«Zinsen bleiben bis 2023 niedrig»

Die rasche Erholung der Wirtschaft nach der ersten Corona-Krise liess die Preise steigen. In letzter Zeit mehren sich Meldungen über eine hohe Inflation, insbesondere in den USA und in der Eurozone. Was bedeutet das für die Entwicklung der Zinsen bei uns? Und welchen Einfluss hat es auf die Bautätigkeit?

 

Als das Coronavirus dazu führte, dass ein Land nach dem anderen in den Lockdown ging und das wirtschaftliche wie soziale Leben heruntergefahren wurde, kam es zu einer Rezession. Doch obwohl die Pandemie uns nach wie vor beschäftigt, zieht die Konjunktur weltweit wieder an. Mit einem Wiederbeleben der Wirtschaft geht in der Regel auch ein Anstieg der Preise einher. In letzter Zeit mehren sich die Meldungen über eine hohe Inflation, insbesondere in den USA und in der Eurozone. Was ist nun mit der Schweiz?

Was eine Inflation ist

Eine Inflation misst, wie sich die Preise für Konsumenten heute im Vergleich zu vor einem Jahr verändern. «Heute» kann dabei der aktuelle Monat zum Vorjahresmonat, das aktuelle Quartal zum Vorjahresquartal oder das aktuelle Jahr zum Vorjahr bedeuten. Dabei kann die Inflation in den einzelnen Ländern voneinander variieren. In den USA hat die Inflation im Juni 2021 sehr hohe 5.4 Prozent erreicht. In der Eurozone belief sie sich auf 1.9 Prozent. In der Schweiz aber betrug die Teuerung bloss 0.6 Prozent.

Das muss nicht verwundern. In den letzten Jahren zeigte sich bereits, dass die Inflation in der Schweiz wesentlich niedriger lag und deutlich weniger stark schwankte als in den USA oder in der Eurozone. Deshalb sollten die aktuellen Meldungen über die ungewohnt hohen Inflationsraten nicht die Verbraucher in der Schweiz verunsichern. In fünf der letzten zehn Jahre sind die Preise in der Schweiz gesunken. Nur in einer Handvoll Ländern weltweit sind die Preise so oft gefallen wie bei uns. Im von Corona geprägten Jahr 2020 verbilligten sich die Produkte und Dienstleistungen in der Schweiz um 0.7 Prozent.

Die Rolle der europäischen Zentralbank

Die Aufgabe der Europäischen Zentralbank ist es, die Inflation in der Eurozone im Zaum zu halten. Sie strebt eine Inflation von 2% an. Sie hat Ende Juli eine neue Taktik angekündigt, in deren Folge man davon ausgehen kann, dass sie die Zinsen erst wieder 2024 anheben wird. Die Möglichkeiten für die Schweizerische Notenbank (SNB), die Schweizer Zinsen früher anzuheben, sind damit eng begrenzt, weil sie sonst den Franken stärkt.

Temporäre Preissteigerungen

Im ersten Quartal 2021 lag die Inflation in der Schweiz noch bei -0.4 Prozent, mittlerweile ist sie auf 0.6 Prozent gestiegen. Weiter prognostiziert die SNB, dass die Teuerung im Schlussquartal 1.0 Prozent erreicht. Anschliessend dürfte die Inflation laut SNB jedoch wieder sinken.

Worauf basiert diese Einschätzung? Die SNB ist der Ansicht, dass die Faktoren, welche die Preise derzeit hochtreiben, nur vorübergehender Natur sind. Wegen Corona wurden viele Produktionsstätten heruntergefahren, das Angebot an Waren wurde also gedrosselt. Die weltweit überraschend rasant anziehende Nachfrage, etwa als Folge grosser staatlicher Konjunkturprogramme, hat die Firmen auf dem falschen Fuss erwischt. Produktionsmaschinen, Lieferketten und Transportkapazitäten lassen sich eben nicht mit einem Fingerschnippen wieder hochfahren. Dies benötigt Zeit, gemäss SNB wohl noch bis Ende 2021. Bis dahin werden die Produktionsengpässe allmählich geschlossen, das Angebot schrittweise ausgeweitet und normalisiert.

Die Inflation soll gemäss dem jüngsten Quartalsbericht der SNB dieses Jahr im Schnitt 0.4 Prozent betragen und 2022 sowie 2023 jeweils 0.6 Prozent. Damit bewegt sich die Teuerung bequem im Zielband der SNB von 0 Prozent bis 2 Prozent, eine Erhöhung der Schweizer Zinsen erscheint damit weiterhin sehr unwahrscheinlich.

Der Schweizerische Baumeisterverband geht also davon aus, dass die Teuerung kurzfristig und mittelfristig auf einem tiefen Niveau bleibt und damit auch die Zinsen in der Schweiz mindestens bis Ende 2023 unverändert niedrig bleiben. Sie werden damit die Bauaktivität weiterhin stimulieren.

Über den Autor

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Martin Maniera

Ökonom & wissenschaftlicher Mitarbeiter Politik

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