«Wir dürfen ungeniert abluege»

Zindel United beschäftigt rund 450 Mitarbeitende. Personalbetreuung und Personalentwicklung werden im Maienfelder Familienbetrieb grossgeschrieben. Melanie Salis, Leiterin Campus, gibt Einblicke.

 

Baufachkräfte sind schweizweit rar. Wie präsentiert sich die Situation in Graubünden?

Eine aktuelle Studie bestätigt leider wieder, dass der Kanton Graubünden im Fachkräfteindex das Schweizer Schlusslicht ist. Das Bauhauptgewerbe ist nicht so stark betroffen wie beispielsweise das Gastgewerbe. Aber ja, wir spüren den Mangel.

 

Zindel United hat Strukturen aufgebaut, um sich optimal um jene Fachkräfte zu kümmern, die im Unternehmen tätig sind. Eine Präventiv-Massnahme?

Natürlich. Unter dem Stichwort «Campus» bieten wir unseren rund 450 Mitarbeitenden im Unternehmen verschiedenste Angebote und Dienstleistungen an. Sie sollen dazu beitragen, dass es ihnen gut geht, dass sie sich in ihren individuellen Anliegen ernst genommen fühlen – und ja, wenn alles zusammenpasst, ihren Weg gerne bei uns weitergehen. In unserem «Campus» fliesst Know-how aus allen Richtungen zusammen. Von der Geschäftsleitung, vom HR, von unserem internen Care-Team, aber auch von externen Fachleuten, mit denen wir eng zusammenarbeiten.

 

Wie unterstützen Sie die Mitarbeitenden?

Indem wir für sie da sind, sie begleiten und auf Herausforderungen eingehen, die unterwegs auftauchen. Durch einen kontinuierlichen Austausch können wir den Mitarbeitenden Angebote machen, die individuell zu ihnen passen: Einzel- oder Gruppen-Gespräche, Coachings, interne oder externe Aus- und Weiterbildungen, Therapiemöglichkeiten bei externen Fachstellen. Die Möglichkeiten sind vielfältig.

 

Hilft das der Unternehmung in Zeiten des Fachkräftemangels?

Als einzelne Unternehmens-Gruppe können wir die Ursachen des Fachkräftemangels nicht beseitigen. Deshalb konzentrieren wir uns auf Massnahmen, die wir aktiv umsetzen können. Die ausgebaute Personalbetreuung und -Entwicklung sind wichtige Aspekte davon. Ebenfalls zentral ist unser starker Fokus auf die Berufsbildung. Sie bietet uns einen direkten Hebel, um Fachkräfte für morgen und übermorgen zu gewinnen.

 

Wie gehen Sie vor, damit Sie den Baunachwuchs nach dem Lehrabschluss nicht verlieren?

Wir entwickeln gemeinsame Perspektiven. Mit jenen, die nach dem Abschluss bei und bleiben, steigen wir in eine zweijährige Evaluations- und Planungsphase ein, die wir «Facharbeiter plus» nennen. Die Absolvierenden sind in dieser Zeit in ihren Lehrberufen tätig. Daneben loten wir zusammen die fachliche Positionierung und ggf. die Eignung für Führungspositionen aus. Wir machen damit gute Erfahrungen, die meisten unserer Lernenden bleiben nach dem Abschluss bei uns.

 

Auf wie viele Jahre hinaus planen Sie solche Karrieren?

Mit unseren Absolventen schauen wir zunächst einmal zwei Jahre in die Zukunft. Danach sind es erfahrungsgemäss maximal fünf Jahre, die man mit einer seriösen Karriereplanung anpeilen kann. Wichtig ist, dass man trotz aller Planung stets flexibel bleibt. Umstände und Pläne können sich beiderseits ändern.

 

Die physische und psychische Beanspruchung einer Laufbahn im Baugewerbe ist ausgeprägt. Was unternehmen Sie, damit Ihre Mitarbeitenden wohlauf bleiben und in der Lage sind, ihre Tätigkeiten idealerweise bis zur Pension weiterzuführen?

Aus unserem «Campus»-Ansatz heraus greifen wir verschiedene Gesundheitsthemen auf. Wir führen beispielsweise Gesprächsrunden zu Themen wie Resilienz, Burnout und Stress durch. Punktuell holen wir Fachleute hinzu, beispielsweise von den Psychiatrischen Diensten Graubünden. Um auch das physische Wohlbefinden anzusprechen, bieten wir wöchentliche polysportive Trainings mit einer professionellen Trainerin an.

 

Werden solche Angebote genutzt?

Ja, gerne und rege. Wir stellen aber fest, dass jüngere Mitarbeitende tendenziell leichter Zugang finden zu solchen Angeboten. Bei älteren Mitarbeitenden braucht es auch mal einen Schubs von uns, damit Angebote genutzt werden.

 

Wie ist der Altersmix bei Zindel-United?

Unsere Mitarbeitenden decken das komplette Altersspektrum der erwerbstätigen Bevölkerung ab. Zahlenmässig am stärksten vertreten ist bei uns aktuell die Altersgruppe der 40 bis 50-Jährigen.

 

Welche Bedeutung haben ältere Mitarbeitende für das Unternehmen?

Sie sind wichtig und werden noch wichtiger. Denn je schwieriger es ist, Fachkräfte zu finden, desto wichtiger ist es, ältere Mitarbeitende bis zur Pension und manchmal sogar darüber hinaus im Betrieb zu halten. Ältere Mitarbeitende verfügen über wertvolles Know-how. Wir schaffen gezielt Gelegenheiten, damit sie es an die jüngere Generation weitergeben können. Erst diesen Frühling begleitete ein pensionierter Polier unsere Lernenden ins Calancatal, wo sie gemeinsam ein Projekt ausführten. Das sind coole Aktionen, die den unbezahlbaren Wissenstransfer fördern.

 

Wie gehen Sie mit älteren Mitarbeitenden um, die in die Schlussphase ihrer Laufbahn gehen?

Wir sehen Unterschiede zwischen Büro- und Baustellenberufen. In Bürofunktionen haben Mitarbeitende selbst in ihren Fünfzigern oft den Wunsch, nochmals einen Schritt zu machen oder eine Anpassung vorzunehmen. Da bieten sich zahlreiche Möglichkeiten. Fachkräfte, Vorarbeiter und Poliere dieser Altersklasse erleben wir anders. Vorausgesetzt, sie sind grundsätzlich zufrieden mit ihrer Arbeit, streben Sie an diesem Punkt in der Regel nicht mehr nach Anderem. Sie wollen in ihrer Funktion ins Ziel kommen. Dabei unterstützen wir sie.

 

Was sind gängige Fehler, welche die Branche in der Personalentwicklung und -begleitung macht?

Ich möchte nicht von Fehlern reden, sondern von Möglichkeiten. Um mit der angespannten Personal-Situation umgehen zu können, ist es entscheidend, dass wir offen sind für Ideen und Inputs aus allen Richtungen. Bei Zindel United pflegen wir einen regen Austausch und bilden Allianzen über die Branche hinaus. Dabei zeigt sich immer wieder, dass wir als Unternehmung oder als Branche die Welt nicht neu erfinden müssen. Es gibt Firmen und Wirtschaftszweige, die in Personalfragen weiter sind als wir. Mit denen dürfen wir reden und von denen dürfen wir ungeniert «abluege».

 

Über den Autor

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Schweizerischer Baumeisterverband

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