BIM-Ausschreibungen: Aktueller Stand und nächste Schritte

Öffentliche Bauherren erkennen zunehmend das Potenzial, das BIM in der Planung, Ausführung und insbesondere im Betrieb für sie als Bauherrschaft bietet. Einzelne Bauherren schreiben nun auch bereits modellbasiert aus – das bedeutet, dass auf ein klassisches Leistungsverzeichnis verzichtet wird und möglichst viele Informationen im Modell enthalten sind. Da aber nicht alle Daten im Modell abgebildet werden können, wenden die Bauherren unterschiedliche Strategien an, um die fehlenden Attribute mitzuliefern.

 

Einige Beispiele der bereits angewendeten Methoden (nicht abschliessend):

Modell und LV (Excel) nach eBKP-T (EP/Ausmass): Diese Methode wird beispielsweise von der ATB des Kanton Aargau verwendet.

Modell und NPK-LV (EP/Ausmass): Hierbei werden gewisse NPK-Positionen modellbasiert direkt oder indirekt aus den BIM-Objekten berechnet, die restlichen werden konventionell mit NPK berechnet. Dies stellt z.B. die derzeitige Strategie des TBA Kanton Zürich dar.

Modell und zusammengefasst NPK-Positionen via Excel-Preisblatt: Hierbei werden rund 75% aller Positionen ermittelt und der Rest auf Basis von Erfahrungswerden geschätzt. Diese Methode wird beispielsweise von der Gemeinde Küsnacht angewendet.

Modell und NPK-112/228 wird beispielsweise von der Stadt Zürich verwendet.

Daneben werden noch weitere Methoden angewendet. Die Herausforderungen für die Bauunternehmen liegen auf der Hand: Die fehlende Standardisierung von BIM-Ausschreibungen und Kalkulationsmethoden und die Einzellösungen der Bauherren resultieren in Mehraufwand und höherem Risiko.

 

SBV-Projekt zu öffentlichen BIM-Ausschreibungen

Der SBV will hier Abhilfe schaffen und hat Mitte 2023 ein Projekt zu BIM-Ausschreibungen gestartet. Das Ziel dieses Projekts ist die Erarbeitung einer möglichst einheitlichen Haltung zu BIM-Ausschreibungen, welche der SBV gegenüber Bauherren und dem Markt vertreten kann. Zudem sollen konkrete Lösungsvorschläge in Form von Minimalanforderungen für die Verbesserung von künftigen BIM-Ausschreibungen in der Praxis resultieren.

Die Ende 2023 durchgeführte Branchenvernehmlassung haben mehr als 260 Teilnehmende abgeschlossen, was die derzeitige Relevanz des Themas widerspiegelt. Die Ergebnisse sind teils durchmischt, teils eindeutig und bieten eine gute Grundlage für die Erarbeitung eines minimalen Anforderungskatalogs bei modellbasierten Ausschreibungen.

 

Ergebnisse und Kernaussagen

Folgende Aussagen haben einheitliche Zustimmung erhalten:

 

  • Aussage 1: BIM-Ausschreibungen verursachen einen höheren Aufwand für die Erstellung von Angeboten.
  • Aussage 2: Die Bearbeitung einer BIM-Ausschreibung erfordert momentan mehr Zeit (Eingabefristen).
  • Aussage 4: BIM-Ausschreibungen sind herausfordernd, weil Bauherren unterschiedliche Methoden dafür verwenden. (Fehlende Standardisierung)
  • Aussage 6: Im BIM-Modell lassen sich Ausführungsvoraussetzungen bzw. Rahmenbedingungen besser erkennen als in 2D-Plänen.
  • Aussage 7: Im BIM-Modell lassen sich die Mengen (Vorausmasse) eindeutiger quantifizieren und schneller aus einem strukturierten Modell ziehen gegenüber 2D-Plänen.
  • Aussage 8: Aktuell ist die Qualität von BIM-Ausschreibungen in der Praxis meist ungenügend.
  • Aussage 9: BIM-Ausschreibungen setzen einen höheren Planungslevel voraus, als dies bei konventionellen Ausschreibungen üblich ist. (Projektreife)
  • Aussage 10: In einem BIM-Modell sollte der Bauablauf erkennbar sein (z.B. Etappierung).
  • Aussage 11: Eine BIM-Ausschreibung sollte unter Verwendung eines standardisierten Bauteilkataloges erfolgen und Mengenangaben enthalten.
  • Aussage 12: Standardisierte Bauteile bestehen aus einer überblickbaren Anzahl von kostenrelevanten und maschinenlesbaren Attributen. (Attribute dürfen keinen Individualtext enthalten)
  • Aussage 14a: Die Methodik zur Kalkulation von Bauteilen sollte standardisiert werden.
  • Aussage 15: Bewerber, die keinen Zuschlag erhalten haben, sollten über die Gründe informiert werden. (Debriefing)

 

Der derzeitige Mehraufwand bei Ressourcen und Zeit ist zu einem grossen Teil der fehlenden Standardisierung geschuldet, was dazu führt, dass Ausschreibungen uneinheitlich und qualitativ (noch) ungenügend daherkommen. Auf der anderen Seite sind sich die Unternehmen der Vorteile von BIM-Ausschreibungen bewusst: Richtig umgesetzt, lassen sich die Ausführungsvoraussetzungen besser erkennen sowie die Mengen eindeutiger quantifizieren als mit 2D-Plänen. Bis sich ein branchenweiter Standard etabliert, sind noch einige Anstrengungen nötig. Es lassen sich aber bereits diverse Anforderungen formulieren, welche der SBV im Dialog mit den öffentlichen Bauherren einbringen kann.

Bei den folgenden Aussagen gab es entweder kein eindeutiges Ergebnis oder signifikante Unterschiede bezüglich der Unternehmensgrösse:

  • Aussage 3: BIM-Ausschreibungen führen zu höheren Risiken für den Unternehmer.
  • Aussage 5: BIM-Ausschreibungen sind herausfordernd, weil im Unternehmen das notwendige Know-how (noch) fehlt.

Kleinere Unternehmen schätzen das zusätzliche Risiko höher ein als grössere Unternehmen. Ebenso geben kleinere Unternehmen das fehlende Knowhow im Unternehmen als grosse Herausforderung an. Dies leuchtet durchaus ein, da grosse Unternehmen einfacher zusätzliche Ressourcen für Pilotprojekte einsetzen können. Der SBV ist sich der Problematik bewusst und hat darum als ersten Schritt ein Videotutorial «Erste Schritte im Umgang mit digitalen Bauwerksmodellen» erarbeitet. Das Tutorial richtet sich an Erstanwender und zeigt, wie wesentliche Informationen aus einem digitalen Modell entnommen werden können. Weitere Massnahmen sind in Planung.

 

Über den Autor

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Moritz Lüscher

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