Herbstsession 2022: viele akute und nachhaltige politische Geschäfte

Das Parlament hat sich mit drei neuen Volksinitiativen befasst. Der SBV ist mit den Ausgängen derzeit zufrieden, behält aber ein Auge auf die weiteren Entwicklungen. Die Session hat gezeigt: es muss sich erst eine Energie- und Stromkrise abzeichnen, damit Bauprojekte nicht mehr blockiert werden. Immerhin ist der Handlungsbedarf nun glasklar: Beim Bau von wichtigen Infrastrukturprojekten werden die Einsprachemöglichkeiten beschränkt, womit diese Projekte nicht infolge hängiger Gerichtsverfahren jahrelang blockiert werden. Erfreulich ist ebenfalls die Ablehnung der Motionen bei Normen und Lohngleichheit, weil sie zu mehr Aufwand und Problemen bei öffentlichen Vergaben geführt hätten. Der SBV hatte die Ja-Kampagne zur AHV-Reform unterstützt, weil einerseits das Sozialwerk mittelfristig gesichert und andererseits der Flexible Altersrücktritt besser geschützt wird. Enttäuschend ist hingegen, dass KMU auch in Zukunft nicht von der Mediensteuer ausgenommen werden.

 

Überblick

 

Drei Volkinitiativen: 2 Gegenvorschläge akzeptabel, eine Initiative verschoben

In der Schweiz stehen drei Volksinitiativen vor der Tür, welche direkt das Bauhauptgewerbe betreffen:

Biodiversitäts-, Gletscher- und Landschaftsinitiative.

• Zwecks Landschafts- und Artenschutz will die Biodiversitätsinitiative mehr Fläche reservieren. Die Definition und Grösse der Flächen sind aber ambivalent, weshalb der SBV die Initiative ablehnt. Den Gegenvorschlag hingegen könnten wir akzeptieren, weil der Nationalrat nun auf qualitative Verbesserungen statt quantitative Eingrenzungen setzt.

• Der SBV verfolgt wie die Gletscher-Initiative das Netto-Null-Ziel bis 2050. Aber ein Verbot von fossilen Brenn- und Treibstoffen ist grobschlächtig, wir lehnen deswegen die Initiative ab. Den Gegenvorschlag halten wir für akzeptabel. Aber wichtiger als Subventionen für Heizungsersatz sind gute Rahmenbedingungen zur Steigerung der Sanierungsquote im Gebäudepark. Bei einer Rate von knapp 1%, geht die Modernisierung des Gebäudeparks in der Schweiz viel zu langsam voran.

• Die Landschaftsinitiative begrenzt das Baugebiet und die Anzahl der Gebäude. Der SBV lehnt sie ab. Der Nationalrat hat die Behandlungsfrist auf Frühjahr 2024 verlängert.

 

Wie viel Naturschutz erträgt der Umweltschutz?

Praktisch in Überschallgeschwindigkeit hat das Parlament beschlossen, zugunsten der Energieversorgung die üblichen Bewilligungsverfahren teilweise auszusetzen. Der Ständerat entschied, dies sei bei Grosssolarwerken bis Ende 2025 der Fall. Der Nationalrat wollte nicht nachstehen und hebelte beim seit Jahren blockierten Ausbau des Grimsel-Stausees teilweise die normalen Rechtsverfahren aus. Mit einem dringlichen Bundesgesetz ermöglichte der Rat die Erhöhung der Staumauer um 23 Meter. Gerhard Moser, Zentralvorstand des Schweizerischen Baumeisterverbandes SBV, nimmt den Entscheid des Parlaments zufrieden zur Kenntnis: «Unsere Bewilligungsverfahren ermöglichen Einsprachen, und das ist im Grundsatz richtig. Es gibt aber wichtige Infrastrukturprojekte, deren Realisierung durch eben diese Einsprachen jahrelang verhindert wird. Das schadet den Interessen der Schweiz. Dass das Parlament es auch so sieht, ist ein positives Zeichen. Man muss sich schon fragen, wie viel Naturschutz der Umweltschutz erträgt. Es braucht Instrumente, damit wichtige Bauprojekte nicht jahrelang blockiert werden. Darum begrüsse ich den Mut des Parlamentes, einen gordischen Knoten zu zerschneiden.»

Um vermeintlichen Schutz ging es auch bei zwei weiteren politischen Geschäften. Die Motion 22.3019 wollte, dass weit gehende Normen der internationalen Arbeitsorganisation ILO etwa zum Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz im öffentlichen Beschaffungswesen berücksichtigt werden, obwohl die Schweiz diese Normen noch gar nicht ratifiziert hat. Die Motion 22.3020 gab vor, den Schutz vor sexuellem Missbrauch am Arbeitsplatz zu erhöhen. Ein Anliegen, das der SBV grundsätzlich unterstützt. Aber tatsächlich wollte die Motion die Lohngleichheit mit der Brechstange durchsetzen. Dieses Geschäft hätte dazu führen können, dass ein Betrieb einen statistischen Nachweis zur Lohngleichheit einreichen muss, wenn er sich für eine öffentliche Ausschreibung bewirbt. Dieser Nachweis wird oft mittels der Computerapplikation Logib vom Bund erbracht bzw. verlangt. Diese Applikation ist jedoch methodisch fehleranfällig, sie kann ungerechtfertigterweise eine Lohndiskriminierung ausweisen und dadurch bestand die Gefahr, dass Bauunternehmen fälschlicherweise von öffentlichen Aufträgen ausgeschlossen würden. Beide Motionen wurden nun vom Parlament abgelehnt und sind somit erledigt.

 

Angenommene AHV-Reform nützt FAR

Die Mitglieder des SBV haben mit 150 Baublachen im ganzen Land die Ja-Kampagne zur AHV-Reform unterstützt, die Geschäftsstelle hat weitere Kommunikationsmassnahmen ergriffen. Vielleicht hat dieser Effort etwas dazu beigetragen, dass das Volk die AHV-Reform am 25. September 2022 gutgeheissen hat. Die Abstimmung war auch für den Flexiblen Altersrücktritt (FAR) wichtig. Seitens Behörden wurde gelegentlich Druck ausgeübt, den FAR dem Freizügigkeitsgesetz zu unterstellen, obwohl der FAR im Umlage- und nicht Kapitaldeckungsverfahren finanziert wird. Die Unterstellung hätte höhere Kosten und einen grösseren administrativen Aufwand für den FAR bedeutet. Die nun gewonnene AHV-Bestimmung enthält einen Gesetzesartikel, der klarstellt, dass Vorsorgeeinrichtungen wie etwa der FAR nicht dem Freizügigkeitsgesetz unterstehen. Damit wurde eine wichtige gesetzliche Lücke geschlossen.

Keine Session ohne eine gewisse Enttäuschung. Die Zwangsabgabe für Radio und Fernsehen müssen auch Unternehmen entrichten. Der SBV hatte die Parlamentarische Initiative von Fabio Regazzi unterstützt, weil sie KMU mit bis zu 250 Mitarbeitern von der Abgabe befreien sollte, aber das Geschäft wurde vom Parlament versenkt.

 

 

 

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pic

Schweizerischer Baumeisterverband

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