Gemeinsames Interesse Fachkräfte halten

Arbeitgeber und Arbeitnehmer haben mehr gemeinsame Interessen, als gemeinhin angenommen wird. Wenn in Verhandlungen über einen neuen Landesmantelvertrag jeweils zugespitzte Forderungen präsentiert werden – was häufig der Fall ist – kann der Eindruck entstehen, dass kaum Gemeinsamkeiten bestehen. Nicht selten jedoch sind Bauarbeiter den Bedürfnissen ihrer Arbeitgeber näher als den Fundamentalforderungen der Gewerkschaften. Bei den aktuellen LMV-Verhandlungen versucht die SBV-Delegation deshalb auf gemeinsamen Interessen aufzubauen. Mit einer Artikelserie beleuchten wir die gemeinsamen Interessen. In Teil 5 geht es darum, wie wichtig es ist, Fachkräfte in der Branche zu halten, indem man ihnen eine ausgeglichene Work-Life-Balance ermöglicht. Dies ist vor allem ein grosses Bedürfnis der Generation Z, wie Professorin Dr. Antje-Britta Mörstedt erklärt.

 

Generation Z sucht sinnvolle Tätigkeit

Bei der Generation Z gibt es einen starken Wertewandel. Nachhaltigkeit und soziale Verantwortung werden viel stärker gewichtet als früher. «Die Jugendlichen wollen nicht einfach einen Beruf, der ihnen Geld bringt, sie wünschen sich, dass ihre Tätigkeit gleichzeitig sinnvoll ist», hält Professorin Dr. Antje-Britta Mörstedt fest. Mörstedt forscht an der Privaten Hochschule Göttingen zur Generation Z. Eine ihre Erkenntnisse: die Vertreter der Generation Z können sich schlechter konzentrieren als frühere Generationen. Sie sind auch weniger in der Lage, sich in Aufgaben zu vertiefen, sich durchzubeissen, wenn es Durchhaltewillen braucht.

 

Mehr Anerkennung für handwerkliche Berufe nötig

Ein weiteres Alarmzeichen für die Baubranche: Das Interesse an handwerklichen Berufen schwindet, weil die Gesellschaft der Jugend eintrichtert, dass nur ein Studium einen sicheren, guten Beruf garantiert. Es liegt in der gesellschaftlichen Verantwortung, den handwerklichen Berufen wieder ihre Würde zu geben. «Eine Berufslehre in einem handwerklichen Beruf muss wieder mehr Anerkennung erhalten», fordert Professorin Mörstedt.

 

Ausbildung digitaler gestalten

Die Schulen sind ein weiterer wichtiger Faktor. 50 Prozent der Jugendlichen lernen ausschliesslich mit Youtube für die Schule. Auch die anderen gehen regelmässig rein und suchen sich einen Kanal aus, der sie so informiert, wie sie es wünschen. Bildungsstätten sollten entsprechend ihre Ausbildungsangebote digitaler gestalten und die Jugendlichen dort abholen, wo sie am liebsten lernen. Die Baubranche selbst sollte den Jugendlichen unbedingt vermitteln, dass es toll ist, wenn man die Ergebnisse seiner eigenen Arbeit sehen kann, und dass es schön ist, etwas mit den Händen zu erschaffen.

 

Mitarbeiterwerbung online und offline

Die Generation Z liebt es, in einem kollegialen, familiären Umfeld zu arbeiten. Bauunternehmer sollten herausstreichen, dass junge Menschen bei ihnen genauso ein Umfeld vorfinden. Zudem sollten sie sich auf Youtube und Instagram präsentieren. Aber eine Online-Präsenz ist nicht alles. Es braucht weiterhin Tage der offenen Türe, an dem junge Menschen auf Lehrstellensuche Betriebe besichtigen können. Mitarbeiterwerbung sollte nach wie vor auch offline stattfinden.

 

Spezifische Projekte statt vollständige Laufbahn im Fokus

Eine weitere wichtige Erkenntnis von Mörstedt: Die Generation Z plant keine ganze Laufbahn, sie denkt vielmehr in Projekten. Sie sucht sich immer wieder Projekte, die sie begeistern, für die sie sich eine Zeit lang engagiert. «Die Baubranche ist dafür doch toll geeignet», findet die Professorin. Daneben bestehe aber ein grosser Wunsch darin, «zu leben, zu leben und nochmals zu leben». Deshalb erscheint es vielen Jugendlichen nicht als erstrebenswert, allzu hoch die Karriereleiter hochzusteigen. Die Baufirmen werden gefordert sein, ein neues Gleichgewicht zwischen Arbeit und Freizeit anzubieten.

 

Work-Life-Balance und gezielte Förderung entscheidend

Der SBV teilt die Ansichten von Professorin Dr. Antje-Britta Mörstedt. Unser gemeinsames Interesse ist es, dass eine ausgeglichene Work-Life-Balance künftig einfacher und individuell flexibler erreicht werden kann. Und ebenso wichtig ist es, dass mit gezielter Förderung und Aus- und Weiterbildung die Arbeitnehmer fit gehalten werden. Beides sind Grundvoraussetzungen, dass die bewährten Fachkräfte dem Bauhauptgewerbe erhalten bleiben und nicht in andere Branchen abwandern. Hierzu muss aber der LMV flexibler werden, damit er nicht dem saisonalen Freizeitvergnügen oder dem Weiterbildungsmodul im Wege steht.

Über den Autor

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Martin Maniera

Ökonom & wissenschaftlicher Mitarbeiter Politik

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