Trotz vertraglosem Zustand keine Probleme

Kein GAV – keine Panik. Das gilt für die Schreinerbranche, die sich seit dem 1. Januar 2021 in einem vertragslosen Zustand befindet. Statt sich aktiv um Neuverhandlungen zu bemühen, sichert Mario Fellner, Direktor des Verbandes Schweizerischer Schreinermeister und Möbelfabrikanten VSSM, gute Anschlusslösungen für die Mitgliedsbetriebe. Er findet, es gehe auch ohne Gesamtarbeitsvertrag. 
 
Mario Fellner, Direktor des Verbandes Schweizerischer Schreinermeister und Möbelfabrikanten VSSM, wirkt entspannt. Und das, obwohl sein Verband seit einigen Wochen ohne GAV da steht. Der vertraglose Zustand bereitet ihm keine grosse Sorgen. «Im Moment gibt es keine Verhandlungen mit den Gewerkschaften», sagt er. Und scheint zufrieden zu sein. 
 
Rückblende: Nach einer dreijährigen Verhandlungszeit zwischen dem Verband Schweizerischer Schreinermeister und Möbelfabrikanten VSSM einerseits und den Gewerkschaften Unia und Syna andererseits stand im Dezember 2020 fest, dass die Schreinerbranche ab 1. Januar 2021 über keinen gültigen GAV mehr verfügt. An ihrer Delegiertenversammlung hatten die VSSM-Delegierten den neuen GAV zwar sehr deutlich angenommen, sie hatten aber ebenso deutlich einem Vorruhestandsmodell (VRM) eine klare Abfuhr erteilt. Die Gewerkschaften ihrerseits wollten keinen GAV ohne VRM und pokerten deswegen hoch. Um ihr Ziel durchzusetzen, sagten sie Nein zur Verlängerung des bestehenden GAV als Übergangslösung. Das Kalkül ging nicht auf, die Schreiner schickten sie damit in den vertragslosen Zustand. Das hatte Auswirkungen auf die ganze Branche, die Unternehmer und die Mitarbeitenden. So kam es etwa zu einem Wegfall der finanziellen Weiterbildungsunterstützung der Zentralen Paritätischen Berufskommission ZPK. Weiter richten sich die arbeitsrechtlichen Mindeststandards der Schreinerbranche nicht mehr nach dem GAV, sondern nach den Vorschriften gemäss OR und Arbeitsgesetz. Für Entsandte gelten keine Mindestlöhne mehr, sondern nur noch orts- oder branchenübliche Löhne. 
 
Mitgliedsbetriebe sind nicht beunruhigt 
Die Mitgliedsbetriebe seien mit Informationen und Dokumenten beliefert worden, damit sie ihre Angestellten über den vertragslosen Zustand in Kenntnis setzen konnten, berichtet Fellner. «Unsere Mitglieder haben unser Vorgehen und den Entscheid der VSSM-Delegierten gut verstanden. Wir bekamen nur positive Rückmeldungen», erzählt der Direktor. Der klar macht: «Wir arbeiten nun an guten Anschlusslösungen für unsere Mitgliedsbetriebe, um die Folgen der GAV-Auflösung abzufedern.» So hat  der Verband bereits die Branchenlösung SIKO für Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz von der ZPK übernommen. Für die Unterstützungsbeiträge an die Weiterbildung konnte für dieses Jahr eine Lösung mit dem Reservefonds der Militär- und Ausbildungsentschädigungskasse MAEK gefunden werden, so Fellner. Damit müssten den Mitgliedsbetrieben keine zusätzlichen Beiträge in Rechnung gestellt werden. Daneben arbeitet der VSSM an einer Anschlusslösung, die ab 2022 gelten soll und die Bundes- und Kantonssubventionen sowie die Beiträge der MAEK ergänzt. «Wir machen das ohne die Gewerkschaften», meint Fellner selbstbewusst. 
 
Löhne sanken nicht 
Fellner macht klar, dass nicht eingetreten ist, wovor die Gewerkschaften gewarnt hatten: «Die Mitgliedfirmen haben die Löhne nicht gesenkt. Arbeitsverträge können einerseits nur mit Zustimmung des Mitarbeitenden abgeändert werden, andererseits kann es sich bei einem Fachkräftemangel, wie wir ihn auch in der Schreinerbranche kennen, niemand leisten, gute und motivierte Mitarbeitende schlecht zu entlöhnen. Die sind sonst schnell beim Mitbewerber oder in einer anderen Branche.» 
 
Aus einer Position der Stärke 
Der VSSM hat im Moment nicht vor, an den Verhandlungstisch mit den Gewerkschaften zurückzukehren. «Es geht ohne GAV», sagt er noch einmal und fügt selbstbewusst hinzu: «Wenn wir es tun, dann aus Überzeugung für einen neuen guten GAV ohne VRM. Wir verhandeln nicht über ein VRM, dass die VSSM-Delegierten mit grosser Mehrheit abgelehnt haben.»  
 

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Schweizerischer Baumeisterverband

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