Kartellrecht: Praxis muss für KMU praxistauglich sein

Warum eine Standortbestimmung notwendig ist und wie praxistauglich das neue Kartellrecht für kleinere und mittlere Unternehmen ist.

 

Bauenschweiz bekennt sich zu einem wirksamen, fairen Wettbewerb und lancierte eine Erklärung gegen Korruption und kartellrechtliche Verstösse in der Schweizer Bauwirtschaft. Verschiedene Berufs- und Branchenverbände unterstützen dieses Ziel mit eigenen Massnahmen wie Rechtsauskünften, Merkblättern, Seminaren oder sogar mit der Einbettung in die Aufnahmebestimmungen für neue Mitgliedsunternehmen. Damit konnte in den letzten Jahren viel erreicht werden. Trotzdem engagiert sich Bauenschweiz und ich als deren Präsident für eine dringend notwenige Standortbestimmung im Kartellgesetz.

In der KG-Revision 1995 wurde ein wichtiger Grundsatz verankert. Dieser wurde seither vom Gesetzgeber nicht angepasst. Massgebend sei, ob die Auswirkungen einer Wettbewerbsbeschränkung volkswirtschaftlich oder sozial schädlich sind. Nur wenn die Schädlichkeit im Einzelfall festgestellt wird, ist damit die Wettbewerbsbeschränkung unzulässig. In der Zwischenzeit hat sich die Kartellrechtspraxis von diesem Grundsatz entfernt. Im direkten Austausch mit Unternehmen aus allen Branchen der Wirtschaft wurden mir Beispiele genannt, die diese Entwicklung aufzeigen.

Lassen sie mich das bekannteste Beispiel aus den Medien kurz schildern: Die Skifirma Stöckli stellte 2004 mit einzelnen Fachverkäufern Regeln zu den Verkaufspreisen auf. Als die Verträge geschlossen wurden, waren diese Regeln legal. Dann änderte sich das Gesetz. Ein klar entlastender Umstand der nicht ausreichend gewürdigt wurde. Die WEKO wies zudem nicht nach, dass diese Regeln den Kunden und Kundinnen oder der Volkswirtschaft tatsächlich geschadet haben oder sich die Händler tatsächlich an diese gehalten haben. Die WEKO sprach eine Busse aus, ohne den geringsten Beweis für die Schuld von Stöckli zu haben. Das Gesetz ist diesbezüglich aber klar: Die WEKO muss nicht nur belastende, sondern auch entlastende Informationen für eine Untersuchung sammeln und den vollen Beweis für die Schuld eines Unternehmens erbringen. Aus verfahrensökonomischen Gründen wird dies jedoch oft unterlassen.

Die aktuelle Praxis und Struktur der WEKO sind nicht mehr zeitgemäss und müssen angepasst werden. Richter und Henker sind zu eng verbunden! Aus diesem Grund habe ich 2021 meine Motion «Untersuchungsgrundsatz wahren. Keine Beweislastumkehr im Kartellgesetz» eingereicht und engagiere mich mit meinem Kollegen Ständerat Olivier Français für eine Korrektur der Praxis hin zu einem KMU-tauglichen und praxisnahen Kartellgesetz. Beide überwiesenen Motionen werden im Rahmen der «kleinen» Revision umgesetzt. Diese wird aktuell im Ständerat behandelt. Die Umsetzung geht in die richtige Richtung. Die volle Wirkung entfaltet diese aber nur, wenn auch Anpassungen an den Institutionen vorgenommen werden. Der Bundesrat leitete Arbeiten zu einer solchen Reform der Wettbewerbsbehörden ein.

Es ist zu hoffen, dass wir mit einer längst überfälligen «kleinen» Revision nicht den «Spatz in der Hand haben, aber noch lange auf die Taube auf dem Dach warten». Ich bleibe sicher dran, damit dies nicht geschieht!

©Bauenschweiz

Zur Person

Der Autor Hans Wicki ist Ständerat und Präsident von Bauenschweiz.

Über den Autor

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Schweizerischer Baumeisterverband

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