Vorsicht vor ungefragt zugestellten Bewerberdossiers durch Personalvermittler

Reicht ein Personalvermittler auf ausgeschriebene Stellen ungefragt Bewerberdossiers ein, während sich der Kandidat für dieselbe Stelle direkt bewirbt, kann dies für den Arbeitgeber wegen Provisionsansprüchen zu Problemen führen.

 

Derzeit häufen sich beim Rechtsdienst des SBV Anfragen zu Bewerbungsdossiers, welche von Personalvermittlern ungefragt bei Unternehmen eingehen. Das Vorgehen ist dabei jeweils regelmässig dasselbe. Wird eine offene Stelle, bspw. für einen Polier, ausgeschrieben, erhält der Betrieb oftmals ein elektronisches Dossier mit einem potenziellen Kandidaten sowie diverse Dokumente unter dem Titel «Allgemeinde Vertragsbedingungen» zugestellt. Parallel dazu reicht der Kandidat sein Bewerbungsdossier auch direkt beim Betrieb ein.

Während der Kandidat über die Direktbewerbung oftmals zu einem Gespräch eingeladen wird, wird dem Dossier des Personalvermittlers keine weitere Beachtung geschenkt. Der Personalvermittler wird sich während des Bewerbungsprozesses, wenn überhaupt, auch nur noch sporadisch melden.

Kommt es jedoch zur Anstellung des Kandidaten, meldet sich dann kurz nach Stellenantritt der Personalvermittler wieder und macht teilweise horrende Forderungen geltend. In einem besonders dreisten Fall verlangte der Personalvermittler für seine Untätigkeit knapp CHF 30'000.-. Der Personalverleiher verwies dabei auf eine E-Mail und darin enthaltene AGB. Er behauptete, mit der Anstellung des vorgeschlagenen Kandidaten sei ein sog. Vermittlungs- oder Mäklervertrag entstanden und die geforderte Provision sei geschuldet.

Dabei entsteht ein solcher Provisionsanspruch nicht automatisch durch Zustellung eines Kandidatendossiers. Der Betrieb muss allerdings nachweisen, dass der Arbeitsvertrag ohne «Mithilfe» durch die ungefragt zugestellten Bewerberdossiers zustande kam. Obwohl die Beweislage oft dünn ist, schrecken gewisse Personalvermittler jedoch nicht davor zurück, bissige E-Mails zu schreiben und sogar rechtliche Schritte einzuleiten.

 

Wie ist bei solchen Bewerbungsdossiers vorzugehen?

  • Bevor es überhaupt zu einer Dossierzustellung kommt, sollte bereits bei der Ausschreibung der zu besetzenden Stelle darauf hingewiesen werden, dass Dossiers von Personalvermittlern nicht berücksichtigt werden. Ein solcher Hinweis hat bestenfalls direkt im Stelleninserat zu erfolgen. Dabei kann bereits folgender Hinweis hilfreich sein: «Dossiers von Personalvermittlungsbüros werden nicht berücksichtigt».
  • Allerdings wird ein solcher Hinweis allein nicht genügen, um Post von Personalvermittlern zu unterbinden. Zumal damit auch nicht verhindert werden kann, dass ein Personalvermittler Dossiers einsendet und gestützt auf einen angeblichen Mäklervertrag versucht Ansprüche zu stellen.
  • Trifft auf eine ausgeschriebene Stelle ungefragt ein Bewerberdossier durch einen Personalvermittler ein, sollte man die Sendung umgehend zurücksenden resp. auf das elektronische Dossier mit einer ablehnenden Antwort reagieren und insbesondere die Nichtanerkennung etwaiger AGBs festhalten. Zugleich sollte man dem Vermittler gegenüber schriftlich klarstellen, dass man sich unerbetene Angebote und Zusendungen verbitte, und diese Kommunikation auch in der internen Ablage festhalten.
  • Im Hinblick auf einen allfälligen Streitfall ist es wichtig, auch im Nachhinein aufzeigen zu können, wie und wann der Kontakt mit dem erfolgreichen Bewerber zustande kam. Es ist daher sicherzustellen, dass die entsprechenden Kommunikationen (wie etwa E-Mails, Briefe oder Telefonnotizen) aufbewahrt und verfügbar gehalten werden.
  • Die Erfahrung im Rechtsdienst zeigt, dass es hilft, nicht sofort auf eine unbegründete Geldforderung einzutreten, um «Ruhe zu haben». Nicht selten tritt nämlich das genaue Gegenteil ein, weil der Anspruchsteller ein zahlungswilliges Opfer ausgemacht hat. Vielmehr sollte man in aller Deutlichkeit zum Ausdruck bringen, dass man die Forderung zurückweist und sich nicht unter Druck setzen lässt.
  • Auch das Androhen oder die Einleitung einer Betreibung sollte in der Regel kein Anlass sein, eine unbegründete Forderung zu bezahlen. Stört man sich am Eintrag im Betreibungsregister, gibt es durchaus rechtliche Handhabe, um sich zu wehren. Bei einem effizienten Vorgehen können die Kosten in einem vernünftigen Rahmen gehalten werden, und bei einem Gerichtsverfahren kann – im zu erwartenden Fall eines Obsiegens – eine Erstattung vom unseriösen Anspruchsteller verlangt werden.

Oft genügt aber auch ein Schreiben, in dem der Anspruchsteller unter Hinweis auf die rechtlichen Konsequenzen aufgefordert wird, umgehend von der Geltendmachung seiner unbegründeten Forderung Abstand zu nehmen.

Gerne kann Ihnen der Rechtsdienst des SBV in einem solchen Fall auch direkt weiterhelfen.

Hotline: +41 58 360 76 76, [email protected]

 

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Michael Kehrli

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