachen zur fünften Landessprache werden

Über den Autor

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Susanna Vanek

Redaktorin / Spezialistin Kommunikation

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