Welche Faktoren begünstigen eine Lohnerhöhung? Inflation, Arbeitslosenquote und Produktivität haben einen grossen Einfluss auf GAV-Löhne. Aber die Unterschiede zwischen den Branchen sind beträchtlich. Mittwoch, 18.5.2022 | 07:30 ... Schweizerischer Baumeisterverband Baumeister 5.0 Konjunktur und Statistiken Zahlen und Fakten Welche Faktoren begünstigen eine Lohnerhöhung? Mithilfe der Grafik unten navigieren Sie durch die Geschichte. Klicken Sie auf die Ziffern. 1 1 2 2 3 3 4 4 1. Mitreden wollen trotz schrumpfender Bedeutung Die Gewerkschaftsbewegung begann in den Fabriken. Deshalb gibt es eine starke Verbindung zwischen dem Anteil der Beschäftigten, die in der Industrie arbeiten, und dem Anteil der Beschäftigten, die Mitglied bei einer Gewerkschaft sind. Da die Industrie relativ an Bedeutung verloren hat, ist auch die Gewerkschaftsabdeckung gesunken. Heutzutage sind nur noch 13.5% aller 5 Mio. Beschäftigten in der Schweiz Gewerkschaftsmitglied. Diesem Abwärtstrend konnte sich die GAV-Abdeckung zunächst ebenfalls nicht entziehen. Damit sank auch die GAV-Abdeckung. Mit der Einführung der Personenfreizügigkeit ab 2002 ist die GAV-Abdeckung aber wieder sukzessive gestiegen, etwa als vermeintlicher Schutz gegen Lohndumping. Den Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden kommt damit wieder eine gewisse Bedeutung bei der Lohnpolitik in der Schweiz zu. Ob dies sinnvoll ist, sei dahingestellt. × 2. Produktivität und Lohnerhöhung im Wettbewerb Ludwig Erhard war Wirtschaftsminister in der Bundesrepublik Deutschland nach dem zweiten Weltkrieg. Er hat das Konzept der "Sozialen Marktwirtschaft" geprägt. In seinem Buch "Wohlstand für alle" hielt er fest: "Das erfolgversprechendste Mittel zur Erreichung und Sicherung jeden Wohlstandes ist der Wettbewerb. (…) Auf dem Wege über den Wettbewerb wird – im besten Sinne des Wortes – eine Sozialisierung des Fortschritts und des Gewinns bewirkt und dazu noch das persönliche Leistungsstreben wachgehalten." Erhard sprach sich dafür aus, dass Löhne auf breiter Front steigen sollten, wenn die Produktivität zunimmt. Aber sie sollten nicht stärker steigen, weil dies zu Inflation und zum Verlust der Wettbewerbsfähigkeit führen könnte. In der Schweiz spielt die Arbeitsproduktivität jedoch eine untergeordnete Rolle als Massstab für Lohnerhöhungen. Die Korrelation zwischen heutiger Produktivität und morgigem Lohnwachstum liegt bei 25% - bin ich heute produktiv, wird mein Lohn nicht sofort, aber im nächsten Jahr erhöht - deutet auf einen eher schwachen Zusammenhang hin. In 40% der letzten 50 Jahre lag das reale Lohnwachstum sogar über der Produktivität, was im Gegensatz zu Erhards Votum steht. Auch bei Lohnverhandlungen zwischen den Sozialpartnern in GAV-Branchen spielt die Produktivität eher eine untergeordnete Rolle. Tatsächlich zählt die Schweiz heutzutage nicht mehr zu den internationalen Spitzenreitern hinsichtlich des Produktivitätswachstums. "Das persönliche Leistungsstreben wach halten" - diesen Worten Erhards sollte man wieder mehr Gehör schenken und statt genereller Lohnerhöhungen lieber individuelle Leistungen stärker honorieren. × 3. Löhne steigen meist stärker als Inflation Lohnverhandlungen der Sozialpartner dienen u.a. dem Teuerungsausgleich. Die Grafik zeigt einerseits die Inflation in der Schweiz (X-Achse) und andererseits, auf welche Lohnerhöhungen sich die Sozialpartner in den GAV-Branchen (Y-Achse) geeinigt haben. Die X-Achse repräsentiert die Inflation in der gesamten Schweiz. Jeder Punkt zeigt, wie stark die Effektivlöhne bzw. Mindestlöhne für eine GAV-Branche aufgrund einer Vereinbarung zwischen den Sozialpartnern gestiegen sind. Betrachtet wird der Zeitraum von 1999 bis 2020 sowie 17 Branchen plus der Schweizer Durchschnitt. Insgesamt wurden 231 Erhöhungen der Effektivlöhne sowie 245 Steigerungen der Mindestlöhne registriert. Die Sozialpartner beschlossen nie eine Senkung der Effektivlöhne oder der Mindestlöhne, selbst in Zeiten von negativer Inflation. Wenn die Lohnverhandlungen einer Kompensation der für das laufende Jahr erwarteten Inflation dienen würden, müssten alle Punkte auf der diagonalen Linie liegen. Tatsächlich liegt aber praktisch kein einziger Punkt auf der Linie. Stattdessen war das Lohnwachstum in den meisten Fällen grösser als die Inflation. Das heisst, dass die Inflation bei weitem nicht der einzige Faktor bei den Lohnverhandlungen ist. Eine weitere Rolle spielt aber, dass die künftige Inflation oft falsch eingeschätzt wird. Selbst wenn Lohnverhandlungen die Inflation aus dem abgelaufenen Jahr kompensieren möchten, ändert sich das Bild praktisch nicht. Ferner sind die Unterschiede zwischen den Branchen enorm. Im Jahr 2009 beispielsweise betrug die Inflation -0.5%. Je nach Branche wuchsen die Effektivlöhne zwischen 0.7% (Landwirtschaft) und 3.4% (Verkehr). Bei den Mindestlöhnen war die Spannweite sogar noch grösser, von 0.7% (Landwirtschaft) bis zu 6.6% (Handel). Die Unterschiede zwischen den Branchen und über die Zeit lassen sich mit unterschiedlicher Produktivität, Arbeitslosigkeit, Abdeckungsgrad der Gewerkschaften sowie mit nicht-monetären Aspekten in die Verhandlungen (z.B. Arbeitszeitregulierung) erklären. × 4. Die Arbeitslosenquote hinterlässt ihre Spuren Eine hohe Arbeitslosigkeit schwächt die Verhandlungsmacht von Gewerkschaften. Die Grafik stellt die Arbeitslosenquote in einer Branche (X-Achse) dem Wachstum der Effektivlöhne in derselben Branche (Y-Achse) gegenüber. Ein Punkt stellt eine der 17 Branchen zwischen den Jahren 1999 und 2021 dar. Man erkennt leicht den Zusammenhang, die eingezeichnete Trendlinie hilft dabei: je höher die Arbeitslosenquote desto geringer das Lohnwachstum. Wenn die Arbeitslosenquote über 4% beträgt, halten sich die Sozialpartner meist stark mit Lohnerhöhungen zurück, weil diese die Beschäftigten aus Unternehmenssicht verteuern würden. Weitere Arbeitslose wäre leicht die Folge. Auch wenn die Arbeitslosenquote zwischen 2 und 3 Prozent liegt, konzentriert sich die Lohnsteigerung eher im tiefen Bereich, durchschnittlich bei 1.2%. Branchen nahe Vollbeschäftigung, d.h. eine Arbeitslosenquote von bis zu 2%, zeigen eine Lohnerhöhung von 1.7% im Durchschnitt. Das bedeutet auch, dass der Zusammenhang nicht linear, sondern exponentiell ist. Selbst wenn die Arbeitslosenquote nur leicht zunimmt, werden Lohnerhöhungen wesentlich unwahrscheinlicher. Diese Grafik zeigt, dass besonders hohe bzw. tiefe Arbeitslosigkeit einen markanten Einfluss auf die Lohnverhandlungen in den GAV-Branchen hat. × Über den Autor Luiza Maria Maniera [email protected] Artikel teilen
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