Mitglieder@SBV: Austausch zur Baukonjunktur

Zusammen mit seinen Mitgliedern hat der SBV am 13. September 2022 erstmals einen direkten Online-Austausch zur Baukonjunktur durchgeführt. Nachdem der SBV seine Statistik-Angebote zur Konjunktur und Beschäftigung vorgestellt hat, wurden die Themen Baumaterialpreise, Zinsen und Konjunkturprognose diskutiert. Die Unterlagen und eine Aufzeichnung der Veranstaltung finden Sie am Ende dieses Artikels.

 

Das Bauhauptgewerbe sieht sich derzeit mit mehreren, grossen Unsicherheiten gleichzeitig konfrontiert: Ist Baumaterial verfügbar und wird es noch teurer? Was geschieht, wenn der Strom knapp wird? Wie wirken sich die steigenden Zinsen auf die Bautätigkeit aus?

 

Breites Statistik-Angebot

Der SBV hat sich mit seinen Mitgliedern online über Microsoft Teams zu diesen Fragen ausgetauscht. Zahlen, Daten und Fakten können bei solchen Unsicherheiten Orientierung bieten. Deshalb hat der SBV zunächst seine statistischen Angebote auf baumeister.ch vorgestellt. Die Zahlen zur Auftragslage und Beschäftigung können interaktiv und individuell gestaltet werden. Nutzer können die Diagramme direkt von der Website kopieren und in ihre Präsentation und Berichte einfügen. Die Daten stehen auf Stufe Bund und Region zur Verfügung. Ab Oktober wird der SBV ein neues Angebot auf Stufe Kanton bieten: Die Anzahl der öffentlichen Ausschreibungen und das Franken-Volumen der öffentlichen Zuschläge von simap.ch werden aggregiert auf baumeister.ch abrufbar sein.

 

Baumaterial: Preise und Verfügbarkeit

Im Bauhauptgewerbe sind noch immer 40 Prozent der Firmen von Lieferengpässen betroffen. Früher galt: kurzfristige Planung, rasche Bestellung und just-in-time-Lieferung. Heute muss man das Material Monate im Voraus bestellen. Immerhin konnten dadurch Baustellenstopps weitgehend vermieden werden. Es gibt nur vereinzelt Projekte, deren Baubeginn wegen Materialengpässen verschoben werden musste. Für Baufirmen bedeutet dies aber höhere Lagerkosten und eine Belastung der Liquidität, weil sie das Geld für das Baumaterial für eine längere Zeit vorstrecken müssen.

Bei vielen Materialien hat die hohe Teuerung vorerst ihren Höhepunkt erreicht. Im Juli und im August sind die Preise diverser Materialien seitwärts gelaufen, die Preise für Rohöl und Stahl sind gesunken. Je nach Material könnten die Preise in den nächsten Monaten weiter sinken - oder aber erneut ansteigen. Die Unsicherheit bei den Preisprognosen ist sehr gross.

Die Mechanismen und Vertragsvereinbarungen zu Preisentwicklungen (SIA oder auch KBOB Empfehlungen) funktionieren in beide Richtungen. Wenn die Preise für das Baumaterial stark fallen sollten, könnten Bauherren einen Preisnachlass fordern.

Strom und Gas drohen knapp zu werden, die Energiepreise sind bereits gestiegen. Dadurch könnten insbesondere Zement und Stahl teurer werden. Bei Stahl wird die inländische Produktion eventuell gedrosselt, wodurch dessen Verfügbarkeit sinken würde. Es wird geprüft, ob die potentielle Lücke durch Importe geschlossen werden kann.

Die Energie auf Baustellen muss in der Regel vom Bauherren bereitgestellt werden. Sollten Mehrkosten durch Stromunterbruch für die Baufirma entstehen, bestehen gute Chancen, dass sie diese beim Bauherren einfordern kann.

 

Zinserhöhung bremst Umsatzwachstum

Die höheren Preise bekommen nicht nur Baufirmen zu spüren, sondern auch die Konsumenten. Aufgrund der Inflation steigen die Zinsen in der Schweiz. Der Leitzins liegt derzeit bei -0.25 Prozent. Er dürfte bereits im September erneut steigen und Ende Jahr bei 0.5 Prozent liegen. Die Banken erwarten, dass der Leitzins Ende 2023 1.0 Prozent beträgt.

Über die letzten Dekaden ist die reale, das heisst preisbereinigte, Bautätigkeit mit durchschnittlich 2 Prozent pro Jahr gewachsen. Wenn der Zins um 1 Prozent steigt, so wird das Umsatzwachstum im ersten und im zweiten Jahr um 0.5 Prozentpunkte gebremst. Mit anderen Worten: in den ersten beiden Jahren wächst die Bautätigkeit nicht mehr mit 2 Prozent, sondern jeweils mit circa 1.5 Prozent. Die ersten Auswirkungen auf das Umsatzwachstum im Bauhauptgewerbe werden sich ab Sommer 2023 graduell bemerkbar machen.

 

Hochbau mit gutem Wachstum

Zinsen sind nicht der einzige Einflussfaktor auf die Bautätigkeit. Für den Zeitraum vom Herbst 2022 bis Sommer 2023 dürfte der Umsatz im Bauhauptgewerbe nominell um etwa 5 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum wachsen. Die Wachstumsrate ist nach oben hin verzerrt, weil die Preise für Baumaterialien den Umsatz künstlich erhöhen. Die reale Bautätigkeit wächst langsamer.

In der Sparte Wirtschaftsbau ist in den kommenden vier Quartalen, und vermutlich darüber hinaus, mit einer positiven Dynamik zu rechnen. Die Leerstandsquote ist 2022 auf den tiefsten Stand seit sechs Jahren gesunken, die Mietpreise steigen und die Baugesuche für Wohnungen haben um 8 Prozent im ersten Semester dieses Jahres gegenüber der Vorjahresperiode zugenommen.

Die Baugesuche deuten darauf hin, dass im Hochbau die Bautätigkeit in der Ostschweiz und in der Zentralschweiz auf mittlere Sicht stark zulegen dürfte. Auch die grösseren Kantone Bern, Aargau, Zürich und Tessin zeigen ein erfreuliches Wachstum. Das Bild für die Romandie ist gemischt: Genf und Wallis dürften stark wachsen, die Waadt und Fribourg etwas stagnieren, hingegen Neuchâtel und Jura abnehmen.

Im Tiefbau wurde eine starke Zunahme der öffentlichen Aufträge im Jahr 2021 beobachtet. Wegen der Corona-Pandemie wurden Aufträge aus dem Jahr 2020 endlich nachgeholt, aber teils auch aus 2022 vorgezogen. Die Luft ist bei neuen Tiefbau-Aufträgen vorerst etwas raus, weshalb diese Sparte in den kommenden Quartalen langsamer wachsen dürfte als der Hochbau.

 

Link zur Präsentation

 

 

Über den Autor

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Martin Maniera

Ökonom & wissenschaftlicher Mitarbeiter Politik

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