«Oft sind gar keine grossen Investitionen nötig»

Moritz Lüscher, Leiter Digitalisierung beim Schweizerischen Baumeisterverband SBV, erläutert, warum es sich für Bau-KMUs lohnt, auf die Digitalisierung zu setzen.

 

Die Baubranche hat die Wichtigkeit der Nachhaltigkeit und der Kreislaufwirtschaft erkannt. Welche Rolle spielt in diesem Zusammenhang die Digitalisierung?

Natürlich sind effizientere Bauprozesse, welche durch digitale Tools und Methoden ermöglicht werden, auch nachhaltiger. Für Bauunternehmen stellt sich aber primär die Frage, wie die Nachhaltigkeit und die Digitalisierung künftig die Vergabe von Aufträgen beeinflussen. Eignungs- und Zuschlagskriterien bzgl. Nachhaltigkeit wie auch digitalen Bauprozessen sind Besteller-getrieben und nehmen derzeit stark zu, das heisst die Bauunternehmen müssen schlussendlich die erwarteten Kompetenzen mitbringen. Als SBV ist es unsere Aufgabe, die Anforderungen beider Seiten – also der Ausschreibenden und Ausführenden – aufeinander abzustimmen und somit unseren Mitgliedern die bestmöglichen Rahmenbedingungen zu ermöglichen.

 

In der Gesellschaft hat die Digitalisierung einen Sharing Boom ausgelöst: Um Kosten, Energie und Rohstoffe zu sparen kaufen Private etwa Geräte nicht mehr, sondern mieten sie bei Bedarf. Einzelne Handelsunternehmen wie HGC bieten auch die Miete von Geräten an. Wie beurteilen Sie das?

Wir haben das in den letzten Jahren mit AirBnB, Booking oder Uber bereits in anderen Bereichen beobachten können. Auch Baumaschinen und Baugeräte sind sowohl in der Anschaffung wie auch im Unterhalt teuer. Leerlaufzeiten kosten viel und gilt es bestmöglich zu verringern. Darum kann es durchaus Sinn machen, solche Geräte bei Nichtnutzung an andere Unternehmen zu vermieten. Kleinere Bauunternehmen erhalten damit die Möglichkeit, bestimmte Maschinen als Mieter für einzelne Projekte nutzen zu können – ohne selbst die hohen Anschaffungsinvestition tätigen zu müssen. Wichtig ist, dass der ganze Prozess effizient und transparent abläuft, es also z.B. keine Fragen bzgl. Versicherung gibt.

 

In welche Richtung könnte die Entwicklung gehen?

Mit zunehmender Reife des Angebots an Sharing-Plattformen wird das Sharing von Baugeräten wohl an Bedeutung gewinnen. Das heisst, je einfacher ich als Suchender etwas finden und mieten oder als Anbieter etwas inserieren und vermieten kann, desto eher nutze ich das Angebot. Mit Faroo gibt es bereits eine Plattform, die das Mieten und Vermieten äusserst effizient macht. Je mehr Firmen mitmachen, desto interessanter wird es für alle Beteiligten.

 

Mit welchen digitalen Tools können Bauunternehmen feststellen, ob ein Kauf, ein Leasing oder aber eine temporäre Miete einer Maschine wirtschaftlicher ist?

Dafür genügt eine einfache Kostenrechnung. Der Kostenrechner der European Rental Association beispielsweise erlaubt eine individuell abgestimmte Berechnung.

 

Wir haben bisher von Betrieben gesprochen, die einen hohen Grad an Digitalisierung aufweisen. Das gilt noch nicht für alle Schweizer Bauunternehmen. Was können die Verantwortlichen von Betrieben unternehmen, um festzustellen, wie sie in Sachen Digitalisierung dastehen?

Dafür müssen wir zuerst definieren, was die unterschiedlichen Begriffe genau bedeuten. Digitalisierung bedeutet lediglich eine Prozessautomatisierung mit Unterstützung von Technologien. Die digitale Transformation beschreibt hingegen eine ganzheitliche Strategie, um kundenorientiert und mit optimierten Prozessen neue Technologien und Daten zu nutzen und wettbewerbsfähiger zu werden. Um herauszufinden, welcher Weg der richtige ist, sollte zuerst der digitale Reifegrad des Unternehmens ermittelt werden. Auf Basis dieser Maturitätsanalyse werden die Ziele und verfügbaren Ressourcen definiert. Je nach gewünschtem Aufwand können unterschiedliche Wege eingeschlagen werden: Z.B. eine reine Prozessautomatisierung mit modernen Technologien; strategische Einzelinitiativen durch Priorisierung mehrerer Handlungsfelder - etwa neue Geschäftsmodelle oder ein modernes Arbeitsumfeld - oder eine ganzheitliche Transformation, bei ein digitaler Masterplan für sämtliche Handlungsfelder erarbeitet wird.

 

Welche Unterstützung bietet der SBV Unternehmen, die besser werden möchten in Sachen Digitalisierung?

Seit Kurzem bieten wir persönliche Beratungen für unsere Mitglieder an. Bei einem Erstgespräch werden die Hintergründe und die individuellen Ziele des Unternehmens betrachtet. Die Betriebs-verantwortlichen ermitteln anschliessend den digitalen Reifegrad über unser eigenes SBV-Tool. Schlussendlich wird mit einer Kosten/Nutzen-Abwägung der Umfang der Transformation festgelegt. Also ob reine Prozessautomatisierung, strategische Einzelinitiativen, oder eine ganzheitliche Digitalstrategie. Für alle Optionen stehen die Experten des SBV oder dessen kompetente Partner zur Verfügung.

 

Wie läuft der Prozess in einem Betrieb, der stärker auf die Digitalisierung setzen möchte, idealerweise ab?

Wichtig ist, dass damit eine Strategie verfolgt wird. Der Kauf von teuren Geräten oder einer neuen Software sollte gut überlegt sein und einem vordefinierten Zweck dienen. Oft sind gar keine grossen Investitionen nötig und es können mit überschaubarem Aufwand bereits messbare Erfolge erzielt werden. Ebenso ist die Digitalstrategie nie abgeschlossen, sondern sollte periodisch überprüft und den neusten Umständen angepasst werden.

 

Nicht nur die Technik oder die Maschinen sind zentral, wichtig ist auch der Faktor Mensch. Was können die Verantwortlichen von Bauunternehmen tun, damit die Mitarbeitenden bei der Digitalisierung mitziehen?

Menschen sind die wichtigsten Ressourcen für den nachhaltigen Erfolg. Führungskräfte sollten durch innovatives Denken und mit Begeisterung für die digitale Transformation vorangehen und die Mitarbeitenden dabei frühzeitig mit einbinden: Um von deren Fähigkeiten zu profitieren, ein einheitliches Verständnis zu schaffen und die Motivation für Veränderungen zu fördern. Und natürlich müssen die Mitarbeitenden die notwendigen Skills und Kompetenzen für die neuen Arbeitsschritte haben. Mit gezielten Weiterbildungen im Bereich digitales Bauen können ihnen gleichzeitig auch neue Perspektiven geboten werden.

 

Sehr viele Bauunternehmen haben einen Verantwortlichen in Sachen Digitalisierung. Ist die Digitalisierung aber nicht Chefsache?

Doch, absolut. Realistischerweise sind Geschäftsführer/innen aber meist zu fest im Tagesgeschäft eingenommen, um strategische Initiativen voranzutreiben. Ein Digitalisierungsverantwortlicher, der Teil der Geschäftsleitung ist und entsprechende Kompetenzen aufweist kann also durchaus Sinn machen.

 

Neue Vertragsmodelle wie eine Projektallianz, die eine Transparenz bei allen Daten bedingt, sind mit einem hohen Digitalisierungsgrad einfacher umzusetzen. Sich in Sachen Digitalisierung weiterentwickeln heisst für die Bauunternehmen, dass sie kontinuierlich investieren müssen. Rechnet sich der Aufwand?

Es gibt ja nicht den «einen Aufwand» für die Digitalisierung, sondern gezielte Investitionen, um spezifische Ziele zu erreichen. Wenn diese auf einer soliden Strategie basieren, lohnt sich auch der entsprechende Aufwand.

 

Wie stellen die Verantwortlichen fest, welche Massnahmen wirtschaftlich sind, ob also eine Krankamera oder ein Planhaus wirklich einen Mehrwert darstellen oder nur nice to have sind?

Indem der Aufwand dem erwarteten Nutzen gegenübergestellt wird. Der Nutzen ergibt sich dabei aus messbaren – ich denke an Zeiteinsparungen, tiefere Fehlerquoten - und subjektiven Kriterien wie wertvolle Erfahrungen für Mitarbeitende, eventuell mehr Spass bei der Arbeit oder eine Signalwirkung für Auftraggeber.

 

Schauen wir zum Schluss in die Kristallkugel: Wo werden Betriebe des Bauhauptgewerbes in Sachen Digitalisierung in fünf Jahren stehen?

Externe Faktoren, wie neue Anforderungen von Ausschreibungen oder neue Technologien wie KI, werden der Branche nochmals einen Ruck geben. Beispielsweise wird in fünf Jahren wahrscheinlich die Mehrheit der Bauunternehmen mit einer BIM-Ausschreibung in Kontakt gekommen sein und sich entsprechende Gedanken gemacht haben, welche Kompetenzen und Tools sie künftig dafür brauchen werden.

 

Wo ihn zehn?

Dann wird das modellbasierte Bauen hoffentlich Standard sein und alle unsere Mitglieder sind entsprechend dafür vorbereitet.

Zu Moritz Lüscher

Als Unternehmensberater verfügt Moritz Lüscher über Erfahrung in diversen Branchen. Seit 2020 leitet er branchenweite Projekte zur digitalen Transformation beim SBV und seit 2022 verantwortet er das Thema «Digital Construction» als Leiter Digitalisierung mit der Mission, die SBV-Mitglieder auf dem Weg der digitalen Transformation zu befähigen. Zu seinen Kernkompetenzen zählen die Erarbeitung und Implementierung digitaler Strategien und Geschäftsmodelle 

Über den Autor

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Susanna Vanek

Redaktorin

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