Spielend zu handwerklichen Fertigkeiten

Die heutigen Kinder und Jugendlichen wachsen mit dem Handy auf, ihr Leben findet vielfach online statt. Trotzdem oder gerade darum schätzen sie es, etwas mit den eigenen Händen erschaffen zu können. Entsprechend erfreut sich die Kinderbaustelle «Baumgärtli» in Glarus Süd einer grossen Beliebtheit. Kinder lernen dort den Umgang mit Werkzeugen und dass handwerkliche Arbeit Wertschätzung verdient.

 

Der Rasen rund ums Häuschen leuchtet grün in der Sonne. Am Fenster hängt ein Blumenkasten, einige Latten der Wand sind bunt bemalt. «Bluemehüsli» steht am Gebäude, das ein spezielles ist. Denn erstellt wurde es von zwei Schulmädchen. Sie haben das Angebot der Kinderbaustelle «Baumgarten» in Glarus Süd genutzt, haben sich handwerklich betätigt und ein Häuschen erstellt. Es ist zwar klein, drinnen hat es aber dennoch Platz für einen Stuhl. Der natürlich ebenfalls selbst hergestellt ist.

Hohe Besuchszahlen

«Ich bin beindruckt», sagt Samuel Gallati, einer der beiden Initianten der Kinderbaustelle im Glarnerland, «mit welcher Freude die Kinder hier arbeiten. Die Besucherzahlen sind trotz des schlechten Wetters zufriedenstellend. Das zeigt, dass Kinder gerne etwas mit den Händen tun.» Hannes Schiesser, SBV-Zentralvorstand und Präsident der Glarner Baumeister, ergänzt: «Früher konnten sich gerade Knaben viel handwerklich betätigen, zum Beispiel wenn sie ihren Vätern bei Reparaturarbeiten halfen. Heute ist es in vielen Familien aber nicht mehr üblich, dass Werkzeuge zum Einsatz kommen. Mit dem Resultat, dass sich viele Schulabgänger nicht für Berufe im Handwerk interessieren. Dazu kommt, dass die Lernenden, die auf dem Bau ihre Lehre starten, häufig noch nicht viel Praxis mit Hammer und Säge haben und sich entsprechend ungeschickt anstellen. Das ist für sie und für uns ein Nachteil.»

Die Idee, eine Kinderbaustelle ins Leben zu rufen, hatte Gallati zusammen mit Tobias Baumann, Sozialpädagoge wie er und in verschiedenen Projekten in der Jugend- und Kinderarbeit engagiert. Beide haben ursprünglich eine Lehre absolviert, Gallati übrigens auf dem Bau, bevor sie sich Sozialpädagogik studierten. Sie fanden ein Areal, das sich für die Kinderbaustelle eignete, besuchten eine andere Kinderbaustelle – in Wil– und erarbeiteten daraufhin ein Konzept. Der Schweizerische Baumeisterverband SBV und die Glarner Baumeister unterstützen den Betrieb der Kinderbaustelle finanziell.

Auch ausserkantonale Interessenten

Die Baustelle in Glarnerland ist so konzipiert, dass die Kinder, die vorbeikommen, einen Helm, Werkzeuge und Baumaterial erhalten. Der Anteil der Mädchen beträgt 50 Prozent, derjenige von auswärtigen Gästen 25 Prozent. Letzteres erstaunt Gallati ein wenig. «Die Baustelle ist schliesslich ziemlich weit weg von der Kantonsgrenze. Es zeigt aber, dass Familien unser Angebot schätzen und dafür auch längere Anfahrtswege in Kauf nehmen.»

Teambildung

In der Regel bauen die Kinder mit ihren Eltern und mit mitgekommenen Freunden an eigenen Projekten. «Es kommt aber vor, dass jemand an einem bereits bestehenden Bauwerk mitmachen möchte. Das lassen wir zu, es fördert bei den Kindern das Verständnis dafür, wie Teamwork funktioniert», meint Gallati dazu. An einem Gebäude, das sich in der Mitte der Baustelle befindet, haben mehrere Kinder mitgebaut. Es ist dreistöckig, hat eine Schaukel und eine Brücke, die mit Seilen befestigt ist. Ein anderes interessantes Objekt ist eine Rutschbahn, für die auch das Fahrzeug konzipiert wurde, auf dem die Kinder nach unten flitzen können. Gallati erläutert, dass sie die Kinder in der Regel allein werken lassen. «Aber wir schauen schon, denn es soll ja funktionieren. Die Kinder sollen Freude an ihren Bauwerken haben.»

Die Kinder lernen auf der Baustelle auch Verantwortung zu tragen. So sind es Kinder, die die Aufsicht führen, auch wenn Gallati und Baumann natürlich auch vor Ort sind.

Gallati und Baumann schauen, dass die Bauwerke nicht zu hoch werden, obwohl sich viele Kinder möglichst hohe Bauten wünschen. «Die Absturzgefahr wäre zu gross», erläutern sie. Apropos Unfälle: Es gab einige wenige Schläge mit dem Hammer auf die Finger, ansonsten ist nichts passiert.

Über den Autor

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Susanna Vanek

Redaktorin / Spezialistin Kommunikation

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