Jede zweite öffentliche Ausschreibung mit Qualitätskriterien

Die öffentlichen Bauherren werden flexibler, sie suchen öfter das Gespräch mit den Ausführenden, um die bestmögliche Lösung für ihr Bauvorhaben zu finden.

Die öffentlichen Bauherren werden flexibler, sie suchen öfter das Gespräch mit den Ausführenden, um die bestmögliche Lösung für ihr Bauvorhaben zu finden.

Die Revision im öffentlichen Beschaffungsrecht ist mittlerweile fast im ganzen Land etabliert. Zuletzt folgten im Mai Jura und Nidwalden. Damit fehlen nur noch vier Kantone (Genf, Obwalden, Tessin und Appenzell-Ausserhoden).

In Klammern steht die Anzahl Publikationen im zweiten Quartal 2022 mit dem Kriterium. Quelle: Vergabemonitor der Schweizer Bauwirtschaft Sommer 2024.

 

Qualität in jedem zweiten Fall gefragt

Mit der Revision wurden neue Zuschlagskriterien definiert, die öffentliche Bauherren bei Ausschreibungen auf Simap anwenden können. Bei den Ausschreibungen für die Baubranche enthält rund die Hälfte Kriterien für die Qualität. Dies ist ein wichtiger Fortschritt, werden damit doch Wettbewerb und Leistung in den Fokus gestellt, die entsprechend monetär honoriert werden.

Preiskriterien mit untergeordneter Rolle

Zwei weitere Kriterien sollen faire Preise sicherstellen und vor Lohndumping schützen. Das Kriterium «Plausibilität des Angebots» spielt mit 0.7% schweizweit praktisch keine Rolle, aber der Bund wendet es in jedem zehnten Fall an, wenn er ein Bauprojekt ausschreibt. Hingegen wurde das Kriterium «Verlässlichkeit des Preises» im zweiten Quartal kein einziges Mal verlangt.

Projektwettbewerbe, Ideenwettbewerbe sowie Innovation – diese drei Kriterien fristen ebenfalls ein Nischendasein, sie wurden bei Bauleistungen zuletzt nur ein bzw. zwei Mal ausgeschrieben. Innovation ist selbst bei Architektur- und Ingenieurbüros nicht als Zuschlagskriterium gesucht.

Fortschritte bei Nachhaltigkeit

Die Baubranche ist das Zugpferd beim Dialogverfahren, 3.7% ihrer Ausschreibungen enthalten mittlerweile dieses Kriterium. Zugelassene Varianten (28%) und Nachhaltigkeit (6.3%) sind ebenso im Begriff, sich breiter zu etablieren.

Der Bund als öffentlicher Auftraggeber spielt mitunter eine Vorreiterrolle, er verwendet öfters die Kriterien Qualität, Dialogverfahren und Plausibilität als der Schweizer Durchschnitt.

Fazit

Die steigende Anwendung der Kriterien Qualität und Nachhaltigkeit zeigen, dass sich die Prioritäten für öffentliche Bauherren erfreulicherweise ausgeweitet haben und den Kostenfokus ergänzen. Sicherlich wird die Nachhaltigkeit in Zukunft bedeutsame. Ihre Ausbreitung wird noch dadurch gehemmt, dass oftmals weder Bauherr noch Ausführender eine genaue Vorstellung von der Umsetzung des Kriteriums haben. Der  SBV arbeitet an Lösungen, um die Anwendung des Kriteriums zu konkretisieren.

Die breitere Anwendung des Dialogverfahrens und der Zugelassenen Varianten deuten erfreulicherweise auf eine grössere Flexibilität der öffentlichen Bauherren hin. Sie zeigen sich zunehmend bereit, von Standardangeboten abzuweichen, um durch das Gespräch mit den Ausführenden bessere Lösungen für ihr Bauvorhaben zu finden.

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Über den Autor

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Martin Maniera

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