«BIM bietet den Bauunternehmen viele Vorteile»

Im Interview erläutert Patrick Imboden, BIM-Verantwortlicher bei der Ulrich Imboden AG, welchen Mehrwert Bauunternehmen davon haben, wenn sie BIM implementieren und welchen Einfluss das auf die Rolle des Bauführers hat.

 

Wie kann man sich die «Wallisär Pauer» in Sachen Digitalisierung vorstellen?

Wir erleben aktuell eine Gesellschaft im Umbruch. Die einen wollen nach vorne, Zukunftsverantwortung übernehmen, und die anderen wieder zurück zum Alten, mit der Vergangenheit nicht abschliessen. Die Umsetzung der BIM-Methode verändert nicht nur die Qualität eines Bauwerks, sondern auch die Zusammenarbeit auf der Baustelle und im Unternehmen. Die Implementierung der BIM-Methode bedeutet, dass wir die Zukunft in einem kollaborativen Prozess gestalten. Immer gibt es in unserem Alltag neue Realitäten, die ein Handeln erfordern, damit die Unternehmung erfolgreich ist. Der Unternehmer muss verstehen, welche Einflüsse auf sein Produkt oder Dienstleistung von aussen wirken.

Die Ulrich Imboden AG hat ein Manifest mit Missionen, Werten und einer übergeordneten Vision. Für uns steht die gesellschaftliche Entwicklung und die Zukunftsgestaltung im Mittelpunkt. Diese Firmenstrategie ist von nachhaltigem Handeln geprägt, damit auch die nachfolgenden Generationen in einer starken Region leben können. Der Umgang miteinander ist auf sozialen Aspekten aufgebaut, dadurch entsteht eine verantwortungsvolle «WIR-Kultur».

Weiter haben wir das «Future Team» geschaffen. Seit rund 2 Jahren arbeite ich mit Lars Millius in «Future Team» zusammen. Als gelernter Geomatiker bringt Lars viel Fachwissen zur Vermessung von Arealen mit. Das ergänzt sich gut mit meinem Fachwissen – nach einer Lehre als Hochbauzeichner bildete ich mich zum Bauplaner Innenarchitektur und zum Bauführer weiter. Kürzlich schloss ich einen Master im digitalen Bauen ab. Seit Januar 2023 sind wir ein 3er Team. Nicolas Schalbetter bringt als ausgebildeter Mauer und Bauführer viel Fachwissen von der Baustelle mit.

 

Welche Vorteile hat der kollaborative Prozess für das Bauunternehmen?

Wir verstehen Vorteile als Mehrwerte nicht nur für uns als Bauunternehmung, sondern für alle am Bauprojekt Beteiligte, einschliesslich des Bauherrn. Ein zentraler Mehrwert ist für uns, dass die richtigen Informationen am richtigen Ort und mit der erforderlichen Qualität vorhanden sind, daraus resultiert für uns eine Effizienz- und Produktivitätssteigerung in Bauprojekten. Grundlage dafür ist eine integrierte Projektabwicklung (IPD, für Integrated Project Delivery). Nur so kann das Potenzial der integrierten Zusammenarbeit erschlossen und die Projektabwicklung zeitgemäss gestaltet werden.

 

Welchen Beitrag muss die Ulrich Imboden AG leisten, damit die Bauführerinnen und Bauführer die BIM-Methode anwenden kann?

Die Frage habe ich letztes Jahr ausführlich in der MAS-Thesis zusammen mit Peter Scherer von der FHNW und Marc Aurel Hunziker vom SBV analysiert. Die umfassende Auseinandersetzung und die Ergebnisse zeigen, dass eine ganzheitliche Betrachtung der gesellschaftlichen Entwicklung und deren Auswirkung bedeutend ist. Diese Betrachtung gehört zum heutigen unternehmerischen Alltag, um mit der Veränderung umzugehen und sich auf neue Verhältnisse einzustellen zu können.

Basierend auf diesen Ergebnissen entstand unser «Future Team». Unser Ziel ist es, die bestehenden Arbeitsprozesse zu analysieren und wenn nötig zu verändern oder optimieren, sodass der Bauführerin oder der Bauführer zeitgemässe Arbeitsbedingen vorfindet, dies immer im Zusammenhang mit der Digitalisierung. Die Zusammenarbeitskultur hat das Ziel, eine Gemeinschaft innerhalb der Unternehmung zu bilden. Es geht darum, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter über das «Warum» der Ulrich Imboden AG im Klaren sind und untereinander die Gründe ihrer Arbeitstätigkeit offen mitteilen können. Wichtig ist, dass Entscheidungsträger involviert sind, die Einsicht und das Fachwissen der zu Arbeitstätigkeit haben. Dieser Veränderungsprozess wird vom «Future Team» strategisch begleitet werden.

 

Welche Prozesse müssen geändert werden?

Eine Rolle bei diesen Betrachtungen spielen die Dringlichkeit, ein möglicher Mehrwert als Ergebnis und auch der Wunsch nach Veränderung von Personen, die im Prozess involviert sind.

Situationsbedingt stufen wir unsere Prozesse in drei Arbeitsthemen ein:

 

  • Optimieren: Weiterentwicklung und schrittweise Verbesserung der bestehenden Dienstleistung.
  • Verändern: entwickeln digitaler Dienstleistungen im angrenzenden Kerngeschäft
  • Innovieren: entwickeln neuer Geschäftsmodelle und -felder ausserhalb des heutigen Kerngeschäfts.

 

Jeder dieser Veränderungsprozesse verlangt eine strategische Unterstützung. So stehen bei der Optimierung der bestehenden Dienstleistung die Mitarbeiter im Fokus, die täglich in diesen Arbeitsprozessen involviert sind. Hier müssen Methoden angewendet werden, die den IST-Zustand aufzeigen und die Verwendungen sichtbar machen. Bei der Veränderung des Kerngeschäfts braucht es erweiterte Fähigkeiten und Fachwissen, das sich mit der Ideengenerierung und Machbarkeit beschäftigt. Um neue Geschäftsmodelle zu entwickeln, sind Auseinandersetzungen mit Trendidentifikationen über Innovationsprojekte bis hin zu Prototypen nötig. Die Voraussetzung dieser drei Veränderungen fordert zuverlässige und stabile Prozesse, die zu einer genaueren Vorhersagbarkeit führen. Das Ziel ist es schnellere Durchlaufzeiten zu erreichen, um mehr Effizienz zu gewinnen.

 

Wie verändert die Digitalisierung den Beruf des Bauführers oder der Bauführerin?

Der beschlossene Systemwechsel zur höheren Fachprüfung zum Erlangen des eidgenössisch diplomierten Bauführers beziehungsweise Bauführerin-Titels ist ein politischer Entscheid. Der Bauführer – Frauen sind hier immer mitgemeint - wird zukünftig nach dem neuen Lernfeldkatalog des SBV unterrichtet und geprüft. Vermittelt werden von den Bildungsanbietern neue Fähigkeiten, die es dem Bauführer ermöglichen, die BIM-Methode bei Bauprojekten anzuwenden. Dieser Systemwechsel ist nötig, da der Beruf Bauführer durch die Digitalisierung und die Automatisierung künftig weiterhin bestehen wird und sich damit die Notwendigkeit einer Weiterentwicklung ergibt. Der Beruf des Bauführers wird sich zukünftig verändern, da bestehende Arbeitsprozesse digitalisiert, standardisiert und optimiert werden. In Zukunft wird eine Vielzahl an Anwendungen, die monotone und repetitive Vorgänge haben, von Maschinen und / oder Programmen erledigt werden. Damit rücken menschliche Fähigkeiten wie Kreativität und Empathie wieder in den Fokus.

 

Könnten die Änderungen gar den Beruf des Bauführers gefährden?

Der Beruf Bauführer wird durch die Digitalisierung und Automatisierung künftig nicht gefährdet sein, die Tätigkeit wird sich aber verändern. Die Veränderung wird für den Bauführer spürbar sein, in Form einer Erleichterung und Unterstützung der Arbeitsaufgaben. Ich bin überzeugt, dass die Digitalisierung den Beruf attraktiver gestalten wird. Monotone und repetitive Arbeitstätigkeiten sind Stressfaktoren, die wir dadurch verhindern können. Allerdings muss dazu ergänzt werden, dass diejenigen Bauführer, die sich nicht weiterentwickeln, tatsächlich gefährdet sind. Sie werden Mühe haben, ihren Platz in der künftigen Arbeitswelt zu finden.

 

Welche Rolle werden Bauführer künftig im Bauunternehmen einnehmen?

Sie werden für kreative und sinnstiftende Arbeitsaufgaben zuständig sein. Weiter wird von ihnen die Kompetenz gefordert werden, die Plausibilität digitaler Auswertungen oder Berechnungen zu prüfen.

 

Wie wird sich die Digitalisierung auf den Personalbedarf von Bauunternehmen auswirken?

Die Digitalisierung wird die einzelnen Arbeitsprozesse besser abbilden, was die Personalplanung erleichtert. Die Belegschaft wird so dank der Digitalisierung optimaler eingesetzt werden. Ich bin zudem der Ansicht, dass die Digitalisierung den Personalbedarf markant steigern wird.

 

Welche Vorteile erhofft sich die Ulrich Imboden AG davon, dass sie das digitale Bauen fördert?

Die BIM-Methode wird keinen nachhaltigen Wettbewerbsvorteil für unser Unternehmen darstellen. Natürlich ist es so, dass, wer zuerst eine gute Position in der Digitalisierung einnimmt, damit sich einen Wettbewerbsvorteil verschafft, aber dieser wird sich im zeitlichen Verlauf abschwächen, da es vorhersehbar ist, dass künftig immer mehr Unternehmer und Planer die BIM-Methode anwenden werden. Es kann zuverlässig davon ausgegangen werden, dass die BIM-Methode zum Standard von Bauprojekten wird. Mit einer proaktiven Strategie und einer zeitnahen Vorbereitung auf eine schrittweise Einführung der BIM-Methode mit Integration in die Arbeitsprozesse kann sich die Ulrich Imboden AG einen Wettbewerbsvorteil als attraktiver Arbeitgeber mit zeitgemässen Arbeitsprozessen schaffen. Im Jahr 2026 werden die ersten eidgenössisch diplomierten Bauführer mit erweiterten Fähigkeiten in digitalen Arbeitsprozessen auf den Arbeitsmarkt erwartet. Diese Bauführer werden sich für Arbeitgeber mit attraktiven Arbeitsbedingungen und modernen Arbeitsprozessen entscheiden, damit sie ihre erworbenen Fähigkeiten sinnvoll einsetzen können.

 

Neben jungen Berufsleuten sind in den Bauunternehmen auch altgediente Kräfte im Einsatz, also Mitarbeitende, die seit vielen Jahren oder die gar seit Jahrzehnten sich für den Betrieb unternehmen. Was können die Verantwortlichen tun, um diese «mit an Bord» zu holen, damit sie die neue Strategie zur Digitalisierung mittragen?

Dies heisst für uns «Unternehmerverantwortung». Es braucht ein internes Weiterbildungs-Konzept. Das sind wir zurzeit noch am Entwickeln. Im ersten Schritt braucht es Erläuterungen von Begriffen, es braucht hier eine einfache Sprache. In einem zweiten Schritt ist es wichtig, dass die Mehrwerte erkennbar sind. Die werden anhand von konkreten Beispielen erläutert. Hier ist das «Future Team» gefordert Anwendungsfälle zu testen, zu analysieren und zu kommunizieren. Wichtig ist ebenfalls die Mitarbeiter Schritt für Schritt mit der Digitalisierung vertraut zu machen. Mir persönlich ist es wichtig, das erlangte Fachwissen über die BIM-Methode zu teilen und zugänglich zu machen.

 

Wie verändert die Digitalisierung die Zusammenarbeit im Unternehmen?

Sie wird transparenter, effizienter und durchgängiger. Daraus resultiert auch eine sinnvollere Zusammenarbeit bei uns intern, die aber auch extern spürbar ist. Am Ende können wir so unsere Produktivität und vor allem Qualität von unseren Produkten und Dienstleistungen steigern. Das leben wir auch so bei uns im Unternehmen, daher lohnt sich jeden investierten Franken in die Arbeit des «Future Teams».

 

Was muss der SBV tun?

Er macht schon einiges. Ich nutze vor allem:

 

  • Trendradar eine erste Einschätzung machen zu Mega- und Makrotrend (Einfluss, Zeitpunkt der Main-Stream-Adaption und Kompetenzen). Vergleich eigenes Unternehmen mit Baubranche.
  • Anwenderhandbuch mit Beispielen von Anwendungsfällen.
  • ERFA Gruppe «Digitalisierung»

 

Der Systemwechsel zur höheren Fachprüfung zum Erlangen des eidgenössisch diplomierten Bauführers-Titels ist beschlossen. Der Bauführer wird künftig nach dem neuen Lernfeldkatalog des SBV unterrichtet und geprüft. Vermittelt werden von den Bildungsanbietern neue Fähigkeiten, die es den «neuen» Bauführern ermöglicht, die BIM-Methode bei Bauprojekten anzuwenden. Der nächste Schritt bedarf einer Schaffung einer gemeinschaftsorientierten Struktur. Das heisst, es braucht künftig einen aktiven Austausch zwischen Bildungsanbieter, Unternehmer und dem Baumeisterverband. Der Austausch differenzierter Perspektiven, Meinungen und Erfahrungen bildet ein gemeinschaftliches Verständnis zur zukünftigen Rolle des Bauführers in der Bauunternehmung. Dieser aktive Austausch soll gepflegt werden, um die Lern- und Entwicklungsfähigkeit des Bauführers/in zu fördern. Ebenso braucht es eine Förderung der heutigen Bauführer. Angebote in Form von Weiterbildungen sollen den heutigen Bauführern, also der «alten» Generation, das Fachwissen über die BIM-Methode ebenfalls vermitteln. Dadurch können Kompetenzen gefördert werden und die Kooperation zwischen dem heutigen und zukünftigen Bauführer/innen wird gestärkt und schafft einen Mehrwert. Diese Verbindung zwischen verschiedenen Generationen erhöht die unternehmerische Resilienz und fördert den Wissensaustausch.

 

Patrick Imboden schloss letztes Jahr einen MAS Digitales Bauen an der Fachhochschule Nordwestschweiz ab. Er ist BIM-Verantwortlicher bei der Ulrich Imboden AG. Er tauscht sich gerne zu Digitalisierungsthemen aus: [email protected]

Guide to Digital Transformation

Der Guide to Digital Transformation ist ein Angebot aus der Baumeister 5.0-​Initiative des SBV. Damit sollen SBV-​Mitglieder in der Digitalisierung gezielt unterstützt werden. Insbesondere kleine und mittlere Baufirmen können davon profitieren.

Über den Autor

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Susanna Vanek

Redaktorin / Spezialistin Kommunikation

[email protected]

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