Win-Win-Situation für Bauherrin und Unternehmer

Das Hochwasserschutzprojekt Sarneraatal bezeichnet der Kanton Obwalden als «Jahrhundertprojekt». Bei der Trockenlegung des Baufeldes kam eine Unternehmervariante zum Zug. Diese ermöglichte eine umweltschonendere Bauweise und gleichzeitig eine Kostenreduktion gegenüber dem Amtsvorschlag. Das Beispiel ist nicht nur ein Argument für Innovationen, es zeigt auch auf, was Vergabestellen beachten sollten. 

Ingenieure, die das trockengelegte Baufeld für den Bau des Hochwasserentlastungsstollens der Sarneraa besuchten, fanden die dort vorgefundene Lösung bestechend einfach – man musste aber zuerst darauf kommen. Als Unternehmervariante setzte das ausführende Unternehmen Meier + Jäggi AG nämlich auf eine Variante ohne Fangedamm mit Materialfüllung, genauer auf eine Spundwand mit Ringspriessung anstelle eines Kastenfangedamms.. Die Idee dazu hatte der Bauführer Juan Olavarria zusammen mit Markus Marti, Abteilungsleiter Spezialtiefbau bei Meier + Jäggi AG. Die polygonale Ringspriessung funktioniert wie eine Art liegende Brücke, die von zwei starken Widerlagern gestützt wird. Die einhäuptige Schale bewahrt dabei die Dichtigkeit, obwohl sie filigran ist, dazu werden sämtliche Lasten via Druckbogen in die Kämpfer eingeleitet.

Explizite Zulassung 

Mit dem Paradigmenwechsel des neuen BöB und der IvöB besteht ein klarer politischer Wille nach Qualitätswettbewerb, in dem Unternehmervarianten und bessere Qualität dank früher Einbindung von ausführenden Unternehmen erreicht werden können. Die Trockenlegung des oben erwähnten Baufeldes mit Ringspriess anstelle Kastenfangedamm war eine Lösung, die von der des Projektverfassers abwich. «Der Kanton Obwalden notierte in der Ausschreibung der Arbeiten ausdrücklich, dass Unternehmervarianten zugelassen waren», erzählt Raphael Vonaesch, Projektleiter Hochwassersicherheit Sarneraatal. In der Folge machte der Vorschlag von Meier + Jäggi das Rennen, «weil das neue Verfahren zu einer Kostenreduktion gegenüber der Amtsvariante führte», wie Vonaesch ausführt. Das Submissionsverfahren fand noch vor der Revision des öffentlichen Beschaffungsrechtes statt, deshalb hatte der Preis damals ein relativ hohes Gewicht von 65 Prozent. Dementsprechend konnten die Umweltaspekte gemäss BöB nur sehr eingeschränkt berücksichtigt werden, auch wenn diese ebenfalls klar für das System mit der polygonalen Ringspriessung sprechen. Markus Marti, Abteilungsleiter Spezialtiefbau bei Meier + Jäggi AG, rechnet vor, dass aufgrund der Materialeinsparung, die auch die Anzahl der LKW-Fahrten deutlich reduzierte, geschätzt 50 Prozent CO2-Emissionen hatten vermieden werden können.

«Mehr Zeit geben» 

Das Beispiel zeigt, dass Unternehmervarianten bei Ausschreibungen manchmal der klar bessere Weg sind. Vonaesch sagt denn auch, dass man seitens des Kantons zufrieden sei, auf die Lösung des ausführenden Betriebes gesetzt zu haben. «Wir haben dabei aber auch gelernt, wie man es künftig besser machen kann», räumt er ein. «Wir hatten in der Ausschreibung explizit Unternehmervarianten zugelassen, wobei alle Anbieter zwecks Vergleichbarkeit auch die Amtsvariante einreichen mussten. Das führte dazu, dass die Unternehmervariante unter Zeitdruck entstand. Uns wurde seitens der Anbieter gesagt, dass wir einen sehr sportlichen Zeitplan aufgestellt hatten, und das hat sich dann bestätigt.» Weil die Lösung von Meier + Jäggi AG sich klar von der Amtsvariante unterschied, musste nach der Vergabe die Statik überprüft werden. Der Rat von Vonaesch an andere Vergabestellen: «Man muss den Bauunternehmen genügend Zeit für die Ausarbeitung von Unternehmervarianten einräumen. Natürlich ist der politische Druck, mit der Realisierung rasch vorwärts zu kommen, immer da, gerade bei einem Hochwasserschutzprojekt wie dem unseren. Die Furcht vor einem erneuten schlimmen Hochwasser, wie wir es im Jahre 2005 hatten, ist vorhanden, und die Vorarbeiten dauerten lange. Trotzdem war die  knapp bemessenen Zeit gerade für das ausführende Unternehmen anspruchsvoll. Es spricht für den Baumeister, dass er alles zu bewältigen vermochte, auch wenn er in den Diskussionen, die wir miteinander führten, immer wieder auf den grossen Zeitdruck hinwies.» «Das Einreichen von zwei Offerten ist ein grosser zeitlicher Mehraufwand, der dazu führt, dass bei der eigenen Lösung nicht ganz alles ausgerechnet wird. Deshalb braucht das Unternehmen auch nach der erfolgten Vergabe Zeit, dies nachzuholen.»

«Rollenwechsel des Projektverfassers» 

Vonaesch hat noch etwas beobachtet: «Für den Projektverfasser erfolgt bei der Vergabe an eine Unternehmervariante. Für die Unternehmervariante wird er zum Prüfingenieur und ist auf prüfbare Unterlagen angewiesen, die oft wegen dem erwähnten Zeitdruck nicht oder nur unvollständig vorliegen. Die Übernahme der Mitverantwortung ist dann häufig nicht eindeutig, was für die Bauherrin kein Vorteil ist.»

Die beiden Schwierigkeiten, denkt Vonaesch, könnten behoben werden, wenn neue Modelle für die Zusammenarbeit mit den ausführenden Bauunternehmen entwickelt würden. «Das Wasserfallmodell, dass zuerst der Planer kommt und dann das Bauunternehmen, funktioniert bei der Vergabe einer Unternehmervariante nicht optimal. Der ausführende Betrieb muss früher in die Planung einbezogen werden können.» Der neue Qualitätswettbewerb, der der negativen Preisspirale ein Ende setzen soll, zeigt den klaren politischen Willen, dass Unternehmervarianten gefördert werden sollen. Der Schweizerische Baumeisterverband SBV fordert im Rahmen der Umsetzung des neuen BöB explizit, dass solche Kooperationsformen als best practice Lösungen erarbeitet werden. Die KBOB ist aufgerufen, hier eine proaktive Rolle in der gemeinsamen Entwicklung entsprechender Modelle einzunehmen.

Denn das Obwaldner Beispiel zeigt im vorliegenden Fall klar die Vorteile von Unternehmervarianten auf. «Für den Kanton Obwalden hat es sich gelohnt, er bekam eine sehr gute und innovative Lösung.»

Auch wenn der Zeitdruck zwischenzeitlich hoch war, hat sich der Mut, auf eine Unternehmervariante zu setzen, auch für Meier + Jäggi AG ausbezahlt.  Das neue Verfahren ist beim europäischen Patentamt angemeldet.

Über den Autor

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Susanna Vanek

Redaktorin / Spezialistin Kommunikation

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