Warum es Frauen auf dem Bau braucht

Ladina Bordoli entspricht so gar nicht den gängigen Klisches. Zwar ist sie praxisorientiert als Macherin in der Baubranche tätig, und doch versetzt sie sich in Gedanken immer wieder in andere Welten, in andere Personen, deren Gefühlsleben sie auslotet. So entstehen ihre Romane, denn auch als Schriftstellerin hat sie Erfolg. Kürzlich erschien im renommierten Heyne-Verlag der erste Teil ihrer Mandelli-Familiensaga. Der Roman spielt zwar in den 1950er Jahren in Italien, er behandelt aber Themen wie Qualität im Handwerk, was einen Bezug zur aktuellen Situation in der Schweiz schafft.

 

Eine junge Frau zieht morgens Arbeitskleider an und begibt sich zum Werkhof des Baubetriebes, den ihr Grossvater gegründet hat. Das sorgt für Entsetzen im kleinen norditalienischen Dorf, in dem sie heimisch ist. Will denn Aurora Mandelli, so wird hinter vorgehaltener Hand gemunkelt, Männerbekanntschaften machen? Diese Szene spielt sich zu Beginn des ersten Teils der Mandelli-Familiensaga ab, der «Das Fundament der Hoffnung» heisst. Erschienen ist das Buch im renommierten Heyne-Verlag. Es handelt sich um einen weiteren Roman von Ladina Bordoli, die im Bauunternehmen Bordoli Erben AG tätig ist. Sie hat sich, wie sie bemerkt, bei ihrem Buch nicht nur von der eigenen Familiengeschichte inspirieren lassen – die Wurzeln ihrer Familie reichen nach Norditalien -, sondern auch aktuelle Themen, die die Bauwirtschaft bewegen, aufgegriffen.

Bessere Qualität

Etwa das Thema der Qualität. Aurora zeichnet sich in ihrer Arbeit darin aus, dass sie nicht einfach eine Mauer erstellt, sondern sich überlegt, welches Material sich für ihren Bau am besten eignet und wie man es schafft, dass sie möglichst gut aussieht. Das gefällt zwar den Bauherren, für die sie tätig ist, es missfällt aber anderen – sogar einem engen Vertrauten. Aurora hat die Tätigkeit im Baugeschäft aus einer Notlage heraus aufgenommen: Der Bruder ist tödlich verunglückt, der Vater vor Trauer wie gelähmt, unfähig, sich um das Geschäft zu kümmern. Trotz aller üblen Nachreden versucht sie durchzuhalten, anfänglich hauptsächlich wegen der finanziellen Situation ihrer Familie. Mit der Zeit wächst in ihr aber immer mehr das Bewusstsein, dass es gut ist, wenn auch Frauen auf dem Bau tätig sind. Und es geht ihr auf, dass ihr die Arbeit gut gefällt, dass sie nichts anderes tun möchte als bauen. Deshalb unternimmt sie einen Schritt, mit dem sie glaubt, die bösartigen Klatschmäuler im Heimatdorf zum Schweigen zu bringen. Erst spät bemerkt sie ihren Irrtum. Es scheint, als sei sie in einer Falle gefangen. Mehr soll zum Inhalt nicht verraten werden.

Kennt das Handwerk

Dass Frauen zwar weniger körperliche Kraft haben als Männer, dass sie aber dennoch auf den Baustellen mit anderen Qualitäten punkten können, das hat Ladina Bordoli aus eigener Erfahrung festgestellt. Nach der Matura war die zierliche Frau mit den vielen Locken – etwas, das sie mit Aurora Mandelli gemeinsam hat – einige Zeit als Industriemalerin auf dem Bau tätig. «Von den Kunden kam bald einmal die Rückmeldung, dass Frauen genauer arbeiten und die Arbeitsstelle sauberer hinterlassen», hat sie festgestellt. «Zudem gehen Frauen sorgfältiger mit Maschinen und Geräten um.» Im Gegensatz zu Aurora Mandelli begegneten die Leute ihr aber mit Respekt, hat Bordoli festgestellt. «Das Handwerk ist bei einigen Personen noch gut angesehen. Es imponiert ihnen, wenn eine Frau das auch kann.» Sie denkt: «Es tut Bau-Teams gut, wenn auch eine Frau dabei ist. Nicht nur wegen des Umgangtons, sondern auch, weil viel mehr mit den Planern kommuniziert werden müsste. Diesen fehlt manchmal ein wenig der Bezug zur Umsetzung auf der Baustelle.» Bordoli ist auch überzeugt, dass der Bau seinerseits Frauen viel bietet. «Es gibt gute Karrieremöglichkeiten.» Selbst packt Bordoli im eigenen Betrieb aber nicht an – dafür hat sie, die eine Ausbildung in der Unternehmensführung, Schwerpunkt KMU besitzt, in der Administration zu viel zu tun.

«Es ist auch ein Handwerk»

Zumal sie, wenn es die Zeit erlaubte, auch immer wieder an ihrem Buch schrieb. Man merkt diesem die knappe Zeit vom Vertragsabschluss bis zur Abgabe des Textes nicht an. Die Sprache, etwa, ist sehr gekonnt ausformuliert. «Das Schreiben ist eben auf seine Art auch eine Art Handwerk», meint Bordoli dazu. In den nächsten Bänden, verrät sie, komme auch der Preiskampf der Bauunternehmer zur Sprache. «Es gibt praktisch keine Marge mehr, die Tendenz lautet, dass es möglichst billig sein soll. Da zählt es zum Beispiel nichts, dass wir einen langjährigen Mitarbeiter haben, der auf Natursteinmauern spezialisiert ist und hervorragend arbeitet. Nur der Preis zählt.» Sie hofft, dass das revidierte BöB hier ein wenig Abhilfe schaffen wird. «Es braucht hier einen Paradigmenwechsel», ist sie überzeugt.

Schon immer gern geschrieben

Wie kommt eine Frau, die von sich sagt, dass sie gerne mit den Händen arbeitet und die sich, unabhängig von der Familie, dazu entschieden hat, in der Baubranche ihr Geld zu verdienen, dazu, feinsinnige Romane zu verfassen? Einen Widerspruch sieht Bordoli darin nicht. Sie habe beide Seiten in sich, meint sie, und sie schätze auch die Vielseitigkeit ihrer jetzigen Situation. Geschrieben habe sie jedenfalls schon immer gerne. Den Weg in die Baubranche, in den Familienbetrieb, habe sie über Umwege gefunden. «Aber in der Baubranche gefällt es mir sehr gut.» Sie schätzt auch den Austausch mit Berufskollegen, etwa in einer Erfa-Gruppe des SBV. Allerdings, das räumt sie ein, ist die Schriftstellerei mittlerweile mehr als ein Hobby. «Dass die eigenen Bücher von einem grossen deutschen Verlag veröffentlicht werden, davon träumt doch jeder Schriftsteller», meint sie. Diesen Traum hat sie sich mit der Mandelli-Saga erfüllt. Sie habe noch, meint sie, viele Ideen. Man darf gespannt sein.

Ein Video zu Ladina Bordoli finden Sie hier.

Über den Autor

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Susanna Vanek

Redaktorin / Spezialistin Kommunikation

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