Lehrlinge finden via Tiktok

Tiktok-Videos statt Stellenanzeigen: Ein Luzerner Tiefbau-Unternehmen holt die Jungen dort ab, wo diese täglich virtuell abhängen. Und das mit grossem Erfolg, wie die Klickzahlen zeigen.

 

Einmal im Monat ist Showtime. Dann steht der 26-jährige Emanuel Marques alias Nino für seinen Arbeitgeber, die Lötscher Tiefbau AG aus Luzern, vor der Kamera – und schwingt gerne auch mal die Hüften. Die Mission des tanzbegeisterten angehenden Strassenbauers EFZ: Den Teenagern in unterhaltsamen Videoclips von der Baustelle aufzeigen, dass arbeiten auf dem Bau cooler ist, als sie denken. Nach einem Drehtag unter Federführung der spezialisierten Agentur ist jeweils das Rohmaterial für acht bis zehn Tiktok-Kurzfilme im Kasten, in denen Nino mit gängigen Vorurteilen aufräumt. Er arbeitet mit modernsten Maschinen statt nur mit Schaufel und Pickel. Und er erläutert etwa in einem Video, dass man in einer Lehre bei Lötscher sehr wohl gut verdienen kann, nämlich mit Leistungslohn bis zu 2500 Franken pro Monat.

 

Gegensteuer geben

«Das Image der Bauberufe ist nicht gut», sagt Anita Krummenacher, Marketingverantwortliche der Lötscher Plus Gruppe, die 380 Mitarbeitende beschäftigt. Viele Junge würden die Arbeit auf der Baustelle mit körperlichem Schuften bei Wind und Wetter gleichsetzen. Sie dächten, dass eine Lehre auf dem Bau etwas für Leute mit schlechten Schulnoten sei und würden die tollen Karrieremöglichkeiten übersehen. «Daran wollen wir mit unserem Tiktok-Auftritt etwas ändern», so Krummenacher. Seit Anfang September setzt die Lötscher Plus Gruppe im Kampf um junge Talente konsequent auf die chinesische Social-Media-Plattform mit den charakteristischen Kurzfilmen, die bei der Zielgruppe der Schulabgänger äusserst beliebt sind. Vor dem Dreh werden jeweils die Themen vorbesprochen. Die Agentur schreibt dann die passenden Scripts und übernimmt die Produktion mit hochwertiger Filmausrüstung, kümmert sich um den regelmässigen Upload der Tiktok-Videos und pflegt die Community auf dem Sozialen Netzwerk.

 

Ermutigender Start

Lötscher kauft sich dieses professionelle Know-how für einen monatlichen Pauschalpreis ein. Denn das Unternehmen ist überzeugt, dass gute Umsetzungsideen und die richtige Bildsprache der Schlüssel zum Erfolg auf Tiktok sind. Tatsächlich ist die Lötscher Plus Gruppe mit ihren unterhaltsamen Videos fulminant gestartet. «Unseren ersten Tiktok-Film hatten sich nach nur einer Stunde schon über 10’000 Personen angeschaut», erinnert sich Krummenacher. «Damit hatten wir wirklich nicht gerechnet!» Mittlerweile erreichen die Filme mit Nino oftmals mehr als 100’000 Zuschauerinnen und Zuschauer, die Anzahl der Follower ist auf 5000 geklettert. Diese Reichweite hat sich bei Lötscher bereits in mehr Anfragen für Schnupperlehren niedergeschlagen. Werden also bald weitere Bauunternehmungen der Luzerner Pionierin nacheifern und auf Tiktok um Nachwuchs buhlen? Nochmals Krummenacher: «Unsere Branche muss mit der Zeit gehen und wird neue Wege beschreiten.»

Gabriel Diezi

 

Tiktok-Kanals der Lötscher Plus Gruppe

Über den Autor

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Schweizerischer Baumeisterverband

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