Qualität und Unabhängigkeit der Medien, Quo vadis?

Eine gesunde und funktionierende Demokratie beruht – und das sollte man sich von Zeit zu Zeit in Erinnerung rufen – auf der Gewaltentrennung zwischen Legislative, Exekutive und Justiz sowie auf deren Unabhängigkeit. Bereits gegen Ende des 18. Jahrhunderts kam eine vierte Gewalt hinzu, jene der Presse. Heute ist es nicht mehr nur die Presse, sondern die Medien im Allgemeinen, die als aufmerksame, unparteiische und mutige Beobachter agieren und den Souverän unabhängig informieren; die Medien als vierte Gewalt, die über die anderen drei wacht.

Am kommenden 13. Februar stimmen wir über ein Gesetz ab, das eine weitere staatliche Finanzierung der Medien vorsieht. Die Befürworter halten diese Unterstützung für unerlässlich, um die Medienvielfalt zu gewährleisten und argumentieren, dass nur eine in hohem Masse diversifizierte Medienwelt zu einer hohen Informationsqualität führt. Unser Kanton bietet sich an, um diese Argumentation zu überprüfen.

Im Tessin werden die Medien dank unseres Status als sprachliche Minderheit seit Jahrzehnten grosszügig finanziell unterstützt. Das führt zur Qual der Wahl zwischen verschiedenen Radio- und Fernsehsendern, Zeitungen und Online-Portalen. Bevor wir den Stimmzettel ausfüllen, sollten wir uns fragen, ob diese Übersättigung des Medienmarktes, wie wir sie im Tessin kennen, wirklich zu einer höheren Qualität und einer besseren Information geführt hat als in anderen Regionen unseres Landes. Es ist eher genau das Gegenteil der Fall: Um sich voneinander zu differenzieren, sehen sich die einzelnen Medien gezwungen, über lokale Banalitäten zu informieren, und orientieren sich – die einen mehr als die anderen - am Voyeurismus und der Neugier der Menschen, anstatt die Aufgabe zu übernehmen, andere Sichtweisen auf Themen und Analysen zu bieten, die nicht dem allgemeinen Trend folgen und möglicherweise auch unangenehm sind. Bereits ein einfacher Verkehrsunfall landet im Tessin in den Medien...die Fernsehkameras brauchen meist nur wenige Minuten, um dem Blaulicht von Polizei und Ambulanz hinterherzufahren, und innert weniger als einer Stunde kann man auf den sozialen Netzwerken ungefiltert das Geschehene kommentieren. Und um es auf die Titelseite zu schaffen, reichen verächtliche oder provokative Äusserungen gegenüber der Lokal- oder Kantonalpolitik. Wer hingegen in den Tessiner Medien Informationen zu internationalen Entwicklungen, Machtkämpfen zwischen grossen Staaten, Migrationsprobleme oder die sozialen, wirtschaftlichen und ökologischen Herausforderungen sucht, der findet sie zwar, aber erst nach langem Suchen, Denn zuerst muss man durch Tratschseiten, Schlammschlachten und die Verkehrslage in der Region blättern...verbessert die Fülle an Medienprodukten wirklich die Informationsqualität oder führt sie nicht eher zu einer Verkümmerung auf inhaltlicher Ebene?

Und es geht noch weiter...je abhängiger die Medien von Staatsgeldern werden, desto weniger sind sie bereit, die staatlichen Institutionen zu kritisieren. So wird die mehr oder weniger versteckte gegenseitige Abhängigkeit von Behörden und Medien verschlimmert, was auf Kosten des reibungslosen Funktionierens der von den vier Gewalten getragenen Demokratie geht. In der Deutschschweiz sorgte erst kürzlich eine Stellungnahme des CEO der Ringier-Gruppe für Aufsehen. Dieser hatte die Redaktionen der Ringier-Titeln angeleitet, die Pandemiebewältigung der Regierung nicht zu kritisieren. Wo bleibt in diesem Fall die unantastbare Unabhängigkeit der Medien? Ich möchte nicht alle Medien in einen Topf werfen, aber der Interessenkonflikt ist vorhanden und ist sowohl für die Medien wie auch für die Politiker äusserst tückisch. Politiker, die heute ihre Unterstützung für das Massnahmenpaket zur Unterstützung der Medien bekunden, wissen genau, dass sie vor den nächsten Wahlen ihrerseits auf die Unterstützung der Medien angewiesen sind. Es liegt also an der Stimmbevölkerung, mit Weitblick darüber zu entscheiden, ob es diese Unabhängigkeit und diese Vielfalt der Medien ist, die unsere Demokratie verdient und braucht.

Der Schweizerische Baumeisterverband SBV ist auf eine funktionierende Demokratie angewiesen. Zusätzliche Subventionen wie beim neuen Mediengesetz lehnt er jedoch ab.

Gian-Luca Lardi,  Zentralpräsident SBV

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