Regulierung des Wohnungsmarkts schiesst meist am Ziel vorbei

Die Wohnung ist der Lebens­mit­tel­punkt. Ausrei­chen­der Wohn­raum zu guter Quali­tät und einem vernünf­ti­gen Preis sind entschei­dend. Bedarfs­ge­rech­tes Bauen ist der Schlüs­sel hierfür.

Die Wohnung ist der Lebensmittelpunkt. Ausreichender Wohnraum zu guter Qualität und einem vernünftigen Preis sind entscheidend. Bedarfsgerechtes Bauen ist der Schlüssel hierfür. Staatliche Eingriffe wie etwa Mietpreisbremse, Zweitwohnungsinitiative und Lärmschutz hingegen taugen wenig als Lösungen, im Gegenteil, sie schaden meistens und können ein Problem sogar verstärken.

 

Die Preise für Wohneigentum steigen und steigen. 2021 haben sich gemäss Immobiliendienstleister IAZI Einfamilienhäuser um 7.3% verteuert, Eigentumswohnungen um 5.2%. Der Anstieg dürfte auch 2022 weitergehen. Deshalb hat der Bundesrat Ende Januar 2022 beschieden, dass das Risiko einer abrupten Korrektur zugenommen hat. Um dem Ausfallrisiko entgegenzuwirken, hat die Landesregierung den «antizyklischen Kapitalpuffer» aktiviert: Banken müssen für jede Hypothek, die sie neu vergeben, 2.5% mehr Eigenkapital in ihrer Bilanz hinterlegen. Damit wird die Hypothekarvergabe für die Bank teurer. Der Bundesrat hofft, dass der Preisanstieg damit etwas gebremst wird. Die wissenschaftliche Forschung zeigt aber, dass der Kapitalpuffer nur eine indirekte und geringe Wirkung auf die Wohneigentumspreise hat. Die Massnahme ist allenfalls sinnvoll, um das Eigenkapital der Banken zu stärken, damit sie mit diesem Puffer eine mögliche Wirtschaftskrise überstehen können.

 

Der Kapitalpuffer ist ein Beispiel dafür, dass staatliche Eingriffe in den freien Markt oft unter Schwächen leiden, namentlich, dass sie wenig Wirkung entfalten oder gar unbeabsichtigte Schäden zeitigen.

Erst­woh­nun­gen wegen Zweit­woh­nungs­in­itia­tive rar

Die Zweit­woh­nungs­in­itia­tive wurde 2014 vom Volk ange­nom­men, 2016 ist das zuge­hö­rige Gesetz in Kraft getre­ten. Der Anteil von Zweit­woh­nun­gen darf in einer Gemeinde 20% nicht über­stei­gen. Dies bedeu­tet oftmals ein Bauver­bot von neuen Zweit­woh­nun­gen. Die Nach­frage nach Zweit­woh­nun­gen ist aber unge­bro­chen hoch, so dass die künst­li­che Ange­bots­ver­knap­pung die Kauf­preise kräftig stützt. Altbau­ten sind von dem Gesetz jedoch nicht betrof­fen. Die Folge: Altwoh­nun­gen von Einhei­mi­schen werden saniert und anschlies­send aber nicht mehr als Erst­woh­nung vermie­tet, sondern als Zweit­woh­nung verkauft, weil sich dies finan­zi­ell besser rentiert. So mehren sich die Anek­do­ten, etwa aus dem Unter- und Ober­enga­din, dass Einhei­mi­sche kaum mehr bezahl­bare Miet­woh­nun­gen finden und Hotels in der Folge grosse Mühe bekun­den, ihr Perso­nal unter­zu­brin­gen. In Zürich werden im schweiz­wei­ten Vergleich sehr hohe Mieten für Wohnun­gen fällig. In der Stadt Zürich wohnen rund 435.000 Menschen. In den nächs­ten 20 Jahren dürften laut der Stadt­ver­wal­tung noch­mals 80.0000 Perso­nen bzw. 20% dazu­kom­men. Es braucht also mehr Wohnun­gen. Projekte für (Ersatz)Neubauten von Inves­to­ren oder Bauge­nos­sen­schaf­ten wie im Brunau­park, an der Winter­thu­rer­strasse oder an der Beder­strasse wurden jedoch von Gerich­ten verhin­dert, die Projekte ruhen derzeit oder wurden bereits aufge­ge­ben. Die Über­bau­un­gen wurden gestoppt, weil sie die gesetz­li­chen Vorschrif­ten zum Lärm­schutz für neue Baupro­jekte nicht erfül­len. Die Pointe: In den bestehen­den Altbau­ten liegen die Lärm­werte wesent­lich höher als sie es in den Neubau­ten wären. Es stellt sich die Frage, ob die Lärm­schutz­re­gu­lie­rung über­haupt realis­ti­scher­weise erfüllt werden kann und ob sie nicht zu ambi­tio­nierte Ziele verfolgt. Die Neben­wir­kun­gen für den Wohnungs­markt sind jeden­falls gravie­rend. Inves­to­ren und Bauher­ren wenden sich anderen Projek­ten in Gegen­den mit weniger strik­ten Vorschrif­ten zu. Gebaut wird also nicht dort, wo der Bedarf am gröss­ten ist, sondern dort, wo die Vorschrif­ten weniger einschnei­dend sind. Zweit­woh­nungs­in­itia­tive und Lärm­schutz dienen primär dem Schutz der Land­schaft und der Gesund­heit der Bevöl­ke­rung. Ihre indi­rek­ten Wirkun­gen auf den Wohnungs­markt dürfen dennoch nicht unter­schätzt werden. Ein wesent­lich direk­te­rer Eingriff stellen Miet­preis­brem­sen dar. Die Basler Bevöl­ke­rung hat Ende Novem­ber 2021 eine entspre­chende Initia­tive gutge­heis­sen. Was auf den ersten Blick gut tönt, ist bei näherer Betrach­tung weniger verlo­ckend. Berlin und Genf sind abschre­ckende Beispiele, wie falsch­ge­lei­tete Regu­lie­rung das Gegen­teil dessen bewir­ken, was sie ursprüng­lich bezwe­cken sollten.

Unterm Strich bleibt die Erkennt­nis: Eine effek­tive Regu­lie­rung, das heisst wirksam und ohne uner­wünschte Neben­ef­fekte, ist kaum möglich.

Miet­preis­bremse in Berlin: vermut­lich ein Eigen­tor

Die Bremse hat die Miet­preise in Berlin nur gering­fü­gig und vorüber­ge­hend gesenkt. Statt­des­sen ist die Anzahl an inse­rier­ten Miet­woh­nun­gen um 60% zurück­ge­gan­gen. Es ist also wesent­lich schwie­ri­ger gewor­den, über­haupt eine Wohnung zu finden. Die Miet­preis­bremse war ausser­dem verfas­sungs­wid­rig und wurde nach rund einem Jahr wieder von einem Gericht aufge­ho­ben. Der Schaden ist jedoch ange­rich­tet und nach­hal­ti­ger, da das Vertrauen der Inves­to­ren gestört ist. Die Anzahl der baube­wil­lig­ten Wohnun­gen ist in Berlin um 15% gesun­ken, während sie in Deutsch­land um 6% gestie­gen ist. Nicht nur deut­sche Städte können auf (unglück­li­che) Erfah­run­gen mit der Miet­preis­bremse verwei­sen. Genf kennt die Miet­preis­bremse bereits seit 1996. In der Calvin­stadt wurden seitdem aber viel weniger Bauin­ves­ti­tio­nen pro Einwoh­ner getä­tigt hat als im der Rest der Schweiz. Dieser Umstand ist beson­ders bitter, weil in Genf der Wohnungs­leer­stand eben­falls deut­lich tiefer ist als im landes­wei­ten Vergleich. Bestands­mie­ten sind in Genf äussert gut geschützt. Ihre Mieten sind in den letzten 25 Jahren nahezu konstant geblie­ben. Sobald aber ein Mieter auszieht, schnellt die Miete für die Wohnung in die Höhe. Nach einem Wechsel des Mieters legten die Miet­preise um 11.9% zu (Durch­schnitt der letzten 25 Jahre), im Spit­zen­jahr 2012 gar um 20%. Aus diesem Grund bleiben Einhei­mi­sche dauer­haft in ihren Wohnun­gen, selbst wenn diese zu gross für die eigenen Bedürf­nisse gewor­den sind. Ein weite­rer nega­ti­ver Aspekt: Wegen der Miet­zins­bremse unter­las­sen Vermie­ter notwen­dige Sanie­run­gen und repa­rie­ren nur das Notwen­digste. Aufgrund ausblei­ben­der Inves­ti­tio­nen befin­den sich viele Wohnung in einem mate­ri­ell schlech­ten Zustand. Statt­des­sen müssen Neuhin­zu­ge­zo­gene kleine Wohnun­gen zu hohen Mieten hinneh­men. Unterm Strich bleibt die Erkennt­nis: Eine effek­tive Regu­lie­rung, das heisst wirksam und ohne uner­wünschte Neben­ef­fekte, ist kaum möglich. Der Bau von Wohnun­gen und der Ersatz von Altbau­ten sind das beste Mittel, um die Nach­frage nach ausrei­chend und bezahl­ba­rem Wohn­raum zu befrie­di­gen.  

  Dieser Beitrag erschien erst­mals in der Immo­bi­lia März 2022.

Über den Autor

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Martin Maniera

Ökonom & wissenschaftlicher Mitarbeiter Politik

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