Nachhaltigkeit im Infrastrukturbau

Kaum eine Debatte, ein Bericht oder ein Produkt kommt heute ohne Bezug zur Nachhaltigkeit aus. Sie wird gefordert, gefördert, angeboten, gehandelt, konsumiert – rund um die Uhr und weltweit. Nachhaltige Kriterien im Infrastrukturbau können den Wettbewerb positiv verändern.

Nachhaltigkeit ist mehr als nur ein allgegenwärtiger Begriff: Seit dem 1. Januar 2021 ist Nachhaltigkeit auch im neuen Bundesgesetz über das öffentliche Beschaffungswesen (BöB) verankert. Das BöB präzisiert, dass Nachhaltigkeit auf den drei Säulen Umwelt, Wirtschaft und Gesellschaft ruht. Doch auch wenn der Begriff in der Bauwirtschaft rege verwendet wird, ist noch weitgehend unklar, wie er genau anzuwenden ist. Im neuen Gesetz taucht der Begriff dreimal auf, jedoch ohne Erläuterungen oder Hinweise zur Anwendung. Für den Infrastrukturbau spielt das Thema Nachhaltigkeit eine wichtige Rolle im Qualitätswettbewerb. Kann die Bauwirtschaft überhaupt nachhaltig sein? Und wenn ja, wie finden wir alle zusammen die sinnvollen Kriterien?

Grundlagenarbeit ist geleistet

Der Infrastruktur-Standard für nachhaltiges Bauen Schweiz (SNBS Infrastruktur) steckt den Rahmen ab, da- mit diese Fragen beantwortet werden. Es fehlt nur noch das Stichwort Qualität im Titel. Der Standard berücksichtigt alle wichtigen Themenfelder für den Bau und alle drei Dimensionen: Umwelt, Wirtschaft und Gesellschaft, mit Blick auf die Zukunft und nachfolgende Generationen. Der Infrastrukturbau kann und will nachhaltig sein. Es braucht nur den Willen zur Umsetzung und einen Mindestgrad an unternehmerischen Freiheiten. Das Rad ist bereits erfunden.

Zudem hat Infra Suisse bereits im Sommer 2020 das Werkzeug InfraEco zur Verfügung gestellt. Entwickelt wurde es in Zusammenarbeit mit der Fachhochschule OST. InfraEco ist ein Online-Tool zur einfachen Erstellung von Ökobilanzen im Infrastrukturbau, basierend auf dem Kalkulationsschema der Bauunternehmen. Zudem engagiert sich Infra Suisse in den relevanten Organisationen und entwickelt für die Bauwirtschaft weiterhin wichtige und nützliche Werkzeuge.

Die Dimension Umwelt nimmt schon heute einen hohen Stellenwert ein und hat durch das Umweltschutzgesetz einen ambitionierten, klaren Rahmen erhalten. Wie steht es im Infrastrukturbau um die Dimensionen Gesellschaft und Wirtschaft?

Gesellschaft und Wirtschaft im SNBS

Der SNBS Infrastruktur enthält verschiedene Kriterien, welche für die gesellschaftliche Dimension relevant sind. G 2.4 thematisiert die sinnvolle und faire Risikoverteilung unter den Vertragsparteien, G 2.2 behandelt das sozial- verträgliche Verhalten, das besonders in Zusammenhang mit Nacht- und Wochenendarbeiten wichtig ist, die zunehmend ausgeschrieben werden. Zudem ist die verantwortungsvolle Beschaffung entscheidend: Die Rahmenbedingungen für Ausschreibungen dürfen nicht nur Grossfirmen die Chance auf den Zuschlag ermöglichen. Es geht um eine angemessene Dauer zur Erstellung der Angebote, tiefe administrative Hürden, den frühen Einbezug der Unternehmer und weitere prozessuale Vereinfachungen.

Was sich wie eine Wunschliste anhört, sind also klare Kriterien aus diesem Standard. Auch die nachhaltige Wirtschaftsentwicklung nimmt hierin einen wichtigen Stellenwert ein. Regional verfügbare Rohstoffe sowie regional verfügbare Ressourcen und Kompetenzen können einerseits Anfahrtswege optimieren und andererseits Unternehmen, die in unterschiedlichen Regionen ansässig sind, eine echte Chance bieten, am Markt teilzunehmen. Die Ansprüche an Regionalität sind in Einklang zu bringen mit den Regelungen des Beschaffungsrechtes, welches eine pauschale Bevorzugung von inländischen Unternehmen verbietet.