«Mit dem Genderstern ist es nicht getan»

Viel Mut, ein cleveres Mindset und eine harte Schale in der männerdominierten Baubranche: Barbara Pulfer ist seit über 30 Jahren bei der Wirz AG Bauunternehmung tätig, zuerst als Maurerin, seit 29 Jahren als Bauführerin. Ihre Gedanken zu Frauen auf dem Bau.

Der Fachkräftemangel bewirkt, dass Ausbildner neue Zielgruppen ins Auge fassen. Im Bauhauptgewerbe sind das Mädchen und Frauen, die untervertreten sind. Sie als Lernendenbetreuerin der Wirz AG Bauunternehmung haben bereits junge Frauen zur Maurerin ausgebildet. Wie waren Ihre Erfahrungen?

• Sehr positiv, die jungen Frauen werden geschätzt, tragen sie doch dazu bei, dass sich auch die Umgangsformen und die gegenseitige Wertschätzung verändert, da sie für einen respektvolleren Umgang untereinander sorgen. Frauen verfügen über andere soziale Kompetenzen, welche Männer beeinflusst anders zu denken, was wiederum zu einem positives Arbeitsklima führt.

Haben Sie beobachtet, dass gewisse Aspekte des Maurerberufes für Mädchen attraktiver sein könnten als der Rest?

Frauen haben viel Flair für Detailarbeit, zum Beispiel im Kundenbereich, bei Renovationen oder bei historischen Sanierungen. Die zunehmende Digitalisierung könnte einen weiteren interessanten Bereich für die Mädchen öffnen.

Auf der Baustelle sind Teamplayer gefragt – Mädchen suchen sich häufig Berufe, in denen sie mit anderen zusammenarbeiten können. Sollte man diesen Aspekt in der Berufswerbung stärker betonen?

Ja, das ist durchaus ein guter Gedanke. Bauarbeiten werden ja grösstenteils in Teamarbeit ausgeführt.

Sollen Betriebe Initiativen und Programme lancieren, um in ihrer Berufswerbung vermehrt Mädchen anzusprechen?

Unbedingt, um genderneutral Fachkräfte zu finden. Leider habe ich gerade keine konkrete Idee, wie man dies umsetzen könnte.

Im deutschen Sprachgebiet wird häufig moniert, dass Frauen sprachlich oft vergessen werden. Aus diesem Grund wurde der Genderstern eingeführt. Ist die Lösung des Problems so simpel?

• Mit dem Genderstern ist es nicht getan, es braucht weitere Anstrengungen. Wir sollten versuchen die Gesellschaft zu beeinflussen: Frauen können der geistige Kopf eines Team sein, es gilt die Nischen zu erkennen, welche durch Frauen gefüllt werden können.

Ich kehre die Sichtweise mal um: Welche Kriterien sollten Mädchen erfüllen, um von Ihnen als Maurerlernende angestellt zu werden?

Dieselben, die ich auch an junge Männer stelle: Sie sollten Leidenschaft für den Beruf mitbringen, dafür «brennen», mental robust sein und Durchhaltewillen haben

Was ändert sich, wenn auf Baustellen mehr Frauen arbeitet? Welchen Herausforderungen muss sich dann das Bauunternehmen stellen?

Frauen leisten dieselbe Arbeit, wenn Sie sich für die Ausbildung und den Beruf des Maurers entscheiden, daher ändert sich für mich nichts.

Welche Art von Unterstützung bieten Sie Mädchen während ihrer Ausbildung an, um sicherzustellen, dass sie sich in einer von Männern dominierten Umgebung wohl fühlen?

• Als Frau in der Unterzahl, bin ich wie die Henne im Korb, da fühle ich mich wohl. Spass bei Seite, dies ist sicher von der jungen Frau abhängig, die die Ausbildung absolviert. Ich versuche feinfühlig herauszufinden, wie ich unterstützen kann, wo Bedarf ist. Der Maurerinberuf ist eine super Fundament für ein enorm breites Spektrum der Weiterbildung: klassisch in der Brache aber auch Richtung Produkteentwicklung, Forschung etc.

Welche Schritte unternehmen Sie, um sicherzustellen, dass Mädchen während ihrer Ausbildung die gleichen Chancen auf Fortschritt und Weiterbildung haben wie ihre männlichen Kollegen?

Ich persönlich tendiere aufgrund meines Hintergrundes dazu, Frauen noch mehr zu unterstützen als Männer. Daneben bin ich in erster Linie Vorbild: ich bin seit über dreissig Jahren in der technischen Arbeitswelt, der Baubranche, tätig. Gewiss müssen Frauen besser sein als die Männer, um als gleichwertig wahrgenommen zu werden. Ich kann jungen Frauen bei der Berufswahl nur empfehlen Mut zu haben, die Leidenschaft für die Technik auszuleben und diesen Weg einzuschlagen.

Welche Massnahmen ergreifen Sie, um mögliche Vorurteile oder Geschlechterstereotype in Bezug auf die Rolle von Frauen in der Maurerbranche zu bekämpfen?

Am besten ist es, Stereotype gar nicht entstehen lassen, also der Person und ihrer Persönlichkeit die Aufmerksamkeit zu schenken und nicht dem Geschlecht.

Sie selbst sind ein gutes Beispiel, dass Frauen in der Baubranche Karriere machen können – der SBV zeigt unter anderem in dieser Ausgabe der Schweizer Bauwirtschaft auf, dass Frauen auf dem Bau Erfolgsgeschichten zu schreiben vermögen. Soll man solche Erfolge noch stärker als bisher sichtbar machen?

Unbedingt, denn an solchen Vorbildern können sich junge Frauen orientieren.

Braucht es zum Beispiel mehr Möglichkeiten für Teilzeitarbeit, wenn die Branche mehr Frauen anziehen möchte?

Das fordern nicht nur Frauen, sondern auch Männer. Die Teilzeitarbeit ist und wird einen immer grösseren Stellenwert in der Arbeits- und Bauwelt einnehmen. Teilzeit ist immer nur eine Frage der Organisation und des Willens, diese anzubieten. Sie könnte in Bezug auf den Fachkräftemangel jedoch Anreize schaffen, Menschen für unsere Branche zu gewinnen.

Welche langfristigen Ziele oder Visionen haben Sie bezüglich des Themas «Frauen auf dem Bau»? Ist eine ausgewogenere Geschlechterverteilung in der Maurerlehre und im Bauhauptgewerbe insgesamt zu erreichen?

Ich glaube nach wir vor daran, allerdings sehe ich, dass dieses Ziel eher langfristig umgesetzt wird. Man muss die Frauen auf dem Bau noch sichtbarer machen. Im asiatischen Raum arbeiten in allen Berufen sowohl Männer als auch Frauen, da wird kaum nach dem Geschlecht unterschieden. Sie leben das einfach.

Welche spezifischen Herausforderungen sehen Sie bei der Gewinnung von Mädchen für eine Ausbildung im Baugewerbe, insbesondere in der Maurerbranche?

Es muss ein Umdenken stattfinden. Es muss uns gelingen die Eltern zu beeinflussen, da diese die Jungen Menschen und insbesondere Mädchen am stärksten bei der Berufswahl und Karriereplanung beeinflussen.

 

Zur Person

Barbara Pulfer begann als Maurerin bei der Wirz AG und ist seit 29 Jahren Bauführerin. Dannzumal war sie die dritte Bauführerin, die in der Schweiz ausgebildet wurde. Sie ist bei der Wirz AG Bauunternehmung als Berufsbildnerin für die Lernenden Maurer zuständig – zum Zeitpunkt des Interviews hatte sie gerade fünf Schulklassen im Betrieb. In ihrer Freizeit wirkt sie als Gemeinderätin und Vorsitzende der Baukommission in der Gemeinde Moosseedorf – Verwaltungskreis Bern-Mittelland.

Über den Autor

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Susanna Vanek

Redaktorin / Spezialistin Kommunikation

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