«Keine Anzeichen für eine Blase»

Fabian Waltert, Immobilienökonom Credit Suisse, spricht im Interview über die steigenden Immobilienpreise in der Schweiz, ordnet die Auswirkungen von Corona ein und macht eine Einschätzung über die weitere Entwicklung.

 

Die Preise für Immobilien sind in den letzten Jahren stets gestiegen. Aktuell findet man Einfamilienhäuser in Zürich für 3 Millionen Franken oder Reiheneinfamilienhäuser in der Aargauer Provinz für 1,2 Millionen Franken. Bei beiden Beispielen handelt es sich nicht um Neubauten. Wie beurteilen Sie diese Preise?

Die Preise variieren nicht nur regional, sie hängen auch stark von den spezifischen Objekteigenschaften und der Mikrolage ab. Für eine Beurteilung der Preise müssen alle diese Faktoren mitberücksichtigt werden. Obige Preise erscheinen zwar hoch, könnten jedoch durchaus marktkonform sein. Wohneigentum erfreut sich in der Schweiz nach wie vor grosser Beliebtheit. Die sehr tiefen Zinsen haben letztlich nicht nur die Preise von Renditeliegenschaften auf Rekordniveaus getrieben, sondern auch diejenigen von Wohneigentum. Die gegenwärtige Pandemie hat die Nachfrage noch zusätzlich gestützt. Gerade während des Lockdowns hat sich manch einer nach eigenen vier Wänden und eigenem Garten gesehnt. Gleichzeitig ist die Bereitschaft, weitere Distanzen zum Arbeitsort in Kauf zu nehmen - und damit von «erschwinglicheren» Eigenheimpreisen zu profitieren - gestiegen. Der Markt ist jedoch vielerorts ausgetrocknet, da aufgrund des begrenzten Bodens immer weniger Einfamilienhäuser gebaut werden. Das hat in den letzten Quartalen gerade auch in einigen nicht ganz so zentralen Regionen zu einem kräftigen Preisschub geführt. Und in Städten wie Zürich, wo Wachstum praktisch nur noch über eine Verdichtung möglich ist, sind Einfamilienhäuser inzwischen zum Luxusgut geworden – mit entsprechenden Preisen.

Droht eine Immobilienblase?

Wir sehen insgesamt keine Anzeichen für eine Blase. Die Preisanstiege bei Eigentumswohnungen und Einfamilienhäusern sind das Resultat einer hohen Nachfrage nicht nur nach Wohnraum, sondern eben auch nach Anlagemöglichkeiten bei gleichzeitig seit Jahren rückläufigem Angebot und nicht das Resultat spekulativen Verhaltens oder leichtfertiger Kreditvergabe.

Werden die Immobilienpreise wieder fallen? Wo?

Auch wenn wir keine Blase sehen: Nachhaltig ist das gegenwärtige Preiswachstum bei Wohneigentum (Wüest Partner: +6.6% zum Vorjahr) nicht. Wir erwarten daher mit der Zeit eine Beruhigung. Preisrückgänge auf breiter Front sind zurzeit nicht absehbar. Dazu bräuchte es eine starke Ausweitung des Baus von Wohneigentum, eine anhaltende Rezession oder deutliche Anstiege beim Zinsniveau. Heute spricht jedoch unseres Erachtens wenig dafür, dass eines dieser drei Szenarien bald eintreffen wird. Preisrückgänge dürften daher vorerst die Ausnahme bleiben. Allenfalls können Sie temporär in Regionen mit grösserer Ausweitung des Wohnungsbestands oder in Randregionen auftreten.

Es gibt immer mehr Private, die Immobilien wie Wohnungen nicht zum Eigengebrauch kaufen, sondern um sie zu vermieten. Wie beurteilen Sie diese Entwicklung?

Diese Entwicklung ist vor allem eine Folge des Negativzinsumfelds. Die tiefen Finanzierungskosten und der Mangel an attraktiven Anlagealternativen lässt nicht nur institutionelle, sondern auch private Anleger dem Ruf des «Betongolds» als Realwert mit stabilen Renditen folgen. Nicht selten werden dabei jedoch Kosten, etwa der Verwaltungs- und Unterhaltsaufwand für die Wohnung, oder Risiken wie das Leerstandsrisiko unterschätzt. Wer für den Erwerb des Objektes grosse Teile seines Vermögens einsetzt - und daneben eventuell auch noch selbstgenutztes Wohneigentum bewohnt -, dessen Vermögens-Portfolio ist oft schlecht diversifiziert, was sich etwa im Falle von Zinsanstiegen rächen könnte. Vermindern lässt sich das Risiko dann, wenn eine eine spätere Eigennutzung eine Option ist. Ausserdem stellen wir fest, dass viele solche vermieteten Eigentumswohnungen in zentrumsnahen Gemeinden stehen, wo die Leerstandsrisiken geringer und die Marktliquidität (im Falle eines späteren Verkaufs) grösser ist als in ländlicheren Regionen.

Welchen Einfluss hat Corona auf die Immobilienpreise?

Corona hat zu einer vorübergehenden Wachstumsbeschleunigung beim Wohneigentum geführt. Einige andere Immobiliensegmente, welche durch die Pandemie auch längerfristig unter Druck kommen, müssen sich jedoch auf ein geringeres Preiswachstum oder gar Preisrückgänge einstellen. Zu erwähnen sind hierbei etwa Büroflächen an dezentralen Lagen, Verkaufsflächen oder auf Geschäftskunden ausgerichtete Stadthotels. Gerade bei Letzteren werden auch Umnutzungen zunehmend ein Thema.

Wie wirkt sich das Home office aus?

Wie oben beschrieben führt das vermehrte Arbeiten von zuhause dazu, dass die Bereitschaft, in grösserer Distanz zum Arbeitsplatz zu wohnen bei einigen Haushalten steigt. Das erhöht insbesondere die Nachfrage nach Wohneigentum abseits der zentralen Lagen. Gleichzeitig werden Unternehmen zurückhaltender mit der Anmietung neuer Büroflächen. Durch Verlagerungen ins Homeoffice könnte sich der Büroflächenbedarf von Unternehmen innerhalb von 10 Jahren um rund 15 Prozent reduzieren. Effektiv wird es jedoch kaum zu einem solchen Nachfragrückgang kommen, da andere Effekte, etwa steigende Beschäftigungszahlen und ein steigender Büroflächenbedarf bei produzierenden Unternehmen, dem Minderbedarf entgegenwirken. Nichtsdestotrotz führt eine solche stagnierende Nachfrage zu steigenden Leerständen und anhaltendem Druck auf die Büromieten.

Über den Autor

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Susanna Vanek

Redaktorin / Spezialistin Kommunikation

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