«Wir digitalisieren Teilprozesse, nicht das Ganze.» Als Vorstandsmitglied von «Bauen digital Schweiz» fördert Gianluca Genova die digitale Transformation. Als Geschäftsführer der MetaXD AG setzt er innovative Lösungen in der Praxis um. In der Künstlichen Intelligenz (KI) sieht er einen Schlüssel. Dienstag, 15.4.2025 | 06:00 ... Schweizerischer Baumeisterverband Baumeister 5.0 Digitalisierung «Wir digitalisieren Teilprozesse, nicht das Ganze.» Als Vorstandsmitglied von «Bauen digital Schweiz» fördert Gianluca Genova die digitale Transformation. Als Geschäftsführer der MetaXD AG setzt er innovative Lösungen in der Praxis um. In der Künstlichen Intelligenz (KI) sieht er einen Schlüssel, um vernetztes Denken und ganzheitliche Digitalisierung voranzubringen.Wenn wir über Digitalisierung der Baubranche sprechen, wo stehen wir heute?Das kommt sehr darauf an, von welchem Blickwinkel man es betrachtet. Ich sehe die Digitalisierung als unverzichtbaren Schlüssel, um die zunehmende Komplexität im Bauwesen zu bewältigen. Besonders Building Information Modeling (BIM) steht dabei im Zentrum. BIM ist nicht bloss eine Option, sondern ein Muss. Oft wird Digitalisierung noch auf oberflächliche Aspekte reduziert, wie den Einsatz moderner CAD-Software oder den Übergang von Papier zu digitalen Formaten. Diese Sichtweise greift zu kurz. Organisationen wie «Bauen digital Schweiz» und zunehmend die gesamte Branche erkennen BIM als Grundlage einer umfassenden Transformation. Wir haben noch einen weiten Weg vor uns, denn die Digitalisierung geht weit über die Planungsphase hinaus. Sie umfasst den Betrieb von Bauwerken und reicht projektübergreifend bis in die unternehmerischen Prozesse. Nur eine ganzheitliche Integration entfaltet das volle Potenzial der Digitalisierung.Also ist BIM der Ausgangspunkt?Ja, aber BIM ist kein Allheilmittel. Es ist der Einstieg in die Digitalisierung – bei den Planern hat die Einführung fünf bis sieben Jahre gedauert, und selbst das ist nicht flächendeckend. Viele Firmen setzen eine BIM-Strategie mit der gesamten Digitalisierung gleich, aber das ist zu begrenzt gedacht. BIM optimiert die Projektarbeit, doch betriebliche Prozesse wie Angebotserstellung, Datenmanagement oder wirtschaftliche Steuerung bleiben oft unberührt. Hier ist häufig noch nichts digitalisiert. Es fehlt an einer echten Business-IT-Integration. Wir digitalisieren Teilprozesse, nicht das Ganze.Woher kommt diese Zurückhaltung?Die Baubranche ist traditionsstark und verändert sich nicht über Nacht. CAD brauchte 20 Jahre, BIM fünf bis sieben. Dass KI sich nun in drei Jahren durchsetzt? Ich bin skeptisch. Digitalisierung bedeutet Veränderung, und Veränderung kostet zunächst mal Zeit und Geld, ohne dass ein kurzfristiger Return on Investment garantiert ist. Manche sehen darin eine Chance, andere eine Bedrohung. Unsere Aufgabe bei «Bauen digital Schweiz» ist es also, Firmen zu zeigen, dass die Digitalisierung Chancen eröffnet, auch für KMU.Können neue Formen der Zusammenarbeit wie Projektallianzen helfen, die Digitalisierung zu fördern?Die Idee hinter Allianzen ist gut: frühzeitige Zusammenarbeit, geteilte Verantwortung, transparente Margen, ideal, um die Digitalisierung voranzutreiben. Doch in der Praxis ist das oft noch Wunschdenken. Ich sehe viele Versuche, aber auch viele Limitierungen. Allianzen sind heute stark reglementiert, mit engen Abgrenzungen und wirtschaftlichen Schutzmechanismen. Das hemmt Innovation. Am Ende läuft es oft auf klassische Muster hinaus: tiefe Margen, harter Wettbewerb, jeder kämpft für sich. Wir reden von Win-Win, erleben aber häufig Win-Verlust. Es braucht flexible Modelle, die sich an unterschiedliche Projektgrössen anpassen und digitale Expertise integrieren. So werden Allianzen nicht nur flexibel, sondern auch effektiv – und die Digitalisierung bekommt den nötigen Schub.Woran scheitert die ganzheitliche Digitalisierung?Es fehlt an Durchgängigkeit. Wir modellieren hochpräzise in 3D, elementbasiert, mit modernsten Tools, aber die Baustelle wird auf Basis klassischer Ausschreibungen betrieben. Das hat nicht mit digitalen Modellen zu tun. Da fehlen Schnittstellen, es gibt keine klaren Zuordnungen zwischen Bauteil und Leistung. Die Idee von BIM als durchgängiger Methode scheitert oft an der Realität.Also passen digitale Modelle und reale Prozesse bei Bauprojekten nicht zusammen?Genau. Und nach dem Bauen geht es weiter: Das Facility Management übernimmt oft nicht die digitalen Daten, weil diese fehlen oder unbrauchbar sind. Wir produzieren viele Informationen, aber sie kommen nicht dort an, wo sie gebraucht würden. Ich sage oft: Wir sitzen an einem Puzzle, aber jeder arbeitet nur an seinem eigenen Stück ohne das Gesamtbild zu sehen. Wenn wir Daten durchgängig nutzbar machen vom Plan bis zum Betrieb, lösen wir das Puzzle.Ist das ein strukturelles Problem der Branche?Absolut. Im Bau bauen wir Unikate. Jedes Projekt ist neu, jedes Team ist neu. In der Industrie gibt es Wiederholbarkeit, Standardisierung, eingespielte Prozesse. Im Bau hingegen wechseln die Akteure ständig. Fluktuation ist hoch – auch durch die Digitalisierung selbst. Die Einstiegshürden sind gesunken, Mitarbeitende wechseln häufiger. Das macht es schwer, stabile Prozesse zu etablieren. Daher brauchen wir einfache, neue Organisationsformen für die Zusammenarbeit sowie standardisierte Prozesse, die auch bei wechselnden Teams funktionieren.Sie zeichnen ein wenig charmantes Bild. Gibt es trotzdem Fortschritte, auf die wir stolz sein können?Ja, und das ist wichtig. Durch BIM sind viele Defizite erst sichtbar geworden. Dadurch haben wir auch begonnen, sie zu beheben: Prozesse wurden aufgeräumt, Kommunikation verbessert, Koordination professioneller. Im internationalen Vergleich hat die Schweiz stark aufgeholt. Noch 2019 galt unser Land als digital rückständig. Heute sind wir eine der innovativsten Baubranchen Europas. Ich denke, etwa 30 bis 40 Prozent der Projekte arbeiten heute mit BIM. Früher waren es vielleicht zehn. Das ist ein echter Fortschritt – auch wenn wir noch nicht da sind, wo wir hinwollen.Alle Welt spricht von KI als Heilmittel für alle Probleme, mit denen wir kämpfen. Wie beurteilen Sie den Einfluss von KI?KI ist ein Gamechanger, vor allem derzeit für betriebliche Prozesse – etwa für Chatbots, automatisierte Berichte oder Angebotsanalysen. In der Projektarbeit bleibt ihr Einfluss noch begrenzt, weil viele Unternehmen mit unstrukturierten Daten kämpfen. Viele Führungskräfte erkennen, dass sie KI für ihre Projektarbeit nicht effektiv nutzen können, solange sie über keine systematische Datenorganisation und -zugänglichkeit verfügen. Das zwingt Firmen, ihren internen Prozessen zu digitalisieren. Insofern fördert KI indirekt auch BIM, oder zumindest die Bereitschaft, über Digitalisierung ganzheitlicher nachzudenken. KI birgt ein enormes Potenzial, doch ihr Erfolg hängt von einer soliden Datengrundlage und klaren strategischen Vision ab.Als ob es diesen Impuls von aussen gebraucht hätte … Anders als BIM betrifft KI nicht nur Fachplanerinnen und -planer, sondern die ganze Unternehmensstruktur. Bei BIM hiess es oft: Das ist ein Thema der Projektleiter. Bei KI ist es plötzlich ein Thema der Geschäftsleitung. Das bringt Bewegung.Wenn Sie jetzt einen Blick ins Jahr 2050 werfen – wie sieht die Baustelle der Zukunft aus?Es wird ein hochautomatisierter, digital vernetzter Ort sein, an dem eine Kombination aus KI, Robotik und digitalen Zwillingen zum Einsatz kommt. KI-Agenten werden Planungs- und Bauprozesse mitsteuern. Roboter werden auf der Baustelle assistieren, vielleicht auch eigenständig arbeiten, sogar nachts, wie in «Dark Factories». Gebäude werden intelligente digitale Betriebssysteme haben, Entscheidungen mit KI-Unterstützung selbst treffen. Neue Baumaterialien wie selbstheilender Beton werden kommen, angepasst an die Robotik und 3D-Druck. Die dezentrale Baustelle wird ebenfalls an Bedeutung gewinnen: Autonome Transportmittel und moderne Logistik sorgen dafür, dass Materialien just-in-time geliefert und Bauteile direkt vor Ort produziert werden. Die Verbindungen, die wir heute von Hand schrauben, werden sich ändern. Die Baustelle der Zukunft wird nicht nur effizienter und sicherer, sondern auch nachhaltiger sein– ein Ort, an dem Mensch, Maschine und digitale Intelligenz nahtlos zusammenarbeiten. Es wird neue Geschäftsmodelle geben, neue Rollen, neue Kompetenzen.Das tönt nach einer spannenden Zukunft.Ja, aber wir müssen die richtigen Schritte jetzt machen. Digitalisierung ist kein Selbstläufer. Wir sind noch nicht am Ziel, aber wir sind auf einem guten Weg. Kurzprofil Gianluca Genova ist ein führender Experte für die digitale Transformation der Bau- und Immobilienbranche. Als Geschäftsführer der MetaXD AG treibt er innovative Crowdsourcing-Modelle voran, die Unternehmen mit digitalen Talenten verbinden und den Fachkräftemangel adressieren. Genova ist Vorstandsmitglied von «Bauen digital Schweiz» und leitet die Expertengruppe «Digital Next Gen», die sich der Förderung digitaler Talente und zukunftsweisender Technologien widmet. Über den Autor Thomas Staffelbach [email protected] Artikel teilen
Freitag, 25.4.2025 Baumaterialien | News | Umwelt & Nachhaltigkeit Intelligentes Bauen mit Beton Von der Planung bis zum Rückbau: Beton ermöglicht langlebige, flexible und ressourcenschonende Bauwerke, die sich an zukünftige Anforderungen anpassen...
Freitag, 25.4.2025 Baumeister 5.0 | Digitalisierung | News Baumaschinen und Roboter direkt aus dem Büro steuern