Kreislaufwirtschaft: Der politische Willen fehlt

Bund, Kantone und Gemeinden: Auf allen Staatsebenen gibt es wichtige Stellschrauben, um die Kreislaufwirtschaft in der Baubranche voranzutreiben. 

 

Seit Herbst 2020 beschäftigt sich eine Subkommission der Kommission für Umwelt, Raumplanung und Energie des Nationalrats (UREK-N) mit der Kreislaufwirtschaft. Ein Thema, dass den Baumeistern bestens vertraut ist, denn sie verwerten bereits über 70% der Abfälle aus Aushub und Rückbau. Obwohl es an sich erfreulich ist, dass sich auch die Politik mit diesem wichtigen Thema auseinandersetzt, lassen die ersten Konsultationen, zu denen auch die Verbände der Baubranche eingeladen waren, vermuten, dass die für Mai 2021 erwarteten Resultate zu einer Überregulierung tendieren, die sich schlussendlich als kontraproduktiv herausstellen könnte. Denn schon heute ist der gesetzliche Rahmen gespickt mit sich widersprüchlichen Vorschriften, was zwangsläufig zu Blockaden führt. Um die Entwicklung der Kreislaufwirtschaft in der Bauwirtschaft voranzutreiben, braucht es vielmehr klare Rahmenbedingungen, die auf die Praxis ausgelegt sind und auf innovative Lösungen setzen.

Recyclingbreton: Die öffentlichen Bauherren sollten mit gutem Beispiel vorangehen 

Die Herausforderung ist riesig, denn die Baubranche verursacht 84% aller Abfälle in der Schweiz. Der Erfolg der Kreislaufwirtschaft in unserem Land ist daher von unserer Branche abhängig. Die Baumeister nehmen ihre Verantwortung im Bereich des Umweltschutzes sehr ernst und rezyklieren bereits heute 75% des Aushubmaterials und 70% der Abfälle aus dem Rückbau. Gleichzeitig beträgt der Anteil an Recycling-Beton in heutigen Bauwerken nur gerade 20%, denn die Bauherren sind weiterhin zögerlich, obschon die technischen Eigenschaften von Recyclingbeton wissenschaftlich belegt sind. Die öffentliche Hand, die rund die Hälfte aller Aufträge der Baubranche ausmacht, kann eine entscheidende Rolle spielen in der Entwicklung der Kreislaufwirtschaft, indem sie in ihren Projekten den Einsatz von Recycling-Materialien verlangt.

Das Recycling ist also wichtig, aber es reicht nicht, wenn die Materialien der Kreislaufwirtschaft am Ende nicht eingesetzt werden. Zusätzlich zu den regulatorischen Einschränkungen, die die Legislative so rasch wie möglich aufheben sollte, braucht es auch einen politischen Willen, um die Wiederverwertung von Baumaterialien voranzutreiben und damit das volle Potential der Kreislaufwirtschaft in der Baubranche auszuschöpfen.

Deponien: Es braucht lokale Lösungen

Aktuell landen pro Jahr rund fünf Millionen Tonnen Abbruchmaterial in Mülldeponien oder Kehrichtverbrennungsanlagen. Dabei scheint nur schon der Begriff «Deponie» die Kantone zusehends aufzuschrecken, die das Thema aus Angst vor einer Konfrontation mit einem Teil der Bevölkerung verschweigen. Als Folge davon müssen immer grössere Distanzen, teilweise mehrere Hundert Kilometer, zurückgelegt und oft ins Ausland ausgewichen werden, um zur nächsten Deponie zu gelangen. Diese Tatsache steht im kompletten Widerspruch zu den Nachhaltigkeitsgrundsätzen. Ohne politischen Mut wird sich die Problematik der fehlenden Deponien auf lokaler Ebene in Zukunft noch verstärken. Die Kreislaufwirtschaft berücksichtigt die ganze Wertschöpfungskette. Die zuständigen Stellen müssen sich dem Thema annehmen und sicherstellen, dass die Materialien, die nicht wiederverwertet werden können, auf lokaler Ebene aufbereitet werden können.

CO2-Reduktion, Verdichtung und Wohnungsbau in Einklang bringen 

Die Schweizer Bevölkerung wächst konstant und wird in rund zwei Jahrzehnten die 10-Millionen-Marke knacken. Bevölkerungswachstum heisst immer auch erhöhter Wohn- und Infrastrukturbedarf. Die Baubranche bietet konkrete Lösungen für diese gesellschaftlichen Probleme, unter anderem mit der Verdichtung der bebauten Fläche, um die Ressource Boden zu schonen. So entstehen beispielsweise in der Stadt Zürich in 90% der Fälle Neubauten auf zuvor bereits bebauter Fläche. Grundsätzlich wird heute jede zurückgebaute Wohnung durch zwei neue ersetzt, bei gleichzeitiger Verdreifachung der Wohnfläche. Ersatzneubauten, deren Energieverbrauch im Schnitt zwischen vier- und siebenmal tiefer ist als jener von Gebäuden mit Baujahr vor 1980, werden daher eine immer wichtigere Rolle spielen, um die Verdichtungs- und Klimaziele der Schweiz zu erreichen. Diese dringend notwendige Modernisierung des Gebäudeparks wird auch viel Abfall produzieren, wenn man bedenkt, dass das Abfallvolumen der Baubranche aktuell rund 74 Millionen Tonnen beträgt.

Innovative Lösungen 

Es ist daher zwingend, diese Abfälle in den Materialkreislauf aufzunehmen und sie so als Ressource weiterzuverwenden. Technische Lösungen gibt es bereits auf allen Ebenen der Wertschöpfungskette, und die verschiedenen Akteure setzen weiterhin auf Innovation. So werden beispielsweise immer nachhaltigere Beton-Typen entwickelt. Mittelfristig soll Beton übrigens in der Lage sein, CO2 aus der Atmosphäre zu speichern und so eine negative CO2-Bilanz aufzuweisen. In der Schweiz existieren solche Innovationen bereits und könnten in den nächsten Jahren grossflächig industrialisiert werden.

Der heute von gewissen Kreisen verschriene Baustoff Beton könnte sich somit nicht als Problem, sondern vielmehr als Lösung herausstellen. Denn wenn der Beton in Zukunft CO2 speichern kann und die Rahmenbedingungen gegeben sind für die Aufbereitung der heutigen Abfälle als Ressource von morgen, dann sitzt die Schweiz auf einer wahren Goldgrube, mit einem Gebäudepark, der gemäss Schätzungen des Bundesamtes für Umwelt aus aktuell rund 3.2 Milliarden Tonnen Kies, Sand und Zement besteht. Die Ressource ist also vorhanden, hier und jetzt, und kann auf lokaler Ebene aufgewertet werden. Gleichzeitig können so die Klima- und Verdichtungsziele der Schweiz erreicht und die steigenden Bedürfnissen der Bevölkerung in Sachen Wohnraum und Infrastruktur erfüllt werden.

Über den Autor

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Corine Fiechter

Mediensprecherin / Spezialistin Kommunikation

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