Politposse statt Rentenreform

Statt Lösungen für die dringend nötigen Reformen der 1. und 2. Säule zu suchen, betreiben die Gewerkschaften mit einer fragwürdigen Demonstration einmal mehr Polemik und gefährden durch ihre Blockadehaltung die Sicherung der Renten. Ausserdem wollen sie ein zentrales Umverteilungselement in der 2. Säule einführen.

Bekanntermassen sind die ersten beiden Säulen der Altersvorsorge reformbedürftig. Die AHV wird ohne Massnahmen Milliardendefizite einfahren und die Berufliche Vorsorge kann die hohen Umwandlungssätze wegen der demographischen und der Zinsentwicklung nicht mehr tragen. Und doch haben die Gewerkschaften diesen Samstag, 18. September zu einer Demonstration in Bern aufgerufen, um negative Stimmung zu verbreiten gegen die wichtigen anstehenden Reformen der 1. und der 2. Säule.

Unwahre Behauptung «Rentenklau»

Die Gewerkschaften haben die Demonstrationen unter den Slogan «Rentenklau: Jetzt reicht es!» gestellt. Es irritiert, wie die Gewerkschaften die Reformen der 1. und der 2. Säule eigenwillig interpretieren. Bei der anstehenden AHV-Reform soll das Rentenalter für Frauen von 64 auf 65 Jahre angehoben und damit jenem der Männer angeglichen werden. Diese für die Sanierung der 1. Säule wichtige Gleichstellung der Geschlechter wird missbraucht, um die wichtige Reform gerade für Menschen mit tieferem Einkommen zu torpedieren und zu gefährden. Das ist verantwortungslos.

Die Reform kürzt die Renten der jetzigen Pensionäre nicht. Eine Übergangsgeneration von Frauen muss nur ein paar Monate mehr arbeiten, da das Rentenalter stufenweise über mehrere Jahre angehoben wird und nicht ruckartig. Dass die Gewerkschaften deswegen von einem «Diebstahl» sprechen, ist höchst befremdlich. Frauen leben 3.5 Jahre länger als Männer und trotzdem kommt niemand auf die Idee, von einem «Lebensklau» zu reden.

Schon heute ist die AHV die grösste Umverteilungsmaschinerie der Schweiz: Sei verteilt von reich zu arm, von jung zu alt, aber auch von männlich zu weiblich um. Die Renten vieler alleinstehender Frauen sind höher als diejenigen alleinstehender Männer. Und Ehefrauen und Ehemänner teilen sich bekanntlich ihre Renteneinkommen, so dass beiden genau gleich viel Geld zur Verfügung steht.

Rentengeschenke im Giesskannenprinzip selbst an Millionäre

Wie die 1. wird auch an der 2. Säule, der Beruflichen Vorsorge, gefeilt. Die Gewerkschaften haben einen Reformvorschlag in die politische Diskussion eingebracht, bei der die ersten 15 Jahrgänge Rentenzuschläge zwischen 1200 und 2400 Franken erhalten, pauschal, ein Leben lang. Dabei differenzieren sie nicht, ob jemand als Millionär bereits über ein hohes Altersguthaben verfügt und daher überhaupt auf den Zuschlag angewiesen ist. Diese Grosszügigkeit auch für Leute, die das einfach nicht brauchen, soll durch eine neue Lohnabgabe für die arbeitenden Frauen und Männer finanziert werden.

Im Ergebnis wollen die Gewerkschaften also, dass Frauen nicht länger arbeiten und selber vorsorgen, stattdessen sollen sie mehr von ihrem Lohn abgeben. Dies ist bitter, wenn man zudem bedenkt, dass es bei dem BVG-Reformvorschlag der Gewerkschaften mehrere Jahrgänge gibt, die einen Rentenverlust einfahren würden.

Der Schweizerische Baumeisterverband dagegen hat zusammen mit anderen Verbänden ein nachhaltiges und bezahlbares «Mittelweg»-Modell als Reformlösung eingebracht. Dank einem tieferen, individuellen Koordinationsabzug und den angepassten Altersgutschriften können insbesondere Personen mit einem vergleichsweise tiefen Lohn, wie beispielweise Frauen in Teilzeitarbeit, ihre Renten aufbessern.

Reformen nicht willentlich torpedieren

Das Parlament scheint bei beiden Reformen auf dem richtigen Weg zu sein. Bei der AHV-Reform setzt das Parlament Anreize, damit Männer und Frauen länger arbeiten. Die vorgestellten Modelle zur Kompensation der Frauenübergangsgeneration sichern bereits die Mehrheit im Volk beim Referendum. Nun ist aber Vernunft bei den Gewerkschaften und anderen linken Kreisen gefragt: Sie sollten die Reformen nicht willentlich torpedieren und um weitere Jahre zu verzögern, nur damit sie den Schuldenberg bei der Altersvorsorge im Jahr 2024 immer noch als Wahlthema bewirtschaften können.

Über den Autor

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Martin Maniera

Ökonom & wissenschaftlicher Mitarbeiter Politik

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