«Neues BöB ist eine Chance für die Kreislaufwirtschaft»

Chinesisches Gestein hat wegen den Arbeitsbedingungen vor Ort einen schlechten Ruf. Wer zu verhindern versuchte, dass diese Steine des Anstosses bei uns verbaut wurden, biss bisher auf Granit. Wird das revidierte BöB dafür sorgen, dass die öffentlichen Bauherren künftig vermehrt auf die Provenienz und die Nachhaltigkeit der verkauften Baustoffe achten werden?  

 

Die «Chinesische Mauer» steht in Zürich. Natürlich nicht die richtige. Umweltschützer haben einer Fassade an der Europaallee diesen Übernamen gegeben. Die Steinfassade hat auf ihrem Weg zur Baustelle in Zürich sage und schreibe 43 000 Kilometer zurückgelegt, weil Steine aus einem deutschen Steinbruch in China bearbeitet wurden, bevor sie nach Zürich verschifft wurden. Die SBB als Bauherrin erhielt dafür einen Schmähpreis und einiges an Spott, als sich herausstellte, dass die Fassadenelemente beim langen Transport beschädigt worden waren., Sie machte aber geltend, das Beschaffungsrecht habe ihr keine anderen Möglichkeiten gelassen. Nicht nur im Hochbau, auch im Tiefbau werden viele chinesische Steine verbaut. Kritiker führen ins Feld, dass die Arbeitsbedingungen bei den chinesischen Produzenten unseren europäischen Standards bei weitem nicht genügen. Selbst der Verdacht der Kinderarbeit steht im Raum. Zudem wurde im Verpackungsholz der Steine bereits der sehr gefährliche Asiatische Laubholzbockkäfer eingeschleppt.

Aktuell werden in Nidwalden an der Buochserstrasse Randsteine aus China verbaut. Das warf bei Landrat Toni Niederberger (SVP) Fragen auf. Baudirektor Josef Niederberger lieferte ihm im Parlament Antworten. Er machte Preisgründe für die Bestellung geltend, weiter seien diese vom beauftragten Unternehmen bestellt worden. Der freie Beschaffungsmarkt führe dazu, dass der Kanton nur marginal Einfluss nehmen könne. Die Herkunft der Natursteine müsse aber deklariert werden und es werde überprüft, ob Kinderarbeit ausgeschlossen werden könne. Zudem würden die Verpackungen kontrolliert.

«Kanton kann Einfluss nehmen» 

Die Aussage «grundsätzlich obliegt in der Regel die Bestellung der Abschlusssteine – meist ist das Massenware – den beauftragten Unternehmen.», wird vom Bundesverwaltungsrichter und Beschaffungsrechtspezialisten Marc Steiner relativiert. «Nach Bundesrecht (BöB) ist die Auftraggeberseite gehalten, den gesetzlichen Mindestanforderungen Nachachtung zu verschaffen, wonach die ILO Kernarbeitsnormen, welche unter anderem die Kinderarbeit betreffen, in der Lieferkette eingehalten werden. Auch nach (inter)kantonalem Recht kann die Vergabestelle dazu durchaus Vorgaben machen und Nachweise verlangen. Aber es würde mich überraschen, wenn die Nidwaldner hier ein Label verlangt hätten, welches als Nachweis kinderarbeitsfreier Herstellung taugt. Denn oft spielt es für die öffentliche Hand keine Rolle, was für Steine geliefert werden, solange sie billig sind.» Solche Label zu sozialen Standards in der Steinproduktion gibt es tatsächlich (vergleiche  zum Beispiel win-win fair stone, mehr dazu auf www.fairstone.org).

Globale Einflüsse 

Die Globalisierung der Warenflüsse hat aber nicht nur die – für die einen! – angenehme Seite, dass so billige Produkte in die Schweiz gelangen. Die aktuelle Verknappung der Baumaterialien und die massiven Preissteigerungen zeigen die Schattenseiten auf. Sie betreffen auch die Baubranche. Kurt A. Zurfluh, Geschäftsführer der Zentralschweizerischer Baumeisterverbände, sagt, dass er Baustellen kenne, die Verzögerungen in Kauf nehmen mussten, weil Baumaterialien fehlten.

Mehr Nachhaltigkeit 

Thomas Meier, Geschäftsführer des Steinbruchs Guber AG, Alpnach OW, dessen Unternehmen sich quasi einen «Steinwurf» von der Baustelle in Nidwalden mit den chinesischen Steinen befindet, hofft auf das neue BöB. Nachhaltigkeit müsse bei öffentlichen Vergaben höher gewichtet werden, wie etwa die CO2-Bilanz. In die gleiche Kerbe haut auch Landrat Toni Niederberger, der erläutert, kein Grüner zu sein. Es gehe vielmehr um die Vernunft, darum, Sorge zu tragen zum eigenen Land. Die Schweiz solle eigene Rohstoffe nutzen.

Für Adrian Forrer, Präsident von Ressources Suisses, ist das neue Beschaffungsrecht BöB eine Chance für Schweizer Produzenten. Damit werde die Kreislaufwirtschaft gestärkt, betont er. Der Verein Promotion Ressources Suisses unterstützt die öffentlichen Beschaffungsstellen und privaten Auftraggeber bei der Definition und der Implementierung von ökologischen und sozialen Standards für nachhaltiges Bauen. Die Mitglieder verpflichten sich, mehrheitlich Rohstoffe aus der Schweiz zu verwenden und dabei möglichst sparsam und ökologisch mit den natürlichen Ressourcen umzugehen sowie hohe Arbeits- und Sozialstandards einzuhalten. Forrer verweist auf ein Faktenblatt, bei dem es sich derzeit aber nur um eine Empfehlung handelt.

Faktenblatt für Planer 

Dieses Faktenblatt haben die Koordinationskonferenz der Bau- und Liegenschaftsorgane der öffentlichen Bauherren KBOB und das Netzwerk Nachhaltiges Bauen Schweiz NNBS für Planer entwickelt, Es zeigt auf, wie Ausschreibungen ausformuliert sein sollen. Das dort vorgestellte Bewertungstool wurde an sechs Pilotprojekten in unterschiedlichen Infrastrukturbereichen erfolgreich getestet. Bei allen Projekten hat der Standard Verbesserungs- und Optimierungsbedarf aufgedeckt.

Für den SBV ist wichtig, dass KMU-taugliche Wege für die Gewichtung des Zuschlagkriteriums Nachhaltigkeit gefunden werden. Das sei beim Bewertungstool des Faktenblatts der Fall. Die Förderung der Kreislaufwirtschaft ist eines der strategischen Ziele des SBV. Mit dem neuen BöB, für das sich der SBV sehr stark eingesetzt hat, sind die Weichen richtig gestellt.

Aussage vom Natursteinverband Schweiz 

Hansjakob Bärlocher, Vorstandsmitglied des Natursteinverbandes NVS, findet klare Worte: «Aus unserer Sicht ist der Staat in der Pflicht, die Ausschreibungen so zu gestalten, dass diese Diskussion, die schon seit Jahren geführt wird, beendet wird. Jeder Steuerzahler hinterfragt dieses Problem und versteht es nicht, wenn chinesische Randsteine verbaut werden.»

Der Ball liegt nun bei der öffentlichen Hand. Fest steht: Affaire à suivre.

Über den Autor

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Susanna Vanek

Redaktorin / Spezialistin Kommunikation

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